Leukämie! So half Uli Hoeneß Udo Bassemir

München - 2001 war ein super Jahr für den FC Bayern - eigentlich. Doch die Nachricht von der Krebserkrankung von Jugendcoach Udo Bassemir war ein Schock. Uli Hoeneß setzte alle Hebel in Bewegung, um zu helfen. Mit Erfolg.
Ist so schön, dieses Jahr. So erfolgreich, so einzigartig für den FC Bayern. Die Meisterschaft in letzter Sekunde, das Drama, als Schalke schon feiert, aber Andersson in Hamburg doch noch trifft. Und natürlich der Champions-League-Triumph gegen Valencia, besser geht es nicht.
Uli Hoeneß könnte ein glücklicher Mann sein, rundherum, als er 2001 an einem schön Spätsommertag im Auto sitzt, unterwegs zu einem Termin. Aber dann läutet sein Handy plötzlich, und dann ist nichts mehr schön, Udo Bassemir ist dran, und Bassemir sagt, er habe Leukämie. Heute erinnert sich Bassemir, dass Hoeneß rechts ran fuhr, tief durchschnaufte, entsetzt war und geschockt und dann sagte: „Udo, wir werden alles für dich tun.“
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1997 ist Bassemir Deutscher Meister mit den B-Junioren der Bayern, 1998 übernimmt er die Zweite Mannschaft. März 2001, den Amateuren droht der Abstieg aus der Regionalliga, Bassemir wird beurlaubt. Immer öfter klagt er in den Monaten danach über Schmerzen, vor allem im Rücken, aber er nimmt es nicht so ernst, er scherzt noch mit seiner Frau, dass es jetzt mit 42 eben langsam anfange mit den Zipperlein. Aber dann geht er doch zum Arzt, und der sagt, dass Bassemir Leukämie habe, Blutkrebs, eine ganz aggressive Form, die mit dem Philadelphia-Chromosom.
80 Prozent Krebszellen im Knochenmark, ohne Transplantation keine Überlebenschance. Bassemir ist in dieser Zeit noch immer angestellt bei den Bayern, deswegen gibt er dem Arbeitgeber Bescheid und ruft Hoeneß an. „Eine Selbstverständlichkeit“, sagt Bassemir heute.
Für Hoeneß eine Selbstverständlichkeit, dass er hilft: Wie Gerd Müller bei dessen Alkoholkrankheit, als er die Entziehungskur zahlt und ihm einen Job gibt. Wie dem früheren Bayern-Stürmer Lars Lunde nach dessen schweren Unfall in der Schweiz, als das Auto an einem Bahnübergang von einem Zug zermalmt wird und sich Hoeneß um die bestmögliche medizinische Versorgung kümmert. Wie Sammy Kuffour nach dem Tod seiner Tochter, wie Sebastian Deisler bei seiner Depression. Hoeneß ist immer da.
Einmal sagt Hoeneß: „Der FC Bayern ist meine eigene Company, wo die soziale Komponente an erster Stelle steht.“ Firma Fürsorge statt Abteilung Attacke. Eine spontane Hilfe, die aus dem Bauch kommt. Und aus dem Herzen. So auch bei Bassemir. Bassemirs Frau Christine Leyser erhält alle Geheimnummern, Hoeneß ist Tag und Nacht für sie erreichbar. „Und es war nie, dass er nur aus Pflichtgefühl zuhörte“, erzählt sie heute. „Es war ihm eine Herzensangelegenheit, wenn ich anrief, ließ er alles liegen und stehen und setzte dann alle Hebel in Bewegung.“
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Hoeneß organisiert eine Pressekonferenz, mobilisiert die Fans. Vor einem Heimspiel im Olympiastadion lassen sich Zuschauer Blut abnehmen, Typisierungstests, um einen geeigneten Knochenmarkspender zu finden. Hoeneß richtet ein Spendenkonto ein, zahlt selbst 50 000 Euro. Und eines Tages verzweifelt er fast. Hoeneß, Bassemir und seine Frau sitzen im Büro des Managers, sie erfahren, dass es zwei Spender gibt mit dem passenden Knochenmark. In Kanada, aber sie sind nicht mehr zu greifen, kurz zuvor haben sie sich aus der Blutdatenbank wieder austragen lassen.
Tränen fließen, und Hoeneß denkt sogar daran, Detektive anzuheuern, um die beiden ausfindig zu machen. „Er wollte alles für meinen Mann tun“, sagt Christine Leyser, „er sagte immer wieder: Wir können den Udo doch nicht sterben lassen.“ Und Udo Bassemir sagt: „Er stand immer wie ein Fels hinter uns, er tat das nicht, weil es eine Masche war oder er gute Presse wollte. So ist er einfach. Er hat die Hoffnung nie aufgegeben.“ Und dann kommt die Rettung doch noch, ein eingetragener Blutspender aus Puerto Rico, sein Knochenmark passt, der Termin für die Transplantation ist am 17. Januar 2002, kurz zuvor erhalten die beiden noch eine Einladung.
Von Uli Hoeneß, zu seinem Geburtstag, seinem fünfzigsten. Doch Bassemir kann da nicht hin, die Gefahr einer Infektion seines geschwächten Körpers ist zu groß. Die Operation ist erfolgreich, Bassemir überlebt, und natürlich bleibt er beim FC Bayern, denn Hoeneß verlängert seinen Vertrag. Seit vielen Jahren ist Bassemir nun Nachwuchskoordinator, sichtet Talente in den Partnervereinen des FC Bayern, ist Ansprechpartner für die Jugendlichen im Bayern-Internat. Seit der Manager Präsident ist, sieht er ihn nicht mehr so oft an der Säbener Straße, aber wenn sie sich treffen, fragt Hoeneß immer danach, wie es ihm gehe. „Ich habe Hoeneß so unglaublich viel zu verdanken“, sagt Bassemir, „das werde ich ihm nie vergessen.“
Genau zehn Jahre ist das alles nun her, jetzt im Januar feiert Hoeneß seinen Sechzigsten. Und Bassemir seinen Zehnten.
Florian Kinast