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Trainerlegende Udo Lattek ist tot

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Köln - Der Fußball hat ihm viel zu verdanken, doch Zeit seines Lebens bedankte sich Udo Lattek lieber beim Fußball. Der legendäre Trainer, Stratege und Kommunikator starb am vergangenen Wochenende im Alter von 80 Jahren.

Es war, als hätte Udo Lattek etwas geahnt. „Das war meine letzte Fußball-Reise, mein letztes großes Spiel“, sagte er vor dem Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund, das er im Mai 2013 auf Einladung des FC Bayern auf der Ehrentribüne im Wembley-Stadion verfolgte. Am vergangenen Wochenende, mehr als eineinhalb Jahre nach dem „German Endspiel“, starb Lattek, einer der erfolgreichsten Trainer der Fußball-Geschichte, im Alter von 80 Jahren. Zuletzt lebte er, schwer von einer Parkinson-Erkrankung gezeichnet, in einem Pflegeheim in Köln.

Lattek: "Ich bin ein Bauernsohn, aus dem Nichts gekommen"

Die Größen des deutschen Fußballs nahmen die traurige Nachricht erschüttert auf. „Der große Udo Lattek ist tot. Ich hatte gehofft, dass ihm die Krankheit noch gute Tage lässt“, twitterte Franz Beckenbauer und stand damit stellvertretend für viele frühere Weggefährten.

„Ich bin tief getroffen und bewegt. Sein Name ist so eng mit dem Aufstieg des FC Bayern München in den erfolgreichen 70er Jahren verbunden. Wir verlieren einen persönlichen Förderer und Freund“, sagte der Bayern-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge.

Lattek prägte den Fußball als begnadeter Trainer und Kommunikator wie nur wenige vor ihm, und bis ins hohe Alter war er mit Feuereifer und Leidenschaft, aber auch wohltuender Demut ein Botschafter seines Sports. „Ich bin ein Bauernsohn, aus dem Nichts gekommen. Ich habe dem Fußball alles zu verdanken“, sagte er Anfang 2010 anlässlich seines 75. Geburtstags.

40 Jahre zuvor war der im ostpreußischen Städtchen Bosemb geborene Lattek auf Franz Beckenbauers Betreiben bei den Bayern Branko Zebec auf den Trainersessel gefolgt, und der Lehrer für Englisch und Sport füllte das Amt auf eine Art aus wie niemand vor ihm. Lattek revolutionierte die Kommunikation mit Spielern und Medien, eine vergleichbare Kombination aus Offenheit, Direktheit und Einfühlungsvermögen hat die Branche vorher nicht gekannt.

Udo Lattek ist tot: Sein Leben in Bildern

Journalisten gewährte er tieferen Einblick in die Szene, als sie ihn je zuvor hatten. Nicht von ungefähr hielt er später Tuchfühlung, hob die Sport Bild mit aus der Taufe und erlangte in insgesamt 786 DSF- und Sport1-„Doppelpässen“ als launisch-kritischer Beobachter Kultstatus.

„Du musst Spaß daran haben, mit Menschen umzugehen“, sagte Lattek einst: „Die Mischung aus einem gesicherten Wissen und dem richtigen Gefühl hat es bei mir ausgemacht.“ Nicht selten ging er in Mannschaftssitzungen vor großen Spielen, ohne zu wissen, wen er in die Startelf beordern würde. Die Auswahl traf er spontan und intuitiv nach einem Blick in die Gesichter der Spieler.

Kritiker wie sein großer Gegenspieler Otto Rehhagel, mit dem er eine innige Feindschaft pflegte, hielten ihm gerne hinter vorgehaltener Hand vor, stets vom Glück profitiert zu haben, zum richtigen Moment am richtigen Ort Trainer sein zu dürfen. Wie beispielsweise bei den Bayern, bei denen er in zwei Amtszeiten (1970 bis 1975 und 1983 bis 1987) Ansammlungen von Weltstars um Beckenbauer und Gerd Müller beziehungsweise Karl-Heinz Rummenigge und Lothar Matthäus vorfand. Oder in Mönchengladbach (1975 bis 1979), wo ihm sein einstiger Lehrmeister Hennes Weisweiler Spieler wie Jupp Heynckes, Berti Vogts oder Rainer Bonhof hinterließ.

Doch so einfach war das nicht, mit Glück allein sind Latteks Erfolge nicht zu erklären. Die Bayern führte er zu sechs Meistertiteln und drei Pokal-Triumphen, er wurde zweimal Meister mit Borussia Mönchengladbach und gewann mit den „Fohlen“ (UEFA-Cup 1979), den Bayern (Europapokal der Landesmeister 1974) und dem FC Barcelona (Pokalsieger-Cup 1982) den kompletten Satz Europapokale.

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Seine Zeit in Spanien prägte ihn besonders, besser gesagt die Monate davor, die ihm die Hölle auf Erden gezeigt hatten. Sein Sohn Dirk erkrankte an Leukämie und starb 1981 im Alter von 15 Jahren. Zusammen mit seiner Frau Hildegard floh Lattek, zu dieser Zeit Trainer bei Borussia Dortmund, nach Katalonien, vor allem, um den Schmerz zu lindern. Danach war er besser als jemals zuvor in der Lage, den Fußball und seine Nebengeräusche nicht allzu ernst zu nehmen.

„Ich brauchte eine neue Aufgabe, Barcelona war schon damals der schwierigste Klub, der mich 24 Stunden am Tag gefordert und dadurch auch abgelenkt hat“, sagte Lattek. Immerhin 19 Monate trainierte er Barca, doch sein Kommunikationstalent stieß bei Diego Maradona an Grenzen. Wenn er später über den Zwischenfall mit dem Weltstar berichtete, klang das wie fast alles bei ihm wie eine Anekdote, die sich im Laufe der Zeit als Geschenk entpuppte, das ihm der Fußball gemacht hat und das er dankbar weiterreichte. „Hintergrund war die Abfahrt zu einem Abschlusstraining. Alle waren da, nur Diego nicht. Ich bin abgefahren, habe ihn stehen lassen. Daraufhin erklärte er dem Präsidenten, dass er lieber Cesar Luis Menotti haben wollte.“

Lattek kehrte zum FC Bayern zurück, feierte wieder große Erfolge. Sein viel zu hoher Alkoholgenuss - er verglich sich mal mit Schauspieler-Legende Hans Albers, „weil der, wie ich, saufen konnte und hart arbeiten“ - tat dem Ganzen keinen Abbruch. Ein Fehler war später sein Einstieg als Sportdirektor beim 1. FC Köln (1987 bis 1991), bei dem er vor allem durch seinen legendären blauen Pullover für Furore sorgte. Einen würdigen Abschied aus dem innersten Zirkel der Branche erhielt er dennoch. Im Jahr 2000 führte er Borussia Dortmund mit einem Kurz-Comeback zum Klassenerhalt, die Fans im ausverkauften Westfalenstadion lagen ihm zu Füßen. Im Mai zelebrierte er seinen letzten „Doppelpass“, nach einem 2012 erlittenen Schlaganfall trat er kaum noch in der Öffentlichkeit auf.

Einen ausführlichen Nachruf zum verstorbenen Bayern-Trainer Udo Lattek finden Sie hier.

sid

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