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"Guardiola sagte: Bayern, das ist mein Klub"

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Von: Michael Knippenkötter

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Karl-Heinz Rummenigge sieht den FC Bayern für die Zukunft bestens gerüstet. © Sampics

München - Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge spricht im großen tz-Interview über die Pläne von und mit Pep Guardiola, das Pokal-Spiel gegen den BVB und den Weg, den der Rekordmeister in naher Zukunft einschlagen will.

Herr Rummenigge, Franz Beckenbauer sagt, nur ein Meteoriteneinschlag an der Säbener Straße könnte eine Meisterschaft des FC Bayern noch verhindern. Wissen Sie, wie wahrscheinlich so ein Einschlag in Ihrem Hauptquartier ist?

Karl-Heinz Rummenigge: (lacht) Ich weiß es nicht, aber ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage: Rein statistisch ist die Wahrscheinlichkeit wohl zu vernachlässigen. Ich muss aber auch sagen, dass es sich beim FC Bayern mitunter schon so anfühlt, als wäre ein Meteorit eingeschlagen – immer, wenn es mal sportlich nicht so läuft. Bei 17 Punkten Vorsprung geht es jetzt darum, genauso konzentriert wie bisher zu bleiben, weiterhin unsere Qualitäten ausspielen und jeden Gegner zu respektieren. Wir müssen weiter seriös Fußball spielen.

Uli Hoeneß lehnt Gratulanten ab – er sei noch immer nervös. Sie auch?

Rummenigge: Ich bin vor jedem Spiel nervös. Aber unser Vorsprung macht uns ein schönes Stück entspannter. Wir können die Meisterschaft mit einem Stück Souveränität angehen.

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Wie sehr würde es reizen, die Schale am drittletzten Spieltag ausgerechnet in Dortmund annehmen zu können?

Rummenigge: Wichtig ist, dass wir die Schale bekommen. Wann, ist am Ende des Tages jedem bei uns egal. Bei aller Konkurrenz zu Dortmund muss ich ja trotzdem auch klar sagen, dass wir ein entspanntes Verhältnis haben. Wir hatten die letzten zwei Jahre keine Minderwertigkeitskomplexe wegen ihnen. Rückblickend haben die zwei Jahre uns vielleicht sogar auch gut getan.

Wie sehr schmerzt im Pokal-Duell der Ausfall von Franck Ribery?

Rummenigge: Ribery ist nicht nur der beste Spieler des FC Bayern, sondern der beste Spieler der Bundesliga. Dass er fehlt, ist nicht gut, aber wenn ich mir anschaue, wie Arjen Robben in den letzten Wochen immer besser in Form gekommen ist, habe ich keine große Sorge. Als Franck im Dezember in Augsburg diese Rote Karte gesehen hat, war mir wegen des Ausfalls etwas mulmiger als heute. Wir haben noch einmal zugelegt, sind noch stabiler als in der Hinrunde.

Sie essen oft mit der Mannschaft in der Kantine – wie erleben Sie Robben da, vor allem vor dem Duell mit dem BVB, an dem er letzte Saison zu knabbern hatte – hat er Appetit?

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Karl-Heinz Rummenigge im Gespräch mit tz-Reporter Michael Knippenkötter. © Sampics

Rummenigge: Alle haben guten Appetit und sich das Essen redlich verdient (schmunzelt). Arjen hat der Elfmeter gegen Dortmund sehr weh getan, da muss man kein Psychologe sein. Aber er hat gezeigt, er hat die Kraft, wieder neu durchzustarten. Das hat die ganze Mannschaft gezeigt, speziell nach dem verlorenen Champions League-Finale. Dieser Stachel sitzt nach wie vor im Fleisch, aber da tut er kurioserweise Gutes – er treibt an. Er ist der Grund, warum die Mannschaft so gut, stabil, konzentriert auftritt und keinerlei Arroganz an den Tag legt. Ich gehe manchmal ins Stadion und denke: Hoffentlich halten sie die Konzentration – und ich werde jedes Mal angenehm überrascht, dass ich mir da momentan keine Sorgen machen muss.

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Sind Sie auch angenehm überrascht, wie Robben mit seiner Reservistenrolle umgeht?

Rummenigge: Der Ausdruck „Reservistenrolle“ gefällt mir nicht. Der FC Bayern hat 16, 18, 20 nahezu gleichwertige Spieler. Jeder ist für den Erfolg wichtig. Der eine am Samstag, der andere dann am Dienstag oder Mittwoch. Jupp Heynckes rotiert viel, das ist auch gut, aber natürlich gibt es je nach Form aber auch auf Grund von taktischen Überlegungen eine Top-Elf, eine erste Elf, mit der du dann gegen Barcelona und Real Madrid spielst. Jetzt beginnt die heiße Saisonphase mit vielen Spielen, da denke ich, es wird auch mal der eine oder andere sogar zufrieden sein, wenn er sich ausruhen darf, um dann drei Tage später wieder Vollgas geben zu können. Ich hätte mir das früher gewünscht, ich musste oft angeschlagen spielen, weil kein Ersatz da war.

Ist das auch international der große Bonus – Sie selbst sagten letzte Woche, Sie hätten gemerkt, Barcelona sei müde. Ist der Bayern-Kader in der Breite besser als der von Barca?

Rummenigge: Das weiß ich nicht. Ich habe vor Barca Riesenrespekt, die haben auch eine erstklassige Bank. Es ist in erster Linie eine Frage der Philosophie des Trainers. Mancher lässt seine erste Elf, seine Top-Elf, spielen, bis einer umfällt oder sich verletzt. Jupp Heynckes ist wie Ottmar Hitzfeld früher ein Freund des Rotierens, und wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Rotation hält die Zufriedenheit auf einem höheren Niveau. Trotzdem gibt es Spieler, die immer zehn, zwölf Spiele am Stück machen: Einen Ribery, Schweinsteiger, Neuer, Lahm oder Dante nimmst du zum Beispiel nicht raus, weil sie für Stabilität sorgen.

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Mario Gomez ist in dieser Hinsicht ein Härtefall – wie sehen Sie seine Situation?

Rummenigge: Wir brauchen alle. Vor Wochen stand Arjen vor mir mit einem traurigen Gesicht, sagte, er sei unzufrieden – aber ich sagte ihm, ich verstehe dich, du musst aber ruhig bleiben, dein Tag kommt noch. Wir brauchen dich, wir brauchen jeden.

Wie haben Sie Gomez’ Aussage empfunden, er würde sich angesichts der Spekulationen um Robert Lewandowski eine klare Aussage des Vereins wünschen?

Rummenigge: Ich wünsche mir in solchen Fällen mehr Gelassenheit von unseren Spielern. Es werden noch viele Gerüchte aufkommen, das hängt ja auch mit unserem neuen Trainer zusammen. Da wird sogar die Stelle des Co-Trainers zum europaweiten Spekulationsthema. Dabei stochern da gerade alle nur im Nebel.

Uli Hoeneß hat neulich recht anschaulich von seinem Treffen mit Pep Guardiola berichtet – wie war es denn bei Ihnen?

Rummenigge: Ich habe ihn in Barcelona getroffen, weil ich den Menschen mal kennenlernen wollte. Der Trainer Guardiola und seine Philosophie sind ja weltbekannt, aber ich wollte sehen, ob er als Typ kompatibel ist zum FC Bayern. Ich wollte wissen, ob er wie beispielsweise Louis van Gaal einen ganzen Stab Landsleute mit zu seinem neuen Klub bringen will, was er so vor hat. Ich habe ihm dann den FC Bayern beschrieben und dann haben wir uns zusammen Gedanken gemacht, wie das zusammenpassen kann. Das lief auf eine bemerkenswert unkomplizierte Weise. Er ist kein bisschen arrogant, sondern im Auftreten sehr angenehm und sympathisch.

Immer die aktuellsten News zu Pep Guardiola finden Sie auf unserer Facebookseite!

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Bei Hoeneß hatten die Treffen etwas von einem Agentenroman – war es bei Ihnen auch so: Abgedunkelte Limousinen etc.?

Rummenigge: (schmunzelt) Naja, für einen James-Bond-Film würde es nicht reichen. Aber es ist schon immer ein Ziel, nicht gesehen zu werden. Das ist Uli und mir ganz gut gelungen. Es ist uns ja auch bis heute wichtig, dass wir die Arbeit von Heynckes nicht unnötig erschweren. Peps Berater hatte mich am Flughafen abgeholt, und dann hatten Pep und ich ein sehr langes Gespräch, stundenlang, über Gott und die Welt, auch über Einzelheiten: Wie tickt der FC Bayern? Wie tickt Pep Guardiola? Es war sehr interessant, sich da auszutauschen.

Was haben Sie denn so über Ihre Bayern erörtert?

Rummenigge: Ich habe ihm zum Beispiel gesagt, dass bei uns öffentliche Trainingseinheiten zur Kultur gehören. Sowas gab es in Barcelona ja nicht, aber er hat gesagt, das sei überhaupt kein Problem. Er will nichts an der Philosophie des FC Bayern ändern, denn er sagt, die Philosophie eines Vereins sei das A und O. Er wird natürlich mal einen Tag die Türen schließen, um gewisse Dinge mit der Mannschaft alleine einzuüben, aber er wird an unserer offenen Fankultur nicht rütteln. Auch bei Fragen nach seinem Trainerstab sagte er: Wenn der FC Bayern über den oder den Mann sagt, der ist absolut top, dann vertraut er uns. Er sagte das immer wieder: Ich habe volles Vertrauen in diesen Klub, ich will unbedingt für diesen Klub arbeiten. Die Kultur eines Klubs muss vom Trainer akzeptiert werden. Dazu ist er bereit. Er will und wird den FC Bayern nicht umkrempeln.

Waren Sie überrascht, wie gut er sich schon mit dem FC Bayern ausgekannt hat? Es heißt, er verfolgt den Klub seit August ...

Rummenigge: Er hat etwas sehr Interessantes gemacht: Er hat alle Vereine analysiert, die bei ihm angefragt hatten. Darunter waren ja ein paar sehr hoch dotierte Angebote. Mir hat an ihm gefallen, dass er vom ersten Tag an gesagt hat: Der FC Bayern, das ist mein Klub, das ist meine Philosophie, das ist eine Mannschaft, mit der ich großen Erfolg haben kann. Er hat uns immer den Eindruck vermittelt, dass er, wenn wir ihn möchten, gerne kommen würde. Es war gar nicht so irrsinnig schwierig, ihn zu überreden, im Gegenteil: Wir mussten ihm nicht zeigen, dass die Hechte im Bayern-Teich auch ganz schön mächtig sind – das wusste er bereits. Er hat gesagt: „Ich wäre glücklich, wenn ihr mir das Vertrauen schenken würdet.“ Das war eine wunderbare Bekundung von Pep Guardiola.

So tickt Neu-Bayer Pep Guardiola

War er denn auch bescheiden in Sachen Neuverpflichtungen?

Rummenigge: Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Er sagte, Bayern hat eine phantastische Mannschaft. Er hat auch großen Respekt vor der Arbeit von Heynckes. Wie ich ihn verstanden habe, sieht er es nicht für notwendig, dramatisch einzukaufen. Sicherlich werden wir uns punktuell verstärken, das ist ja klar. Wir werden unsere Personalentscheidungen dieses Jahr aber sicher auch erst spät fällen.

Wie haben Sie sich eigentlich mit ihm unterhalten?

Rummenigge: Auf Italienisch und Englisch. Aber ich kann Ihnen sagen, dass sein Deutsch von Tag zu Tag besser wird.

Skeptiker sagen: Guardiola kann nur FC Barcelona – was sagen Sie?

Rummenigge: Ich muss offen und ehrlich sagen, dass wir bei jeder Verpflichtung Mails, Faxe, sogar noch handgeschriebene Briefe bekommen – und diesmal war das erste Mal kein einziger kritischer Kommentar darunter. Kürzlich war ich in Katar, da haben selbst die Scheichs gratuliert. Wir sind überzeugt, dass wir die bestmögliche Option gezogen haben.

Kann der FC Bayern überhaupt noch besser werden?

Rummenigge: Man muss immer daran arbeiten, den nächsten Schritt zu machen. Uli sagte neulich, er ist sicher, dass wir die nächsten fünf Jahre die Champions League gewinnen können. Das denke ich auch.

Wie wichtig sind bei dieser Entwicklung 40-Millionen-Transfers wie der von Javi Martinez?

Rummenigge: Das war ein wunderbarer Transfer, aber solche Ausgaben müssen bei uns nicht die Norm werden. Ich stelle allerdings auch fest, dass ein Top-Transfer unseren Klub oft weiterbringt als drei mittlere Verpflichtungen. Schauen Sie sich Neuer an, Ribery, Robben, Martinez – das sind alles teure Transfers, aber Transfers, die uns nicht nur einen Schritt, sondern gleich mehrere Schritte vorangebracht haben.

Insgesamt ist der FC Bayern in dieser Saison einen riesigen Schritt nach vorn gekommen. Herrscht dennoch oder gerade deswegen Explosionsgefahr, sollte es nun eine Pleite gegen Dortmund geben?

Rummenigge: Nein. Wir haben gute Chancen, den wichtigsten, den ehrlichsten Titel, nämlich die Meisterschaft, zu gewinnen. Und bei so einem Spiel wie jetzt kann dir alles passieren. Da kannst du Glück haben, da kannst du Pech haben. Irgendeiner wird am Ende des Tages in den sauren Apfel beißen.

Aber noch mal: Wenn es Ihnen passiert und Sie verlieren, kann es doch knallen.

Rummenigge: Nein, es knallt nicht. Dazu sind wir einfach zu stabil als Klub. Und ich habe auch den Eindruck, wir sind super drauf. Ich würde unsere Situation heute mit der von Dortmund vor einem Jahr vergleichen. Da waren wir nicht entspannt und nicht souverän, da standen wir unter totalem Druck. Jetzt haben sich die Dinge gewandelt. Durch die 17 Punkte Vorsprung, die wir haben, ist der Druck auf Seiten der Dortmunder. Letztes Jahr im DFB-Pokalfinale wollten wir auch zeigen, dass wir die bessere Mannschaft haben.

Will Dortmund das denn jetzt überhaupt zeigen? Von Herrn Watzke ist zu hören, dass Bayern die beste Mannschaft in Europa hat.

Rummenigge: Ja, ja, da schiebt jeder dem anderen die Favoritenbürde zu. Die will keiner haben, denn sonst bist du der Depp. Aber damit gehe ich schmunzelnd um. Und Druck habe ich immer, seit 40 Jahren.

Dazu existiert aber noch diese Negativserie.

Rummenigge: Es ist ein besonderes Spiel, da müssen wir nicht dumherum reden. Ich bin auch überzeugt, dass es ein klasse Spiel wird. Bei solchen Spielen würde ich ja am liebsten selbst mitspielen! Diese Spiele habe ich geliebt, da wälzt du dich beim Mittagsschlaf schon hin und her.

Haben Sie den Eindruck, dass auch Ihre Spieler diese Spiele lieben?

Rummenigge: Auf jeden Fall mehr als vor einem Jahr. Die Dinge haben sich zu unseren Gunsten gedreht. Aber es war auch eine Zeit, die uns zwar weh getan hat, auf der anderen Seite war sie aber auch sehr lehrreich.

Viele Spieler haben einen Schritt nach vorn gemacht. Thomas Müller oder Toni Kroos zum Beispiel.

Rummenigge: Toni, und das sage ich nach wie vor, hat vom lieben Gott überragende Talente geschenkt bekommen. Er gehört technisch eigentlich nicht in die Fußballgattung Deutscher, er hat einen wunderbaren Schuss, auch sein Passspiel ist überragend. Aber das ist auch Verpflichtung. Er darf nicht den Fehler machen und in Stillstand verfallen. Generell sage ich: Es ist für den FC Bayern wie für die deutsche Nationalmannschaft wichtig, mit dem Schuss Demut und Gier in die Spiele und Turniere zu gehen. Da müssen diese Müllers und Kroos den nächsten Schritt machen.

Spielt ein Thomas Müller denn gerade seine beste Saison?

Rummenigge: Thomas spielt spielt extrem gut! Er ist für mich der Weltmeister in Effizienz. Er hat eine Effizienz wie kein zweiter Spieler auf dieser Welt, macht manchmal aus Nichts zwei Tore! Ich kann mich erinnern, wie er in der Hinrunde auf Schalke aufgetreten ist. Da hat er in der ersten Halbzeit gespielt wie eine Bratwurst. Das habe ich ihm nach dem Spiel auch gesagt und gefragt: Hast du in der Halbzeit irgendwas getrunken, was dein Spiel verändert? Da hat er mich so angelächelt und gemeint: Sie haben vollkommen Recht! In der zweiten Halbzeit hat er dann weltklasse gespielt, zwei Tore gemacht! Er hat einfach ein Spiel, das ist schwierig zu berechnen für die Verteidiger - und manchmal auch für die eigene Mannschaft (lacht).

Das Gespräch führte Michael Knippenkötter

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