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„In dieser Reihenfolge“: Rummenigge nennt die wichtigsten Bayern-Transfers - Lewandowski nur auf Platz vier

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Karl-Heinz Rummenigge spricht im tz-Interview vor dem Barcelona-Spiel über Schulden, Lewandowski und Transfer-Exzesse.
Karl-Heinz Rummenigge spricht im tz-Interview vor dem Barcelona-Spiel über Schulden, Lewandowski und Transfer-Exzesse. © Imago

Gegen den FC Barcelona wird Karl-Heinz Rummenigge in der Allianz Arena sitzen. Die tz hat mit dem Ex-Bayern-Boss vor dem Knaller gesprochen.

München - Gegen Inter und den VfB war Karl-Heinz Rummenigge nicht im Stadion. Morgen, beim Knaller gegen den FC Barcelona, wird der 66-Jährige aber in der Allianz Arena sitzen. Der ehemalige Bayern-Boss freut sich auf das Wiedersehen mit einem nach wie vor großen Klub – und Lewandowski, wie er im tz-Interview verrät.

Herr Rummenigge, der zweite Champions-League-Start „ohne“ Sie. Sind Sie heuer noch entspannter als in der vergangenen Saison?

Ich war schon letztes Jahr sehr entspannt. Ich habe mir letztes Jahr ein paar schöne Spiele angeschaut – leider war ich aber auch gegen Villarreal im Stadion.

Wer profitiert denn von der gewonnenen Zeit? Ihrer Frau hatten Sie ja lange, lange einen Tanzkurs versprochen...

Den gab es leider noch nicht...

Leider?

Sie wissen, wie gut und gerne ich tanze (lacht). Aber ich überlege jetzt ernsthaft, dass ich mein Versprechen einlösen muss. Neulich haben wir einen Tango-Film zusammen angesehen, da hat sie mir einen Blick zugeworfen, als wolle sie mich erinnern. Lange komme ich da nicht mehr aus…

„Im Fokus steht das Wiedersehen mit Robert Lewandowski“

Das Stadion ist dann doch gewohnteres Terrain für Sie. Zuletzt im San Siro waren Sie nicht – Barca lassen Sie sich aber nicht entgehen. Haben Sie bei der Auslosung – wie Kahn – schmunzeln müssen?

Natürlich. Im Fokus steht das Wiedersehen mit Robert Lewandowski, wobei ich natürlich viele Erinnerungen an Spiele gegen den FC Barcelona habe. Das 8:2 war legendär, es gab aber auch andere Zeiten. Mit Jürgen Klinsmann haben wir mal in Barcelona gespielt, da stand es zur Halbzeit 0:4. Da habe ich in der zweiten Halbzeit so oft auf die Uhr geschaut wie nie wieder davor oder danach.

Es gab aber auch schöne Momente, wie 2013.

Das sind die Spiele, an die ich mich am liebsten erinnere. Das 4:0 in München gegen Barca mit Messi in Topform, dann das 3:0 in Barcelona. Da habe ich mir gedacht: Wenn du im Halbfinale kumuliert 7:0 gegen Barcelona gewinnst, verdienst du es, die Champions League zu gewinnen. Und so war es.

War das 2:8 rückblickend der Einschnitt bei Barca?

Barca war lange eine echte Benchmark und für uns immer ein Vorbild. Ich habe oft mit Uli Hoeneß darüber diskutiert. Leider hat sich das in den letzten Jahren ein bisschen verändert. Dieses Wahnsinns-Spiel in Lissabon war schon ein Zeichen. Wir waren echt nervös davor, denn wir haben ein enges Spiel erwartet. Auf der Rückfahrt saßen wir dann vom Glück beseelt im Bus und haben Bier getrunken. Und alle haben gedacht: Wir sitzen hier in einem Film. Hoffentlich ist er morgen auch noch so schön, wie er sich gerade anfühlt.

Man hat den Eindruck, Barca war früher der Talententwickler. Dieses Jahr hat der Klub eingekauft wie nie zuvor.

Früher war Barcelona mit La Masia auch da ein Vorbild für alle. Mit Messi haben sie dann den Jackpot gezogen, der den ganzen Klub auf ein neues Niveau gehoben hat. Leider ist auch an ihm der Zahn der Zeit nicht vorüber gegangen, dazu kamen große finanzielle Probleme. Ich kenne Joan Laporta ja sehr gut. Er wollte nicht einen auf Geduld aufgebauten Neuanfang, sondern einen schnellen. Jetzt hat er zumindest bewiesen, dass mit der Mannschaft, die er aufgebaut hat, wieder zu rechnen ist.

„In Spanien werden die Finanzen nicht so dramatisch gewichtet wie in Deutschland“

Es ist aber schon ein riskantes Unterfangen. Der Klub hat eine große Hypothek – es muss in den nächsten Jahren alles passen.

Ich kenne Joan, er ist ein großer Optimist. Trotzdem denke ich, dass er jetzt an der Spitze der richtige Mann ist. Er kennt den Verein wie kaum ein Zweiter, hat die großen Zeiten mit Pep Guardiola erlebt. Und ehrlich gesagt werden in Spanien die Finanzen auch nicht so dramatisch gewichtet wie in Deutschland. Wenn die sportliche Leistung stimmt, kriegt man alles irgendwie hin. Da ticken die Uhren ein bisschen anders. Bei über einer Milliarde Euro Verbindlichkeiten, über die man ja spricht, hätte ich viele schlaflose Nächte gehabt.

Rummenigge wünscht sich einen freundlichen Empfang für Lewandowski in München.
Rummenigge wünscht sich einen freundlichen Empfang für Lewandowski in München. © Imago

Julian Nagelsmann hat für seine Aussage, Barca sei der einzige Klub, der einkauft, ohne Geld zu haben, Kritik bekommen. Dieser Eindruck ist aber doch richtig, oder?

Ich empfehle grundsätzlich: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Julian sollte keine politischen Aussagen machen – das ist Aufgabe von Oliver Kahn und Herbert Hainer. Er hat ja da auch eine Breitseite zurückbekommen aus Spanien. Ich glaube, es ist immer besser, die Dinge auf den eigenen Kompetenzbereich zu beschränken. Natürlich haben sie in Barcelona einen neuen Weg gehen müssen. Sie haben viele Einnahmen der Zukunft in die Gegenwart geshiftet, um Transfers tätigen zu können. Und ich glaube, dass Barcelona für Fußball-Europa immer ein wichtiger Klub war.

Trotzdem haben Sie ihnen den dritten Gruppenplatz prophezeit. Rudern Sie da nach dem ersten Spieltag zurück?

Prophezeit habe ich ihn nicht, ich habe ihn mir gewünscht (lacht). Bei Inter hatte ich im ersten Spiel aber jetzt doch ein schlechteres Gefühl.

Barca hat halt Robert Lewandowski.

Es ist im Sommer so viel diskutiert worden, aber man muss doch klar und deutlich sagen: Er performt auch bei Barcelona – zum dritten Mal in Folge – überragend.

Lewandowski „ hat auf allen Ebenen einen Beitrag zum Wohle von Bayern München geleistet“

Was für einen Empfang erwarten Sie in der Allianz Arena?

Ich wünsche mir, das ihn der FC Bayern und das Publikum mit Dankbarkeit empfängt. Man darf nicht vergessen: Er hat acht Jahre hier gespielt, alles gewonnen, was man gewinnen kann und jedes Jahr zwischen 35 und 50 Tore erzielt. Dazu ist er ablösefrei gekommen und jetzt für 45 Millionen Euro verkauft worden. Er hat also auf allen Ebenen einen Beitrag zum Wohle von Bayern München geleistet.

Im Gedächtnis aber ist das Wechsel-Theater.

Spanien war schon immer in seinem Hinterkopf. Und das war jetzt vielleicht die letzte Wechselmöglichkeit in dieser Größenordnung. Es ändert nichts an der Tatsache, dass er einer der wichtigsten Transfers der letzten 15, 20 Jahre war.

Neben?

Ribery, Robben, Neuer, Lewandowski – in dieser Reihenfolge.

Ein Real-Angebot für Ribery haben Sie einst abgelehnt, weil Sie sagten: Wir sind kein Verkäuferverein – und unsere Verträge werden eingehalten. Wäre Lewandowski unter Ihnen noch da?

Es war doch am Ende für beide Seiten eine Win-Win-Situation. Auch der FC Bayern hat in diesem Sommer viel Geld ausgegeben. Da war es völlig okay, mit Robert eine Lösung zu finden. Es hat Bayern München immer ausgezeichnet, sportlichen Erfolg mit solider Finanzierung zu erreichen.

Auch dieser Wechsel war sehr beratergetrieben. Haben die Berater zu viel Macht?

Es gibt da immer eine Grauzone, was wahr ist, was nicht, was manipuliert ist, was nicht, was die Öffentlichkeit erfährt oder eben nicht. Das ist aber alles nun Vergangenheit. Offensichtlich aber stimmt nicht, was Volker Struth während der Corona-Krise gesagt hat. Ich zitiere: Auch wir werden kleinere Brötchen backen müssen. Aus den kleineren Brötchen sind größere Baguettes entstanden.

„Der Fußball kann sich nicht jedes Jahr immer höhere Zahlungen leisten“

Die Transfersummen sind sogar höher als vor der Krise.

Es gibt ja nach wie vor zumindest in Deutschland Diskussionen um Nachhaltigkeit, um Finanzen. Die Fans wollen, dass man sich Gedanken macht. Das ist ja in allen Gebieten unserer Gesellschaft ein Thema. Der Fußball kann sich nicht jedes Jahr immer höhere Zahlungen leisten. Seit dem Bosman-Urteil ist das eine Einbahnstraße, die nur steil nach oben geht, die Kostenschraube dreht und dreht sich. Wir müssen aufpassen, dass die Fußballindustrie nicht die einzige Industrie der Welt ist, die keine Gewinne mehr erzielt.

Da haben einige Big Player aber andere Pläne. Stichwort: Super League.

Diese Idee ist wegen der Einnahmen der Premier League entstanden. Ich habe zu Florentino Pérez ja ein entspanntes Verhältnis. Er war immer ein großer Kritiker, dass die Engländer Milliardäre, Hedgefonds oder inzwischen Staaten in den Fußball holen – und der Rest Europas darunter leidet. Der große Treiber ist exklusiv England. Die Netto-Investments in England sind so hoch wie nie. Das hat dann schon etwas mit Wettbewerbsfähigkeit zu tun.

Auch Toni Kroos – vielleicht nicht ganz unbeeinflusst – ist der Meinung, dass die Superliga kommen wird und kommen muss.

Er spielt ja auch bei dem Klub, der noch davon überzeugt ist, dass sie kommen wird. Ich hingegen bin mir sicher, dass dieses Thema nie wieder diskutiert werden wird bei den großen Klubs in Frankreich, England und Deutschland. Und eine Superliga ohne die Teilnahme dieser drei Ligen wird niemals stattfinden. Natürlich werden die Besitzer, die Privatvermögen in ihre Klubs fließen lassen, sich immer solche Gedanken machen, schließlich legen sie ihr Geld bei diesen Vereinen nicht an, um es anschließend bei den barmherzigen Samaritern abzuliefern. Dennoch wird diese Superliga nicht kommen. Dazu war das Echo der Öffentlichkeit, der Medien und auch der Fans so dramatisch negativ, dass sich keiner mehr da rantrauen wird. Davon bin ich mehr als überzeugt. Und soll ich Ihnen noch etwas sagen?

Bitte!

Die Superliga hätte die Einnahmen für die Klubs nicht dramatisch erhöht, sondern zwei Folgen mit sich gebracht. Zum Einen hätte sie einen Gleichstand zwischen den Klubs aus England, Spanien und Italien hergestellt, also den Ländern, die sich damals bereiterklärt hatten. Und zum anderen hätte es auch keine Abstiege gegeben, was eine Art Dauerkarte für besagte Vereine in diesem Wettbewerb bedeutet hätte. Beide Dinge hätten in Europa nicht funktionieren können, ganz einfach, weil sie auch von den Fans nicht erwünscht sind. Wir müssen aufpassen, dass wir im Fußball keine Dinge im exklusiven Wohle der Finanzen machen.

„Der Mix zwischen Alter und Qualität stimmt“ bei den Bayern

Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic hat diesen Transfersommer 140 Millionen Euro investiert, wurde für seine Arbeit sehr gelobt. Sie meinten einst, er solle keine „Hoeneß light“ sein. Haben Sie den Eindruck, dass er nun seinen eigenen Weg geht?

Er ist ja in der Vergangenheit ziemlich harsch gescholten worden, deshalb freut es mich umso mehr, dass er jetzt – übrigens völlig zurecht – gelobt wird. Seine Arbeit im zurückliegenden Transfermarkt ist in der Tat sehr gelungen. Ich denke, dass Bayern München auch in dieser Saison zum elften Mal in Folge Deutscher Meister werden wird. Wie schon immer in der Vergangenheit kommt es immer auf das an, was ab Februar in der K.o.-Runde der Champions League geschieht. Da muss man Geduld haben.

Kennen sich schon lange: Rummenigge und ­Laporta, hier auf einem Bild von 2009.
Kennen sich schon lange: Rummenigge und ­Laporta, hier auf einem Bild von 2009. © Imago

Entscheidet das auch, ob man weiter ohne echte Neun spielt? Stichwort: Harry Kane.

Bei Bayern München hängt doch alles davon ab, wie diese Saison läuft. Läuft sie gut, kann ich mir vorstellen, dass Bayern München kommenden Sommer auf dem Transfermarkt etwas zurückhaltender agiert. Schließlich verfügt man über eine Mannschaft, die nicht nur gut, sondern auch noch relativ jung ist. In Manuel Neuer, Thomas Müller und Sadio Mané hat man ja quasi nur drei Spieler auf dem Platz, die 30 oder älter sind. Der Mix zwischen Alter und Qualität stimmt, das ist alles im grünen Bereich. Jetzt muss man nur das nötigen Quäntchen Glück haben und eine Saison spielen, die die Erwartungen erfüllt.

Also große Titel gewinnen?

Ich muss offen und ehrlich sagen, dass mir das Wort Triple aktuell fast schon ein Stück zu oft in den Mund genommen wird. Davon kann man immer träumen, aber die Champions Legaue ist schlichtweg ein hohes Gut. Wer hätte vor einem Jahr damit gerechnet, dass sie Real Madrid gewinnt?

In München mutete das Aus gegen Villarreal derweil als Einschnitt an. Geht es beim FC Bayern dieses Jahr auch ums Grundsätzliche?

Gegen Villarreal haben von den Medien über die Fans bis womöglich sogar hin zu der Mannschaft und dem Trainer alle geglaubt, dass es ein relatives einfaches Los sei. Man muss aber – egal gegen wen – hoch konzentriert sein, sollte am besten alle Spieler zur Verfügung haben und dann eben auch diesen Schuss Demut mitbringen.

Diese Demut ist insbesondere bei den größten Triumphen in der jüngsten Vergangenheit aus großen Niederlagen entsprungen.

Wenn man bereit ist zu lernen, kann ich aus eigener Erfahrung nur sagen, dass man am meisten aus den Niederlagen lernt. Du ärgerst dich, benutzt diesen Ärger jedoch, um deine Fehler nicht zu wiederholen. Auch dieses Jahr kann es hilfreich sein, wenn man sagt: Wir haben in Villarreal etwas erlebt, aus dem wir Lehren ziehen müssen, damit es uns diese Saison nicht nochmal widerfährt.

International wird man früher oder später an Real Madrid vorbeimüssen. Wie erklären Sie sich, dass dieser Klub immer wieder zu scheinbar Unmöglichem imstande ist?

Ich habe zuletzt des Öfteren mit Carlo (Ancelotti, d.Red.) Kontakt gehabt. Und wenn ich ehrlich bin, war ich nach dem Halbzeitergebnis im Rückspiel gegen Paris Saint-Germain schon geneigt, ins Bett zu gehen. Ich war auch etwas müde, muss ich gestehen. Letzten Endes war ich froh, dass ich standhaft geblieben bin und das Spiel zu Ende angesehen habe, denn nicht nur dieses Spiel, sondern die gesamte Saison von Real Madrid in der Champions League war an Dramaturgie nicht zu übertreffen. Dazu gewinnen sie die spanische Liga, den europäischen Supercup – und zum FIFA-Klubweltmeister werden sie sich auch noch küren.

Was haben Sie Ancelotti gesagt?

Ich habe ihm meine Bewunderung ausgesprochen. Er hat so eine unglaubliche Engelsgeduld und verrät auch manchmal Dinge, die man nicht für möglich hält. Er hatte beileibe nicht nur Glück. Er selbst sagt, dass er eine Mannschaft mit einem unglaublichen Charakter hat, die Dinge bewerkstelligt habe, die selbst ihn erstaunt hätten. Das ist in meinen Augen der eine Grund, der andere ist dieses Stadion. Ich habe im Bernabéu gespielt, habe dort in meiner zweiten Funktion selber gesessen und kann nur sagen, dass es dir Respekt, ja sogar Angst einflößt. Wenn die Fans dort mal loslegen, springt der Funke von der Tribüne auf den Platz über und dann wird dieses Stadion zu einem Tollhaus. Positiv für den Fußball.

Was geht in Ihrem Kopf vor, wenn Sie sich den Werdegang von Toni Kroos seit seinem Wechsel 2014 vor Augen führen?

Ich sehe in ihm zwei Dinge. Er ist ein Spieler, der eine tolle Karriere hat. Dann gibt es aber auch den Toni Kroos, der mir ein Stück zu kritisch ist. Wenn er zum Beispiel mal wieder Sätze über Uli Hoeneß kundtut, muss ich offen und ehrlich sagen, dass mir das missfällt. Man darf nicht vergessen: Uli Hoeneß hat ihn als 16-Jährigen für eine Million Euro aus Rostock geholt. Das war mit Abstand der höchste Betrag, der für so einen jungen Burschen je beim FC Bayern bezahlt wurde. Daraufhin wurde er hier ausgebildet, hat seine ersten, zweiten und sogar dritten Schritte als Profi im Verein gemacht. Toni Kroos müsste Uli dafür dankbar sein.

Interview: Hanna Raif und José Carlos Menzel López

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