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Impf-Debatte? DAZN-Experte geht mit Kimmich und FC Bayern hart ins Gericht

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Von: Florian Schimak

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Joshua Kimmich, Thomas Müller und Serge Gnabry schauen traurig.
Joshua Kimmich beherrschte in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen. © IMAGO / ActionPictures

DAZN-Experte Ralph Gunesch spricht im Exklusiv-Interview mit tz.de über die Hinrunde des FC Bayern, den Nachfolger von Robert Lewandowski und die Impf-Debatte um Joshua Kimmich.

München - Der FC Bayern hat wahrlich kein einfaches Jahr 2021 hinter sich. Das Theater um Hansi Flick und Hasan Salihamidzic, die Verpflichtung von Julian Nagelsmann und zum Ende die Impf-Diskussion um Joshua Kimmich. Trotz der vielen Unwägbarkeiten stehen die Münchner vor dem abschließenden Hinrundenspiel gegen den VfL Wolfsburg (ab 20.30 live bei DAZN) als Herbstmeister fest.

Im Exklusiv-Interview mit tz.de spricht DAZN-Experte Ralph Gunesch über die Fähigkeiten von Julian Nagelsmann, die Dominanz der Bayern und einen möglichen Nachfolger von Robert Lewandowski. Außerdem zeigt er sich von Joshua Kimmich und dem FC Bayern in den vergangenen Wochen enttäuscht.

FC Bayern: Impf-Debatte? DAZN-Experte geht mit Kimmich und FCB hart ins Gericht

Herr Gunesch, der FC Bayern ist ohne große Probleme Herbstmeister geworden – und das, obwohl im Sommer ein großer Aderlass stattfand und mit Julian Nagelsmann ein neuer und unerfahrener Coach an die Säbener Straße kam. Salopp gefragt: Ist die Bundesliga zu schlecht für die Bayern?

Ralph Gunesch: Also zunächst einmal muss ich widersprechen, dass Julian Nagelsmann ein unerfahrener Trainer ist. Es ist jetzt nicht so, dass das irgendein Neuling von der Uni ist, er hat schon früh bei der TSG Hoffenheim und RB Leipzig sogar internationale Erfahrungen sammeln können. Zu Ihrer Frage, ob die Bayern zu gut für die Bundesliga sind oder umgekehrt: Der FC Bayern ist einfach zu konstant auf allerhöchstem Level. Sowohl der BVB als auch Bayer Leverkusen hatten in dieser Saison schon ihre Schwächephasen – die Münchner eben noch gar nicht. Das ist deren herausragende Qualität, die über Jahre hinweg gewachsen ist.

Rein personell müsste sich Borussia Dortmund doch eigentlich nicht groß vor dem FC Bayern verstecken. Woher kommt diese besondere Qualität? Stichwort Mentalität…

Gunesch: Pass auf, dass Marco Reus das jetzt nicht liest. (lacht) Spaß beiseite. Ganz wichtig ist die Achse der Münchner, die nicht erst seit zwei Jahren so zusammenspielt. Drumherum hat man die Mannschaft stetig verbessert und geformt. Das war bei den anderen Teams nicht möglich, weil sie immer wieder Abgänge zu verkraften hatten, siehe am Beispiel Leverkusen oder Dortmund.

Sie sprechen von der wichtigen Achse. Wie wichtig ist ein Thomas Müller für den FC Bayern?

Gunesch: Er ist einer der ganz, ganz wichtige Teile in dem Gerüst. Damit meine ich gar nicht die Art und Weise, wie er spielt oder seine statistischen Werte. Die Pandemie hatte wenig Gutes, aber eine Sache hat sich gezeigt, und zwar, wie ein Thomas Müller die Mannschaft auf dem Feld coacht. Das macht ihn so wertvoll. Er ist kein Zehner, der nur faul rumsteht und delegiert, sondern er schiebt, presst und führt die Mannschaft. Er ist die Personifizierung des Stamms des FC Bayern und ein Stück weit die Philosophie der Münchner.

Ralph Gunesch posiert vor dem DAZN-Logo.
Ralph Gunesch ist Experte beim Sport-Streaming-Dienst DAZN. © DAZN/Lukas Mengeler

Ralph Gunesch im Exklusiv-Interview: „Thomas Müller ist die Personifizierung des FC Bayern“

Unter Hansi Flick war der FCB schon mega erfolgreich. Was macht Nagelsmann anders beim FC Bayern?

Gunesch: Julian Nagelsmann ist das sehr clever angegangen. Wenn man sich die Mannschaft zu Saisonbeginn anschaut, dann sieht man da gar keine großen Unterschiede zu Hansi Flick. Er hat nicht mit dem Vorschlaghammer draufgehauen und alles umgeworfen, ganz im Gegenteil. Nagelsmann hat erst peu à peu seine Philosophie einfließen lassen und sie ganz langsam implementiert. Dabei sprechen wir auch nicht von bahnbrechenden Neuerungen, sondern lediglich von Kleinigkeiten, die das Spiel der Bayern aber nochmal nach vorne gebracht haben.

Der FCB-Kader hat auch den vielen Ausfällen getrotzt. Angenommen, Sie dürften Hasan Salihamidžić spielen und sich drei Spieler aus der Bundesliga aussuchen, die zum FC Bayern wechseln sollen - welche wären es?

Gunesch: Natürlich gibt es wahnsinnig interessante Spieler. Als Erstes fällt mir da Florian Wirtz ein. Aber der Kader der Bayern ist in Summe schon so gut, ich wüsste gar nicht, wen man da dann streichen sollte, um Platz für Wirtz zu schaffen. Filip Kostic ist ebenfalls ein super Spieler, aber würde er bei den Münchnern spielen und passt er überhaupt ins System? Ein andere Leverkusener wäre für die Abwehr interessant, ich spreche da von Edmond Tapsoda, den Bayer aber nicht ziehen lassen wird. Aber eigentlich muss der FC Bayern gar nicht groß shoppen gehen!

Video: FC Bayern gegen VfL Wolfsburg - Julian Nagelsmann zieht Bilanz

FC Bayern: Haaland Nachfolger von Lewandowski? „Ihm stehen alle Türen offen“

Die Causa Robert Lewandowski dürfte in den kommenden Wochen und Monaten an der Säbener Straße ein großes Thema werden. Sein Vertrag läuft 2023 aus. Verlängert man nochmal mit ihm? Immerhin ist er schon 33…

Gunesch: Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich die Bayern-Bosse den Kopf darüber zerbrechen. Die Situation ist verzwickt, weil er nicht jünger wird. Aber wenn er weiter so trifft, hat er alle Argumente auf seiner Seite – und dann kann er auch noch, voll ergraut, mit 44 Jahren seine Tore schießen. (lacht)

Seit der Ballon d‘Or-Wahl wirkt der Pole aber nicht mehr glücklich. Blöd gefragt: Muss er zu Real Madrid wechseln, damit er den Goldenen Ball mit nach Hause nimmt?

Gunesch: Ich bin kein großer Fan von diesen individuellen Auszeichnungen. Natürlich hätte Lewy die Trophäe verdient, aber Lionel Messi hat ihn jetzt nicht völlig zu Unrecht bekommen. Dadurch, dass es eine internationale Auszeichnung ist, spielt das die Strahlkraft des FC Barcelona vielleicht auch nochmal eine andere Rolle.

Spinnen wir einmal das Rad weiter. Lewandowski verlässt den FC Bayern im Sommer. Wäre Erling Haaland dann der perfekte Nachfolger für den Polen? Oder hätten Sie eine andere Idee?

Gunesch: Wenn er nicht so alt wäre, würde ich Karim Benzema nennen. Haaland wäre auf den ersten Blick der geeignete Nachfolger. Allerdings ist der Norweger unter Umständen in manchen Dingen noch nicht so weit wie Lewandowski. Die Gegner der Bayern ziehen sich meist weit zurück, kann ein Haaland diese Spielweise schon? Er wird sich definitiv dahin entwickeln, das ist keine Frage. Zudem bin ich mir aber gar nicht sicher, ob er überhaupt innerhalb der Bundesliga wechselt. Aus Bayern-Sicht wäre es fahrlässig, sich nicht mit ihm zu beschäftigen. Ich bin mir auch sicher, dass sie das tun, aber es gibt so viele Faktoren, die man bei Haaland berücksichtigen muss. Er hatte als Kind vermutlich Träume, aber waren die in der Bundesliga zu Ende? Aber nochmal, es sind zu viele weiche Faktoren, um diese Frage seriös zu beantworten. Letztlich stehen Haaland ja alle Türe offen.

FC Bayern: Spieler der Hinrunde? DAZN-Experte Gunesch nennt drei Stars

Wie hat Nagelsmann Leroy Sané wieder in die Spur gebracht?

Gunesch: Wenn wir uns an Sanés Zeit bei Manchester City zurückerinnern, hatte er auch immer mal Phasen, bei denen man meinte, dass man an ihm nicht vorbeikommt – und Pep Guardiola ihn aber trotzdem auf die Bank gesetzt hat. Aktuell ist sehr viel Ernsthaftigkeit in sein Spiel eingekehrt, das äußert sich vor allem im Spiel gegen den Ball. Er fügt sich voll und ganz in das System ein und leistet das, was Nagelsmann von ihm verlangt. Wenn der FC Bayern dann den Ball hat, bricht er aus und das meine ich positiv. Dann kommt seine Kreativität zum Tragen und er ist der Unterschiedsspieler, der er sein kann.

Wer war für Sie der Spieler der Hinrunde beim FC Bayern?

Gunesch: Da würde ich drei Spieler nennen und dann können sich die Fans nach ihrer persönlichen Präferenz aussuchen. (lacht) Robert Lewandowski, wegen seiner Torquote, Thomas Müller wegen seiner Art und Mentalität sowie Serge Gnabry.

Hätten Sie nicht auch auf mehr Einsatzzeiten von Mega-Talent Jamal Musiala gehofft?

Gunesch: Wir sprechen hier von einem 18-Jährigen, der sich an eine der besten Mannschaften der Welt gewöhnen muss. Was erwartet man denn von Musiala? Nagelsmann macht das schon sehr gut, weil er weiß, wie er mit wem wie umzugehen hat.

Ralph Gunesch bei einem Bundesligaspiel in Fürth.
Ralph Gunesch bei einem Bundesligaspiel in Fürth. © DAZN/Lukas Mengeler

Impf-Diskussion um Kimmich: DAZN-Experte Gunesch zeigt sich auch vom FC Bayern enttäuscht

Zum Abschluss müssen wir über ein Thema reden, das leider keine sportliche Natur hat. Die Impf-Diskussion um Joshua Kimmich war ein beherrschendes Thema – nicht nur beim FC Bayern, sondern in ganz Deutschland. Nun will sich der Nationalspieler impfen lassen, beklagte aber zuletzt den fehlenden Respekt ihm gegenüber. Wie haben Sie die ganze Sache gesehen?

Gunesch: Wo fange ich da an? (lacht)

Am besten ganz vorne…

Gunesch: Die Kommunikation und Darstellung des FC Bayern und auch von Joshua Kimmich war in Hinblick auf die Größe des Themas für mich nicht nachvollziehbar. Es wurde mit Meinungsfreiheit und medizinischen Bedenken argumentiert. Im Fußball aber bewegen wir uns wissenschaftlich auf so einem hohen Niveau, dass fast jeder Spieler einen Ernährungsberater, einen Fitnesstrainer, Schlafcoach oder ähnliches hat bzw. die Experten bei den Vereinen angestellt sind – jeder Schritt auf dem Feld wird überwacht und ausgewertet. Und dann fangen wir bei einem Thema, bei dem es um Gesundheit geht und die Wissenschaft klare Fakten liefert, mit freier Meinung an? Ich möchte mal den Verein sehen, wenn ein Spieler mit einer Fast-Food-Tüte zum Training erscheint und erklärt, dass das seine Einstellung sei und es ihm guttut, wenn er sich so ernährt. Natürlich ist so eine Impfung ein anderes Level als ein Burger. Aber ich vermisse da ein klares Stellungsbeziehen von Vereinsseite. Karl-Heinz Rummenigge hatte vor knapp einem Jahr noch davon gesprochen, dass sich die Fußball-Stars alle impfen lassen sollten, um auch ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden. Das wäre etwas mit Signalwirkung gewesen.

Aber man kann keinen Spieler zur Impfung zwingen.

Richtig, aber in den Spielerverträgen gibt es Pflichten des Vereins, die die Infrastruktur betreffen und dass beispielsweise ein lizenzierter Trainer angestellt ist. Aber es gibt auch die Pflichten des Spielers und die besagen, dass er jederzeit Sorgen zu tragen hat, dass er körperlich im bestmöglichen Zustand erscheint. Der Verein erfüllt also alles für den Spieler – und dann sind wir beim Impfthema und dann muss es jeder für sich selbst wissen? Ja, es wurden finanzielle Sanktionen verhängt (Gehaltskürzung), aber letztendlich hätte man mit einer offenen und konsequenten Kommunikation auch Dinge anschieben können.

Ein sehr emotionales Thema...

Gunesch: Darüber hinaus finde ich es bei Joshua Kimmich schade, dass er jetzt so wenig Einsicht zeigt. Sein Post auf Instagram, in dem er schrieb, dass er sich jetzt nur wieder genug anstrengen müsse, um bald wieder zurückzukehren. Darum geht es gar nicht! Es geht nicht darum, ob er nun hart genug arbeitet. Es geht darum, dass sein Körper das überhaupt wieder zulässt. Ich wünsche es ihm. Das ist aber nichts, was man mit etwas gutem Willen und ein paar Waldläufen wieder wegmachen kann. Die Infektion hat ihn offenbar gut mitgenommen, sonst hätte er nicht, die hoffentlich nur kurzfristigen, Schäden davongetragen. Und dann noch so wenig Einsicht zu zeigen und das so runterzuspielen, das finde ich wirklich schade. Auch da sind wir wieder bei klarer Kommunikation. (smk)

Interview: Florian Schimak

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