Matthäus über CL-Träume des FC Bayern: „Weltklasse“! Diese zwei Spieler machen den Unterschied

Zum Start der Champions League spricht Lothar Matthäus über die Situation bei den Bayern und äußert sich zum Zwist zwischen Neuer und ter Stegen in der Nationalmannschaft.
München - Borussia Dortmund startet heute gegen den FC Barcelona in die Champions-League-Saison. Experte Lothar Matthäus (58) berichtet ab 19.30 Uhr für Sky vom Knallerauftakt. Am Mittwoch betreten die Bayern gegen Roter Stern Belgrad erstmals in dieser Saison die europäische Bühne. Das tz-Interview zum Auftakt der Champions League.
Herr Matthäus, was erwarten Sie von der diesjährigen Königsklassen-Saison?
Lothar Matthäus: Ich hoffe auf zwei Dinge: Dass wir genauso gute Spiele wie vergangene Saison sehen – das war höchstes Niveau! Und dann hoffe ich auf bessere Ergebnisse der deutschen Mannschaften. Es gibt vom Namen her in der Gruppenphase schon einige Partien, die auf Viertel- oder Halbfinal-Niveau sind.
So wie das Duell heute zwischen Dortmund und Barcelona?
Matthäus: Ja! Ich glaube, der BVB trifft zum richtigen Zeitpunkt auf Barcelona – auch weil Lionel Messi angeschlagen ist. Schade einerseits, weil man als Spieler nicht nur gegen die Besten der Besten spielen will, sondern weil die Zuschauer die sehen wollen. Aber für Dortmund ist es ein Vorteil, gerade in dieser Gruppe, wo mit Inter Mailand noch eine dritte Kraft dabei ist. Darum ist es ein richtungsweisendes Spiel – für Dortmund und Barcelona.
Welche dieser drei Mannschaften bleibt auf der Strecke?
Matthäus: Diese Gruppe wird einer verlassen, der nicht damit rechnet: Inter tut das nicht, Dortmund auch nicht und Barcelona schon mal gar nicht. Aber ich sehe bei diesen drei Mannschaften gar keinen großen Unterschied. Die Dortmunder müssen ihre Heimstärke ausspielen und diese Partien gewinnen.
Wie wichtig ist für den BVB ein Mats Hummels mit seiner langjährigen CL-Erfahrung?
Matthäus: Wir sprechen immer von Erfahrung, ich spreche lieber von Qualität. Die Dortmunder haben die Qualität, um einen der ersten beiden Plätze zu erreichen. Klar hilft die Erfahrung von Mats Hummels dabei. Er braucht allerdings auch seine Zeit, sich an das Dortmunder System und seine neuen Mitspieler zu gewöhnen. Aber natürlich ist er nach wie vor einer der besten Innenverteidiger, die wir in der Bundesliga haben.
Lothar Matthäus: FC Bayern fehlte in der vergangenen Saison die Stabilität
Mit Barcelona kommt auch Marc-André ter Stegen nach Deutschland. Die Stimmung zwischen ihm und Manuel Neuer ist nach den jüngsten Aussagen angespannt.
Matthäus: Ich verstehe Manuel Neuer, dass er sagt: Die Aussagen von ter Stegen nerven mich ein bisschen, das stört den Teamgeist. Aber ich verstehe auch ter Stegen hundertprozentig. Er bringt seit zwei Jahren super Leistung, hat sich während der WM 2018 mehr als fair verhalten, als Neuer quasi ohne Spielpraxis im Tor stand. Und ich verstehe Jogi Löw: Er vertraut einem Torhüter, der sich ja nichts zu Schulden kommen lässt und im Moment überragend hält. Das war früher bei Franz Beckenbauer genau so: Uli Stein war im Training und in der Bundesliga vielleicht besser, aber Toni Schumacher hat sich bei der Nationalmannschaft nichts zu Schulden kommen lassen. Darum hat Franz auch nicht gewechselt. Generell ist es doch gut, wenn ter Stegen unzufrieden ist – alles andere wäre nicht normal.
Was erwarten Sie von Neuer und Bayern in der Königsklasse?
Matthäus: Es ist nicht der Anspruch des FC Bayern, im Achtelfinale auszuscheiden, wie es im Vorjahr der Fall war. Daraus resultierte eine große Unzufriedenheit im Verein. Allerdings ist man gegen Liverpool ausgeschieden, den späteren CL-Sieger. Zu diesem Zeitpunkt hatte man keine Stabilität in der Mannschaft, viele wichtige Spieler waren nicht in Höchstform. Ich hätte das Spiel gegen Liverpool gerne zwei Monate später gesehen, als der FCB im April wie ein Hurricane durch die Bundesliga gefegt ist und die Dortmunder noch eingeholt hat.
Das bedeutet auch großen Druck für Niko Kovac.
Matthäus: Ach, wir reden immer über Druck. Niko Kovac hat bisher einen guten Job gemacht, ich sage bewusst nicht „sehr guten Job“, weil im ersten halben Jahr unter Kovac einiges nicht gut gelaufen ist: Unruhe im Verein, unnötige Diskussionen auch außerhalb des Platzes, den Abschied von Arjen Robben und Franck Ribéry moderieren. Es war nicht einfach, das alles zu managen – und dann auch noch in der einen oder anderen Phase nicht die Rückendeckung von außen zu erhalten, wie es sich ein Trainer gerne wünscht. Niko lag am Boden, hat es am Ende aber jedem gezeigt, und ich bin froh und glücklich, dass er aufgestanden ist und zurückgeschlagen hat.
Mit dem Double?
Matthäus: Ja, ich glaube, das hätte man davor unterschrieben. In diesem Jahr kann Niko einen neuen Anlauf machen in der Champions Leauge. Der Kader ist gut aufgestellt – auch in der Breite. Darum zählt der FC Bayern zu den fünf Favoriten auf den Titelgewinn.
Lothar Matthäus: Deswegen beurteilt er Coutinhos Leistung nicht
Nur ein Ersatz für Robert Lewandowski fehlt im Kader…
Matthäus: Es gibt Spieler, die diese Position vorne spielen können. Und ich rede da nicht mal von Thomas Müller, sondern eher von Serge Gnabry, der auch beim DFB oft vorne in der Spitze spielt. Selbst einen jungen Spieler wie Fiete Arp kann man mal vorne bringen, wenn Bayern dominant spielt – und das tut die Mannschaft meistens. Aber klar: Robert Lewandowski ist nicht eins zu eins zu ersetzen. Das ist Messi bei Barcelona aber auch nicht oder Cristiano Ronaldo bei Juventus Turin.
Ist Coutinho auch so ein Unterschiedsspieler?
Rober Lewandowski hat bereits sieben Bundesliga-Tore in dieser Saison geschossen.Matthäus: Ich beurteile ihn noch nicht, dafür waren seine Einsatzzeiten bisher zu kurz. Ich messe ihn in ein paar Wochen, wenn er in Spielen wie gegen Tottenham oder Dortmund seine Leistung gezeigt hat – oder auch nicht. Der Spieler, der für mich auf diesem Top-Niveau absolut den Unterschied macht, ist Lewandowski. Gleiches gilt meiner Meinung nach für Joshua Kimmich! Auf ihn kann man sich immer verlassen. Er ist als Rechtsverteidiger und Sechser Weltklasse, das hat selten ein Spieler geschafft. Ich kann mich an Philipp Lahm noch erinnern, aber das war es dann schon. Aber auch Manuel Neuer ist aktuell wieder in Weltmeister-Form.

Bei Leverkusen macht Kai Havertz meist den Unterschied – kann er das auch auf Königsklassen-Niveau?
Matthäus: Er spielt jetzt für alle Top-Klubs Europas vor und kann es allen zeigen. Er steht nicht nur beim FC Bayern auf dem Wunschzettel. Wobei es schwer wird, die Leistung aus der vergangenen Saison zu wiederholen. Diese Qualität über diese lange Zeit zu bringen, wichtige Tore zu schießen, Verantwortung zu übernehmen, Leidenschaft und Intelligenz zu zeigen – das ist für mich bewundernswert. In der Bundesliga hat er bereits abgeliefert, und seine Qualität ist so groß, dass er auch gegen die europäischen Top-Mannschaften Glanzpunkte setzen kann.
Zum Abschluss: Was erwartet die Bayern gegen Belgrad? Sie haben den Lokalrivalen Partizan trainiert.
Matthäus: Für mich sind sie zu Hause wesentlich stärker. Das haben sie vergangene Saison bewiesen, als sie 2:0 gegen Liverpool gewonnen haben. Morgen wird es normalerweise eine klare Sache für Bayern. Auswärts muss man dann mit der Atmosphäre klarkommen, mit den heißblütigen Fans. Im Duell um Platz eins schätze ich Bayern stärker als Tottenham ein.
Interview: Manuel Bonke
Beim Spitzenspiel ist TV-Experte Lothar Matthäus aufgefallen, weil er Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann dessen Taktik veranschaulicht hat. Im Frühjahr sorgte eine Panne beim Pay-TV-Sender Sky dafür, dass die Zuschauer Matthäus von einer anderen Seite zu sehen bekamen. Darüber hat tz.de* berichtet.
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