FC-Bayern-Vorstand: Dieser Neuzugang hat Superstar-Potenzial wie James

Strategie-Vorstand Jörg Wacker spricht mit uns über die voranschreitende Internationalisierung des FC Bayern München, die Bayern-Welt und die Probleme nach dem Abgang von James Rodriguez.
München - Los Angeles, Houston und Kansas City - so lautet die Reiseroute des FC Bayern für die anstehende Audi Summer Tour. Vor der USA-Reise hat Jörg Wacker, Vorstand für Internationalisierung und Strategie, uns zum Interview empfangen. Dabei verrät er, welcher Spieler nach dem Abgang von James Rodriguez aus Vermarktungssicht Superstar-Potenzial hat, wie der FCB Sandro Wagner bei dessen Wechsel nach China unterstützte und wie die Visionen für die FC-Bayern-Welt in der Münchner Innenstadt aussehen.
Herr Wacker, der FC Bayern reist dieses Jahr zum zweiten Mal in Folge in die USA. Was sind die Beweggründe, dass Asien heuer ausgelassen wurde?
Jörg Wacker: Die Gründe liegen auf der Hand: In den „geraden“ Jahren, also 2014, 2016 und 2018 waren wir in den USA, hatten unsere Nationalspieler dort nie dabei, weil diese nach den Welt- und Europameisterschaften noch Urlaub hatten. Einzige Ausnahme von dieser Regel war das Jahr 2014, als die Weltmeister kurz zum MLS All Star Game nach Portland eingeflogen sind. Deshalb haben wir die Entscheidung getroffen, die Audi Summer Tour nach 2018 in diesem Jahr erneut in den USA zu machen. Wir möchten unseren Fans in den Staaten unsere Mannschaft auch einmal in Topbesetzung präsentieren. In China war dies bisher bei jeder Tour der Fall.
Ihre Partner in China haben damit kein Problem?
Wacker: Nein, die verstehen das. Wir brauchen ja keinen Hehl daraus zu machen: Wenn wir die Tour mit dem gesamten Kader veranstalten, dann sorgt das bei den Fans und Partnern für eine ganz andere Atmosphäre. Unseren Anhängern vor Ort geht es ja vor allem darum, unsere Superstars aus nächster Nähe zu erleben. Und das wollen wir unseren Fans in den USA nun auch ermöglichen.
Woran scheiterte die geplante Reise nach dem Pokalfinale nach Peking?
Wacker: Geplant war, dass wir mit unserem Partner Allianz direkt nach der Saison ein Spiel in China absolvieren. Die Allianz hatte sich um die Organisation gekümmert und die entsprechenden Unterlagen und Zusagen aus China erhalten. Daraufhin muss es Komplikationen gegeben haben.
Wird der Trip nachgeholt?
Wacker: Ja! Es geht weniger um die Reise als vielmehr um ein Spiel. Die Allianz möchte einen Allianz-Cup in China austragen. Es kann gut sein, dass das in der kommenden Saison stattfindet. Es muss auch nicht unmittelbar nach der Saison geschehen, das würde 2020 wegen der EM ja ohnehin nicht funktionieren.
FC Bayern: „Champions League weitaus präsenter als jede nationale Liga“
Dieses Jahr schied man ungewohnt früh aus der Champions League aus. Inwiefern wirkt sich das international auf die Marke FC Bayern aus?
Wacker: Es ist ja kein Geheimnis: Je weiter ein Verein in der Champions League kommt, desto stärker ist seine Strahlkraft und die der Spieler. Das ist ein Grund für die unglaubliche Entwicklung des FC Bayern in den vergangenen zehn Jahren. Wir waren dreimal im Königsklassen-Finale, haben sie 2013 gewonnen. Die Champions League ist weltweit weitaus präsenter als jede nationale Liga. Umso mehr waren wir enttäuscht, dass wir im Vergleich zu den vergangenen Jahren so früh ausgeschieden sind.

Wie schwer wiegt der Verlust eines Spielers wie James Rodriguez für die Positionierung der Marke FC Bayern?
Wacker: Natürlich tut das weh! Auf der anderen Seite habe auch ich immer gesagt: Wir sind in erster Linie ein Fußballklub. Aus dem Grund steht bei jeder Entscheidung der sportliche Aspekt im Vordergrund. James war ein super Zugpferd im Hinblick auf Süd- und Mittelamerika. Aber soll ich Ihnen etwas verraten? Ich habe mir die Pressekonferenz von Lucas Hernández angesehen – und dieser junge Mann hat auch großes Potenzial! Es hat mir extrem gut gefallen, wie er aufgetreten ist. Lucas ist gradlinig, sieht auch noch gut aus und wird bei den Fans sicherlich gut ankommen.
Profitiert der Verein auch im Nachhinein noch von James?
Wacker: Die Menschen verbinden James noch immer mit dem FC Bayern, und das werden sie auch in den nächsten zehn Jahren noch tun. Unsere Aufgabe ist es jetzt, das Interesse der Menschen, das in dieser Zeit für den FC Bayern entstanden ist, aufrechtzuerhalten, damit der FC Bayern auch weiterhin in Südamerika und speziell Kolumbien präsent ist. James bei uns zu haben, war eine große Chance, und die haben wir genutzt.
Kann Alphonso Davies auf dem amerikanischen Markt Türen öffnen, die durch den James-Abgang zugegangen sind?
Wacker: Definitiv ja. Er ist ein junges Talent, das bei der Tour leider nicht dabei ist, weil er ja erst gerade den Gold Cup gespielt hat und daher noch im Urlaub ist. Das finde ich sehr schade, seine Anwesenheit wäre natürlich extrem hilfreich gewesen. Er kommt aus Kanada, und jeder Fußballfan in den USA kennt ihn. Er kann uns in Zukunft helfen, unsere Fans in Nordamerika noch besser anzusprechen.
Mit Sandro Wagner ist aktuell ja auch ein bayerisches Unikat in China tätig.
Wacker: Wir haben Sandro bei seinem Wechsel nach China hinsichtlich organisatorischer Dinge wie Visumantrag unterstützt Er ist ja einer vom FC Bayern und dadurch jemand, der den Verein in China repräsentiert. Klar sind wir ab und an mit ihm in Kontakt und schauen, dass wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen.
Sandro Wagner personifiziert den Spagat zwischen Heimat und Internationalisierung ganz gut. Wie wichtig ist für die Fans beispielsweise ein Trainingslager am Tegernsee?
Wacker: Den Begriff „Fans“ muss man erst einmal genauer definieren. Wer sind denn „die Fans“? Wir haben laut Marktforschung über 650 Millionen Sympathisanten, wir haben 4400 Fanclubs – mehr als jeder andere Verein weltweit – und davon 700 außerhalb Deutschlands. Über 90 Prozent unserer Facebook-Follower kommen aus dem Ausland.
FCB-Familie: „Jeder ist herzlich eingeladen, wenn...“
Hört sich stark nach mia san mia international an.
Wacker: Nein, so ist das nicht gemeint. Der FC Bayern München ist und bleibt ein Verein, der seine Wurzeln in München, in Bayern, in Deutschland hat. Aber wir sind gleichzeitig auch ein globaler Klub. Unsere Tür steht immer offen: Jeder, der Teil der FC-Bayern-Familie sein möchte, ist herzlich eingeladen, sofern er sich an den Werten des Klubs orientiert und sich damit identifiziert. Wir sind 49 Wochen des Jahres in München, fliegen im Sommer neun Tage in die USA und für das Trainingslager im Winter nach Katar. Wir sind sehr, sehr fannah – gerade hier in der Region. Wir haben nach der letzten Saison in Lindau gespielt, machen unser Sommer-Trainingslager wieder am Tegernsee. Wir sind ein bayerischer Klub, der sich der Welt öffnet.

Trotzdem hatte man das Gefühl, dass gerade der Entschluss für ein Trainingslager am Tegernsee einen Aha-Effekt ausgelöst hat.
Wacker: Das spiegelt unsere Tradition, unsere Heimatverbundenheit wider. Aber schauen Sie sich auch mal unsere Fans in China an. Zum Spitzenspiel gegen Dortmund gab es dort mitten in der Nacht ein Fan-Fest mit über 1000 FC Bayern Anhängern. Giovane Elber war für uns vor Ort. Er hat mir am Telefon berichtet: „Jörg, du kannst dir nicht vorstellen, was hier los ist.“ Die Leute dort waren extrem euphorisch, sie fiebern regelmäßig bei unseren Spielen mit, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Die Fans in Shanghai und New York sind genauso unsere Fans wie die in Pasing.
Sie haben Ihren Vertrag als Vorstand Anfang des Jahres bis 2024 verlängert. Sie werden also eine Zeit ohne Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsvorsitzender erleben. Ist das für Sie überhaupt vorstellbar – auch im Hinblick auf Ihren Job?
Wacker: Karl-Heinz Rummenigge hat es immer richtig und gut gesagt: Die Internationalisierung ist „alternativlos“. In den letzten sechs Jahren ist es extrem gut gelaufen, und ich bin davon überzeugt, dass wir unseren erfolgreichen Weg fortsetzen. Ich bin sehr, sehr dankbar dafür, mit Karl-Heinz zusammenzuarbeiten – er ist ein super Vorstandschef. Noch ist er da, und ich freue mich auf die weitere Zeit mit ihm.
Interview: Manuel Bonke, Jonas Austermann