Bliemeister: Auch wenn die Jahre davor bereits schon sehr erfolgreich waren – der Zusammenschluss hebt uns auf ein anderes Level. Die Power, die hinter Stellar steckt, ist unglaublich. Das hat der vergangene Sommer eindrucksvoll untermauert: Quasi alle Top-Transfers in England wurden von uns gemacht.
Jack Grealish wechselte für 117,5 Millionen Euro von Aston Villa zu Manchester City. Der teuerste Transfer 2021.
Bliemeister: Jack Grealish ist natürlich der öffentlichkeitswirksamte Deal gewesen, war aber quasi nur die Spitze des Eisbergs. Darüber hinaus haben wir viele Premier-League-Transfers im Bereich zwischen 20 und 30 Millionen Euro Ablöse abgewickelt. Für deutsche Verhältnisse sind das in solchen Zeiten absolute Mega-Deals.
Was hat sich für Sie persönlich durch die Agentur-Fusion in Corona-Zeiten verändert?
Bliemeister: Grundsätzlich ist es nun viel einfacher, im Ausland Transfers zu machen, weil wir in den Top-Ligen damit überall bestens vernetzt sind. Bei Bedarf rufe ich beispielsweise unseren Big Boss Jonathan Barnett an, der klingelt dann bei seinem Freund Florentino Perez, dem Präsidenten von Real Madrid, durch und wickelt einen Transfer ab. So war das im Sommer, als Eduardo Camavinga von Rennes zu den Königlichen gewechselt ist.
Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Beraterbranche?
Bliemeister: In erster Linie haben sich natürlich auch unsere persönlichen Meetings stark reduziert, was aber nicht heißt, dass wir weniger Kontakt zu den Klubs oder Spielern haben. Vieles läuft über Zoom. Die Technik kann sogar einige Sachen beschleunigen und vereinfachen. Täglich haben wir Zoom-Calls mit unseren Büros in Spanien, England, Skandinavien, Südamerika oder den USA.
Und in Sachen Transfers?
Bliemeister: Man muss sagen, dass bislang während der Pandemie in fast allen Ländern mehr Leih-Deals über die Bühne gegangen sind. Das spielt den großen Agenturen natürlich mehr in die Karten als den kleinen. Eine Agentur wie Stellar mit knapp 900 Spielern hat natürlich immer Spieler zu verleihen oder zu tauschen. Das ist der Unterschied zu Agenturen, die nur in Deutschland aktiv sind.
Verdienen Berater an Leih-Geschäften weniger als bei fixen Transfers?
Bliemeister: Die Provision bleibt zum Zeitpunkt des Deals die gleiche.
Klingt alles so, als sei Ihre Agentur ein Corona-Gewinner.
Bliemeister: In Pandemie-Zeiten gibt es keine Gewinner. Der große Unterschied zu früher ist, dass alle ein bisschen verzichten müssen. Nicht nur die Spieler auf ein paar Prozente ihres Gehalts, sondern auch die Berater. Das ist in so einer Krise unumgänglich, denn letztlich sitzen wir alle im selben Boot.
In der Premier League oder bei Paris Saint-Germain hat man als Beobachter das Gefühl, dass Geld nach wie vor keine Rolle spielt. Können wirklich nur noch Scheich- bzw. investorengestützte Klubs im großen Stil einkaufen?
Bliemeister: Der Eindruck verfestigt sich durch die Krise aktuell definitiv. Und ich glaube auch, dass sich die Bundesliga-Klubs vor solchen Modellen nicht mehr lange verschließen können…
Also sind Sie dafür, dass die 50+1-Regel, die besagt, dass die Stimmen-Mehrheit eines Vereins immer bei den Mitgliedern liegen muss, in der Bundesliga fallen soll?
Bliemeister: Im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit definitiv. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde es toll, wenn ein Klub mit großer Tradition auf eigene Talente setzt. Das muss und soll auch so bleiben. Aber wenn sich die Bundesliga in den kommenden Jahren weiterhin international messen will, werden die Klubs ihre Denkweise überprüfen müssen. Denn diese Entwicklung wird sich nicht mehr aufhalten lassen.
Kann der FC Bayern mit Vereinen aus England oder PSG noch mithalten?
Bliemeister: Wenn die Bayern wollen, dann können sie – da bin ich mir sicher. Aber unabhängig von denen: Viele Klubs, die ihren Spar-Zwang in der Öffentlichkeit immer und immer wieder betonen, versuchen so natürlich auch die Preise von Ablösen und Gehältern einfach ein bisschen zu drücken.
Ist ein Wechsel von Dortmund-Stürmer Erling Haaland zum FC Bayern denn tatsächlich so unrealistisch, wie die Münchner stets betonen?
Bliemeister: Häufig ist so ein Transfer eine Frage des Timings. Mit Robert Lewandowski hat der FC Bayern ja schon einen überragenden Stürmer, der auch noch in den kommenden Jahren herausragende Leistungen bringen wird. Deswegen sehe ich persönlich aktuell gar nicht den Bedarf, Haaland verpflichten zu müssen.
Ihre Agentur betreut auch Sergiño Dest. Wechselt der Rechtsverteidiger des FC Barcelona zu Bayern?
Bliemeister: Er hat sehr viele Anfragen, hatte auch schon im Sommer sehr viele Angebote. Aber sein damaliger Trainer Ronald Koeman wollte ihn unbedingt behalten. Wie es jetzt weitergeht, wird man sehen. Klar ist: An Alternativen mangelt es einem Spieler wie Sergiño mit Sicherheit nicht.
Wer wird der Königstransfer im Sommer 2022?
Bliemeister: Ich glaube Kylian Mbappé. Er wird immer wieder mit Real Madrid in Verbindung gebracht. Aber am Ende hat auch unsere Agentur noch ein paar heiße Eisen im Feuer.
Sie persönlich beraten auch Trainer, beispielsweise Dimitrios Grammozis von Schalke 04 oder Bruno Labbadia. Wie wichtig wird dieser Geschäftszweig in Zukunft für Berater?
Bliemeister: Meiner Meinung nach macht es für jeden Trainer Sinn, einen guten Berater zu haben, denn die Zeiten haben sich auch für sie geändert. Neben dem ohnehin nicht immer einfachen Vertragswerk, gibt es mittlerweile quasi schon einen eigenen Transfermarkt für Trainer. Es werden sogar Ablösen für sie gezahlt und auch der internationale Markt – besonders für deutsche Trainer – wird immer spannender. Aus meiner Sicht ist das eine super spannende Nische.
Inwieweit unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit einem Trainer im Vergleich zu der mit Spielern?
Bliemeister: Grundsätzlich sind Trainer erwachsener, wodurch ein ganz anderer Austausch als mit einem Spieler entsteht. Wenn ich zum Beispiel mit Bruno Labbadia oder Dimitrios Grammozis rede, macht mich das immer besser. Ich selber lerne dadurch unglaublich viel dazu, verstehe zunehmend, wie Trainer ticken, und kann Entscheidungen, die für Außenstehende nicht immer verständlich sind, ganz anders nachvollziehen. Teilweise frage ich auch meine Trainer mal nach Rat.
Werden wir künftig noch teurere Trainer-Transfers als den für kolportiert zwanzig Millionen Euro von Julian Nagelsmann von Leipzig zu Bayern sehen?
Bliemeister: Nicht auszuschließen. In Deutschland wird dieser Wechsel aber das Nonplusultra bleiben, glaube ich.
Denken Sie, dass Vereine künftig so an Trainern baggern werden, wie sie das bereits bei Spielern tun?
Bliemeister: Auf jeden Fall. Aus meiner Sicht gibt es nämlich nicht so viele Top-Trainer auf der Welt. Es gibt zu wenige Typen. Gefühlt suchen Vereine aktuell immer nur nach einem Schema: jung, brav, ein bisschen Dynamik an der Seitenlinie und dazu noch die Ausdrucksweise eines typischen Laptop-Trainers mit ganz vielen modernen Fußballbegriffen. Theorie ist natürlich wichtig, aber bei der Ausbildung soll auch die Individualität eines Trainers gefördert werden. Denn am Ende geht es auch immer um die Authentizität. Nur so gewinnen die Trainer die Spieler für sich…
Dem Vorstand des FC Bayern droht offenbar Ärger. Wegen möglicher Mindestlohnvergehen am NLZ ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen mehrere Mitglieder.