Augenthaler kritisiert Lewandowski: „So etwas steht keinem Spieler zu“

Die Bayern-Legende outet sich als großer Fan von Thomas Müller und rüffelt Robert Lewandowski für sein Interview, in dem er sich über die Transferpolitik des Rekordmeisters beschwerte. Das Interview mit Klaus Augenthaler:
Klaus Augenthaler ist eine der größten Legenden des FC Bayern. Über 500 Pflichtspiele absolvierte der Abwehrspieler für den FCB, nie trug er als Spieler das Trikot eines anderen Vereins. Von 1975 bis 1997 war er beim Klub angestellt - als Spieler für die Profis und die Amateure, als A-Jugend-Coach und zuletzt als Co-Trainer. Logisch, dass "Auge" im exklusiven bwin Interview so einiges über den FC Bayern zu erzählen hat. Der 59-Jährige outet sich als großer Fan von Thomas Müller und kann die aktuelle Kritik am Nationalspieler nicht nachvollziehen. Zudem spricht er über die Unterschiede zwischen Pep Guardiola und Carlo Ancelotti und die neueste Kritik von Robert Lewandowski.
Die Bayern wirken unter Ancelotti nicht mehr so dominant wie unter Guardiola. War der Trainerwechsel und die letzte Saison ein Rückschritt?
Klaus Augenthaler: "Ich möchte mich nicht in die Riege der Experten einreihen, die Ancelotti jetzt für alles Schlechte verantwortlich machen. Bei den Bayern wird immer viel diskutiert, wenn sie nicht gewinnen. Dort wird schon diskutiert, wenn man "nur" 1:0 oder 2:0 gewinnt und nicht überzeugend spielt. Ich denke, dass Ancelotti ein komplett anderer Trainertyp als Guardiola ist, aber seine Titel sprechen für sich und die hat er sicher nicht in der Lotterie gewonnen, sondern mit harter Arbeit."
Hoffenheim mutiert derzeit zum Angstgegner der Bayern. Woran hapert es?
Augenthaler: "Gegen Hoffenheim war man dominant, aber eben nicht zwingend dominant. Angstgegner hatte ich zu meiner Zeit auch. Damals war das Bochum, wo wir immer Punkte gelassen haben. In die Taktik des Trainers möchte ich mich nicht einmischen. Ich stehe nicht jeden Tag am Trainingsplatz und weiß auch nicht, wie er die Spieler vor den Spielen einstellt. Was man bei dem ganzen Gerede nicht vergessen darf: Ancelotti ist letztes Jahr Meister geworden und hatte im Pokal gegen den BVB nur Pech, sonst wäre er wahrscheinlich auch Pokalsieger geworden. Mehr als den Doublesieg hat Guardiola auch nicht erreicht. Natürlich ist der Münchner Anspruch immer der Gewinn der Champions League, aber Fußball ist nun einmal unberechenbar."
Unter Guardiola war die Flexibilität der Mannschaft die große Stärke. Ist diese abhanden gekommen?
Augenthaler: "Die beiden sind einfach grundverschiedene Trainertypen. Guardiola kam aus Barcelona, wo man immer dominieren will, egal, ob man daheim oder auswärts spielt. Ancelotti ist ein italienischer Trainer, der mehr Wert auf die Defensive legt und den Gegner auch einmal aufbauen lassen will, um dann mehr Räume zu haben."
Werden wir diese Saison einen FC Bayern sehen, der nicht von vornherein den ersten Platz sicher hat?
Augenthaler: "Ich denke, dass der FC Bayern in der Breite so gut aufgestellt ist, dass man auch Verletzte ganz gut wegstecken wird. Die Vorbereitung auf diese Saison ist natürlich problematisch. Man war knapp zwei Wochen in Asien unterwegs und dort mehr auf PR-Terminen und Fotoshootings, als am Trainingsplatz. Ich habe nach der Rückkehr mit Ancelotti gesprochen, der zu mir gesagt hat: 'Klaus, das war eine Katastrophe. Wir hatten vier Spiele, die nicht gut waren und wir konnten nur einmal trainieren'. Das ist das Problem großer Clubs, man muss Ergebnisse liefern, topfit sein und gleichzeitig durch solche Marketingreisen Geld generieren."
Wird sich die Vorbereitung noch weiter auf die Saison auswirken?
Augenthaler: "Nein, ich glaube nicht, dass sich das noch weiter auf die Saison auswirkt. Jetzt hat man eine Niederlage gegen Hoffenheim kassiert, was passieren kann. Aber ein Boateng kommt jetzt wieder zurück, Thiago hat auch wieder gespielt. Wenn in diesem Kader einmal alle fit sind, hat er ja die Qual der Wahl."
Es gibt noch immer keinen Back-Up für Robert Lewandowski. In den Viertelfinals der Champions League gegen Real Madrid hat man gesehen, wozu das führt.
Augenthaler: "Da kann ich jetzt nur hypothetisieren. Vielleicht hat der Verein ja nach einem Back-Up gesucht? Vielleicht glaubt man bei den Bayern, dass Müller den Part von Lewandowski übernehmen kann? Zwischendurch gab es ja Gerüchte um Antoine Griezmann und um einen anderen Zentrumsstürmer. Aber das kann ich alles nicht beurteilen, weil ich nicht weiß, ob es stimmt."

Lewandowski hat zum wiederholten Mal den Verein öffentlich und ohne Autorisierung kritisiert, worauf Rummenigge sehr allergisch reagiert hat. Steht ihm das als Führungsspieler zu?
Augenthaler: "Ich habe es mitbekommen. So etwas steht keinem Spieler zu. Man kritisiert den Verein, von dem man sein Gehalt bezieht, niemals in der Öffentlichkeit. Natürlich kann man intern Kritik anbringen, das habe ich in den sieben Jahren als Kapitän auch des Öfteren gemacht, aber nicht über die Zeitungen. Der Journalist ist nicht der Freund der Spieler. Er muss die Zeitungen füllen. Wenn Lewandowski so denkt, dann soll er zu Hoeneß oder Rummenigge gehen und das mit ihnen in geordneter Form besprechen."
Das Interview wird sehr oft mit dem von Philipp Lahm im Jahr 2009 verglichen, in welchem er dem Verein eine fehlende Philosophie attestiert hat. Heute bezeichnet man dieses Interview als wegbereitend für den späteren Erfolg. Kann Lewandowski ähnliches bewirken oder bereitet er nur seinen Abgang vor?
Augenthaler: "Das ist für mich schwer zu sagen, weil man das ja oft erst im Nachhinein beurteilen kann. Bestehende Verträge zählen heute leider nicht mehr besonders viel und Lewandowski war die letzten Jahre immer bei verschiedenen Topvereinen im Gespräch. Aber ob er mit dem Interview seinen Abgang provozieren will, das weiß ich nicht. Ich denke, er ist bei Bayern sehr gut aufgestellt. Wahrscheinlich möchte er nur entsprechende Verstärkungen, weil er endlich die Champions League gewinnen will. Meister und Pokalsieger war er schon mehrere Male und mit dem Anspruch auf den Gewinn der Champions League ist er nach München gekommen."
Thomas Müller ist nicht mehr gesetzt und äußert sich selbst zu Wechselgedanken. Würden Sie ihm raten, das Weite zu suchen?
Augenthaler: "Mir steht es meiner Meinung nach nicht zu, einem Spieler zu raten, was er tun oder lassen soll. Thomas Müller hat außerdem Vertrag bis 2021. Zusätzlich ist er DAS Urgestein bei den Bayern, und nachdem Badstuber und Schweinsteiger den Verein verlassen haben und Philipp Lahm seine Karriere beendet hat, wird der FC Bayern sicher zusehen, jemanden wie ihn zu halten. Das war schon immer die Vereinspolitik. Außerdem ist der Wert eines Thomas Müllers, auch abseits des Spielfeldes, mit Geld gar nicht aufzuwiegen."