„Wie ein Bruder“: Weltmeister Matuidi spricht im Interview über besonderes Verhältnis zu Bayern-Star

Blaise Matuidi hat vor dem Champions-League-Achtelfinale zwischen Paris und dem FC Bayern München mit unserer Zeitung gesprochen. Das tz-Interview mit dem Weltmeister.
München - Blaise Matuidi (35) ist eine Legende des französischen Fußballs. 2018 wurde er mit der Equipe Tricolore Weltmeister. Mit Paris Saint-Germain und Juventus Turin gewann er auf nationaler Ebene alles, was es zu gewinnen gibt. Seine großartige Karriere beendete er Ende 2022 bei Inter Miami. Im großen tz-Interview spricht der ehemalige Sechser u.a. über den Champions-League-Hit zwischen Bayern und PSG, die französischen FCB-Stars und erzählt eine lustige Anekdote über den Münchner Neuzugang Joao Cancelo.
Herr Matuidi, seit Sie 2011 zu PSG gekommen sind, haben Sie fast jede Saison einen großen Titel gewonnen. Welcher war der schönste in Ihrer Karriere?
Matuidi: Die Weltmeisterschaft. Man vertritt sein Land. Das war ein Traum, seit ich ein Kind war. Im Alter von elf Jahren habe ich an diesen Moment gedacht, als ich französische Superstars wie Zidane, Deschamps, Desailly oder Thuram gesehen habe. Als wir die Weltmeisterschaft 2018 in Russland gewonnen haben, habe ich in Gedanken zurückgeblickt und gesagt: „Wow!“ Ich musste eine Menge opfern, um so weit zu kommen.
Was kam Ihnen noch in den Sinn?
Matuidi: Ich habe auch an meine Familie gedacht, daran, wie sie mir geholfen hat, nur um mich glücklich zu sehen. Für sie ging es nicht darum, dass ich Profi werde. Meine Familie wollte ihren Sohn einfach nur lächeln sehen. Ich bin sehr froh und stolz auf das, was ich mit der Nationalmannschaft geschafft habe. Das Gleiche gilt für das, was ich bei den großen Mannschaften, bei denen ich gespielt habe, erreicht habe: bei Juventus oder Paris Saint-Germain. Als ich als junger Spieler zu PSG kam, teilte ich die Umkleidekabine mit großen Stars wie Ibrahimovic, Thiago Silva, Motta oder Maxwell. Sie haben mir geholfen, ein Gewinner zu werden. Als ich ankam, war ich ein guter Spieler, aber ich brauchte die Mentalität, um ein Gewinner zu sein.
Im Achtelfinale der Champions League trifft Ihr ehemaliger Verein nun auf Bayern München.
Matuidi: Paris hat viele Stars wie Mbappé, Messi oder Neymar. Sie sind sehr gefährlich, weil sie Gewinner sind, jeder Einzelne von ihnen hat bereits viele Titel geholt. Sie haben die nötige Erfahrung. Sie sind technisch und körperlich sehr stark. PSG hat einfach eine sehr gute Mannschaft.
Und Bayern?
Matuidi: Sie haben auch große Spieler. Es wird ein riesiges Spiel. Für die Stars auf dem Rasen wird es auch eine harte Partie. Beide Mannschaften müssen bereit sein, zu kämpfen. Am Ende wird die mentale Komponente, der Kopf entscheidend sein und auch, dass jeder Spieler seinen Kollegen hilft. Wir lieben solche Matches.
Die Leihe von Cancelo ist eine großartige Sache
In der Nationalmannschaft haben Sie mit vielen französischen Stars des FC Bayern zusammengespielt. Mit Benjamin Pavard und Lucas Hernández haben Sie den WM-Pokal gewonnen.
Matuidi: Sie sind viel jünger als ich. Aber sie haben schon große Titel geholt. Sie haben es sich verdient, es sind Spieler mit viel Qualität. Sie sind auch demütig. Das ist ebenfalls sehr wichtig im Fußball. Um an der Spitze zu sein, braucht man das. Qualität ist eine Sache. Aber man muss auch hart arbeiten. Es hilft sehr, wenn man diszipliniert ist. Ich freue mich sehr für sie, dass sie seit Jahren auf diesem Top-Niveau spielen.
Was denken Sie über Pavard?
Matuidi: Vor einigen Jahren, als er bei Lille war, habe ich mit PSG gegen ihn gespielt. Damals habe ich gesehen, dass er das Potenzial hat, ein großer Spieler zu werden. Aber ich war ein bisschen überrascht, dass er es bis ganz nach oben geschafft hat. Seine Arbeitsmoral hat ihm sehr geholfen. Ich habe großen Respekt vor ihm. Er hat es verdient.
Er spricht offen darüber, Bayern München zu verlassen. Der FC Barcelona ist zum Beispiel hinter ihm her. Würden Sie ihm als Weltmeister und ehemaliger Nationalmannschaftskollege raten, zu wechseln?
Matuidi: Darüber habe ich mit ihm nicht gesprochen. Als Fußballspieler, der mit seinem Verein alles gewonnen hat, kommt manchmal der Zeitpunkt, an dem man eine neue Herausforderung sucht. Er ist noch jung, zudem ist er sehr intelligent. Daher bin ich sicher, dass er die für sich beste Entscheidung treffen wird.
Dayot Upamecano hat sich spektakulär entwickelt. Vor Kurzem trat Varane aus der Nationalmannschaft zurück. Hat er schon das Zeug dazu, der neue Abwehrchef der Equipe Tricolore zu werden?
Matuidi: Natürlich. Er hat eine tolle Weltmeisterschaft gespielt. Ich war überrascht, denn es war seine erste WM - und das ist nie einfach. Er hat alles: Er ist schnell, stark und ist mit dem Fuß top. Er kann einer der besten Verteidiger der Welt werden. Aber er muss weiter an sich arbeiten. Er ist ein toller Kerl. Ich bin froh, ihn auf diesem Niveau zu sehen.
„Wie ein Bruder“: Weltmeister Matuidi spricht im Interview über besonderes Verhältnis zu Bayern-Star
Ihre Beziehung zu Kingsley Coman ist sehr speziell.
Matuidi: Kingsley ist wie ein Bruder. Ich weiß noch, wie es war, mit ihm bei Paris Saint-Germain zu spielen. Ich habe gesehen, dass er talentiert ist, er hatte etwas, das niemand hatte. Er war damals schon schnell, stark und hatte ein gutes Spielverständnis. Wir waren sehr enttäuscht, als er den Verein verlassen hat. Am Ende war es die Entscheidung. Jetzt sieht man, dass er seit Jahren bei den Bayern auf höchstem Niveau spielt. Er ist ein wichtiger Spieler in diesem großen Verein. Er ist ein besonderer Profi mit viel Qualität, einer der besten Flügelspieler der Welt. Ich freue mich für ihn. Er hatte eine Menge Probleme mit Verletzungen. Aber er ist mental sehr stark und ist immer wieder an die Spitze zurückgekommen.
War er schon immer so?
Matuidi: Als wir in Paris gespielt haben, war er jung und ich ein Routinier. Ich habe ihn dazu gedrängt, sein volles Potenzial auszuschöpfen. Manchmal war das von meiner Seite aus zu viel. Darüber haben wir danach gesprochen. Er weiß, dass es nur zu seinem Besten war, wenn ich das getan habe. Ich habe ihn angestachelt, weil ich ihn liebe. Ich wusste, dass er talentiert ist. Seine Karriere ist bereits außerordentlich gut verlaufen. Er hat fast alles gewonnen. Die Weltmeisterschaft fehlt zwar noch, aber ich bin sicher, dass er sie gewinnen kann. Er ist ja noch jung.
Auch Frankfurts Randal Kolo Muani ist ein herausragender französischer Spieler. Der Stürmer wird immer wieder mit Bayern in Verbindung gebracht.
Matuidi: Er ist noch jung. Ich habe ihn ein paar Mal gesehen, als er noch in Nantes spielte. Ich war ein bisschen überrascht über seine zuletzt häufig gezeigten Top-Leistungen. Er hat viel Power und ein Vorteil ist, dass er im Moment befreit spielt, ohne großartig nachzudenken.
2016 gab es Gerüchte, dass Sie beinahe zum FC Bayern gewechselt wären, als Carlo Ancelotti Trainer war. Stimmt das?
Matuidi: Ich habe großen Respekt vor diesem Verein, sie kämpfen immer um den Champions-League-Titel. Bayern ist die beste Mannschaft in Deutschland. Es ist ein großer, großer Verein, die Mentalität ist die gleiche wie bei meinem früheren Verein Juventus. Sie haben große Spieler, aber sie wollen auch hart arbeiten, um erfolgreich zu sein.
Bei Juventus haben Sie mit Bayerns neuem Außenverteidiger João Cancelo zusammengespielt.
Matuidi: Als er 2018 zu Juve kam, kannte ihn niemand. Ich erinnere mich an sein erstes Training. Als es zu Ende war, habe ich meinen Bruder angerufen und gesagt: „Bruder, es gibt einen neuen Spieler hier, das ist ein toller Spieler. Aber niemand kannte ihn, er ist von Valencia. Wahnsinn! Ein junger Spieler, schnell, technisch stark, er hat eine gute Übersicht. Einen Rechts- oder Linksverteidiger wie ihn habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen.“ Später war ich nicht verwundert darüber, was er bei Manchester City geleistet hat. Diese Leihe für Bayern ist eine großartige Sache.
Und Matthijs de Ligt?
Matuidi: Ich habe vor ein paar Jahren mit Juventus gegen Ajax gespielt. Damals hat de Ligt auf seinem besten Niveau gespielt. Als er zu Juventus kam, war es schwer für ihn neben gestandenen Verteidigern wie Bonucci oder Chiellini. Aber Matthijs ist ein großer Spieler. Ich bin sicher, dass auch er eine gute Karriere machen wird.
Sie waren ein großartiger defensiver Mittelfeldspieler. Was halten Sie von Bayern-Sechser Joshua Kimmich?
Matuidi: Er ist beeindruckend. Er ist ein Top-Star für Bayern und Deutschland. Er hat die Fähigkeit, auf mehreren Positionen zu spielen. Er kann als Rechtsverteidiger auflaufen, aber auch im zentralen Mittelfeld. Überall bringt er Qualität und die gleich starke Leistung auf höchstem Niveau. Neben anderen Stars ist er das Gesicht von Bayern aktuell.
Die Zukunft gehört Jamal Musiala.
Matuidi: Er ist ein junger Spieler, aber er hat die Qualität, einer der Besten der Welt zu werden. Er persönlich hat eine herausragende WM gespielt. Er ist einer, der den Unterschied in den großen Spielen machen kann. Interview: Philipp Kessler