Meijers Rat an Wirtz: „Geh nicht zum FC Bayern!“

Wenn sich einer mit dem Duell Leverkusen gegen den FC Bayern auskennt, dann Erik Meijer. Der heutige Sky-Experte stürmte früher für Bayer, lieferte sich mit den Bayern damals echte Titelduelle. Seinen Ex-Klub hat er noch genauestens im Blick. Das tz-Interview.
Herr Meijer, Welche Erinnerungen haben Sie an die Duelle gegen Bayern?
Meijer: Es waren verdammte schwierige Spiele. Bayern hat immer über eine Topmannschaft verfügt. So wie es jetzt immer noch ist. Wir haben um die Meisterschaft gekämpft. Am Ende hatte Bayern immer ein paar Pünktchen mehr auf dem Konto. Das war verdammt kacke, aber es war nun mal so…
Mittlerweile ist Bayern in der Hinsicht enteilt. Ist zumindest am Sonntag für Bayer ein Sieg drin?
Meijer: Das wird schwierig. Wir können schon froh sein, dass die Liga bis jetzt so spannend ist. Das hat damit zu tun, dass Bayern immer wieder Punkte liegen lässt. Aber auch damit, dass wir Vereine haben, die frei von der Leber weg spielen und keine Angst davor haben, auch gegen große Gegner offensiv zu spielen. Das tut der Liga gut.
Was rücken Sie als Experte in den Fokus bei diesem Duell?
Meijer: Es treffen zwei Mannschaften aufeinander, die ihre Stärken in der Offensive haben. Bayern hat unglaubliche Qualität im Dribbling und im Tempo. Das gleiche gilt für Bayer. Bei Leverkusen wird nach drei Siegen in Folge die Brust etwas breiter. Da kannst du nochmal ein bisschen mehr Gas geben und dagegenhalten.
Wie muss Bayer gegen Bayern spielen, um eine Chance zu haben?
Meijer: Sie müssen den Raum nutzen, den Bayern bietet. Also braucht Bayer gar nicht anders spielen als bisher auch. Über das schnelle Umschaltspiel mit Diaby, Frimpong und Wirtz hast du eine Chance, gegen Bayern Tore zu machen. Dann ist nur die Frage, wie stabil die Defensive ist. Und genau das ist das Problem von Bayer in dieser Saison. Sie bekommen zu viele Gegentore und machen zu viele krasse Fehler.
War das auch in der Hinrunde das Problem?
Meijer: Persönliche Fehler haben immer wieder zu Gegentoren geführt. Das ist das frustrierendste, was du dir als Trainer vorstellen kannst. Du kannst den Spieler nicht voll an die Wand nageln. Im nächsten Spiel brauchst du ihn ja wieder…
Hat Xabi Alonso die Wende gepackt?
Meijer: Im Großen und Ganzen hat er Schwung in die Mannschaft gebracht, sie sind ja international auch noch dabei. Er hat es simpel gehalten, der Defensive mehr Struktur verliehen. So spielen sie von hinten wieder besser raus. Und er hat die Batterie von Frimpong neu aufgeladen. Er auf der rechten Seite, Bakker auf links: die holländischen Schienen funktionieren. Individuelle Fehler sieht man aber immer noch.
Woran liegt das?
Meijer: All dieser Spieler wurden mit der Devise ausgebildet, spielerische Lösungen zu finden. Einen Ball auch mal wegzudreschen lernst du erst, wenn du ein paar Mal auf die Schnauze geflogen bist. Dann willst du den Gegner bei einer Führung kurz vor Schluss nicht mehr tunneln…
Ist es von Vorteil, dass Alonso selbst ein Topspieler war?
Meijer: Das ist nicht so entscheidend. Der beste Trainer, den ich bei Bayer hatte, war Christoph Daum. Und der war vorher kein Topspieler. Wenn du mehr Spiele gewinnst als verlierst, dann sagst du: Der kann was!
Wie emotional wird seine Rückkehr nach München?
Meijer: Das motiviert nur. Du siehst alte Bekannte, begrüßt ein paar Leute. In den Urlaub zu fahren ist schön, aber nachhause zu kommen doch auch. Es wird nicht so sein, dass er nur mit 98 Prozent in das Spiel geht.
Ist es gut für die junge Mannschaft, dass sich alles auf den Trainer konzentrieren wird?
Meijer: Alonso kann damit auf jeden Fall umgehen. Mit Druck hat eine junge Truppe meistens noch Probleme. Erfahrung kannst du eben nicht kaufen. Ich bin auf jeden Fall froh, dass Florian Wirtz wieder dabei ist.
Sind Sie überrascht, dass er nach seiner Kreuzbandverletzung so schnell wieder in Form kam?
Meijer: Ich finde es grundsätzlich überraschend, wie schnell und in welcher Verfassung die Spieler heute zurückkommen. Da hat der Fußball viel gewonnen. Das ist schon krass und ein großer Unterschied zu meiner Zeit.
Was macht Wirtz so stark?
Meijer: Er ist leichtfüßig, macht Sachen, über die er nicht nachdenkt. Er hat ein dreidimensionales Denken und plant seine nächsten Schritte nicht, sondern er macht einfach. Das ist pures Talent! Seine Lösungen und Ideen erwartet der Gegner nicht, dadurch entsteht Platz für die Mitspieler.
Er weiß immer schon vorher, was er machen muss…
Meijer: … und nebenbei spielt er auch noch jemanden aus. Er ist ein verdammt guter Spieler!
Ist er schon Weltklasse?
Meijer: Ein bisschen was fehlt dazu noch. Da geht’s aber wirklich nur um Erfahrung. Du musst ein paar Kilometer auf dem Tacho haben, dann triffst du (noch) bessere Entscheidungen. Und um Weltklasse zu sein, musst du auch Preise gewinnen. Das hat er noch nicht geschafft.
In München hätte er Gelegenheit dazu. Muss ihn Bayern holen?
Meijer: Wenn es um seine Qualität geht, ja. Allerdings hat Bayern schon Musiala, da brauchst du keinen Wirtz. Auf Vereinsebene möchte ich die beiden nicht in einer Mannschaft sehen. Denn das würde wahrscheinlich bedeuten, dass einer nicht spielt. Deshalb würde ich Florian sagen: Bleib bei Bayer, komm weiter auf Minuten und verzichte auf die Millionen…
Rudi Völler ist der neue Sportdirektor der Nationalmannschaft. Sie haben ihn in Leverkusen kennengelernt. Warum ist der der richtige Mann für den DFB?
Meijer: Weil er ein jedermanns Liebling ist, er dir aber auch sagen kann, dass du ein Arschloch bist. Ich glaube, das ist die kürzeste Erklärung. Er will jedes Spiel gewinnen, ist ein Siegertyp. Das ist Hansi Flick auch, aber mehr auf Harmonie bedacht. Rudi hat mit Konfliktsituationen kein Problem. Deshalb glaube ich, dass es mit dem „Good Cop“ und dem „Bad Cop“ gut passen wird.