Paul Breitner und Uli Hoeneß: Freunde fürs Leben

München - „Gute Freunde kann niemand trennen...“ sang der Kaiser einst. Wie Recht er hat: Paul Breitner spricht in der tz über seinen Freund fürs Leben, den Neu-Präsidenten Uli Hoeneß.
Herr Breitner, erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung mit Uli?
Paul Breitner: Natürlich. Die war im Herbst 1966, im Oktober. Ich war 15, Jugendspieler der Bayern-Auswahl. Uli war noch 14, er hat für die Auswahl von Baden-Württemberg gespielt. Wir beide wurden eingeladen zur Süddeutschen A-Jugend-Auswahl. Wir kamen in der Sportschule Grüneck in der Nähe von Karlsruhe an. Der Verbandstrainer hatte 20 Spieler vor sich und hat gefragt: „Wer will mit wem aufs Zimmer?“ Ein paar haben sich gemeldet, Uli und ich kannten aber niemanden. Wir blieben übrig, Uli stand auf einmal neben mir. Da hat der Trainer gemeint: „Dann geht’s ihr zwei auf ein Zimmer.“ Peng!
Hoeneß: Sein Leben in Bildern
Das war der Anfang. Sie haben sich gleich verstanden?
Breitner: Von der ersten Sekunde an! Es gab in all den Jahren nie Streit. Uli hatte andere Interessen, wir waren Gegenpole: Er war damals schon an allem interessiert, was mit Finanzen zu tun hatte. Das existierte für mich nicht. Ich hatte meine Dinge mit Psychologie, Philosophie, weiß der Teufel was. Vielleicht war das der Grund, warum wir uns so gut verstanden haben. Unsere Überschrift war Toleranz – und den anderen nicht bekehren wollen. Es war eine Harmonie da, ohne dass der andere ansatzweise was sagen brauchte.
Wie ging es nach dem ersten Treffen weiter?
Breitner: Wir waren vier Jahre bei der Jugendnationalmannschaft, haben teilweise drei Monate gemeinsam verbracht. Und die Zugfahrten! Einmal hatten wir in Dänemark ein Länderspiel und sind mit dem Zug heimgefahren. Bis Freilassing war ich glaube ich 28 Stunden unterwegs. Auf dem Heimweg waren wir alleine. Dann bin ich oft in Ulm ausgestiegen, einen halben Tag beim Uli geblieben und dann heim – so habe ich seine Familie kennengelernt. Wir waren wie Brüder.
In der Dokumentation „Profis“ wird ein Jahr in Ihrem Leben gezeigt. Sie konnten sich Uli Hoeneß noch nicht so recht als Manager vorstellen.
Breitner: Für mich war Uli der künftige Josef Ackermann, der künftige Herr Reitzle. Sprich: Ulis Weg war für mich vorgegeben, ich habe ihn irgendwann als Sprecher der deutschen Bank gesehen. Mit zehn, elf Millionen, die Bayern zu der Zeit umgesetzt hat, als er Manager wurde, habe ich mir gedacht: Das ist ein Tante-Emma-Laden! Das ist für den Uli zwei Nummern zu klein. Heute ist er für mich der beste Manager, den es auf der Welt gibt – und das Unternehmen hat auch die entsprechende Größe. Uli war die letzten 30 Jahre nicht nur der FC Bayern, er war die Bundesliga!
Sie waren nach Hoeneß’ Flugzeugabsturz 1982 einer der Ersten, die sich um ihn gekümmert haben.
Breitner: Das war heftig. Wir hatten in Hannover das Länderspiel gegen Portugal. Zwanzig Minuten vor Ende tauchte ein Freund am Spielfeldrand auf – der schrie und schrie. Während des Spiels hat er mir gesagt, dass Uli abgestürzt ist und keiner weiß, was los ist. Zwei Minuten vor Schluss kam der Freund wieder: Angeblich drei Tote und ein Überlebender – angeblich Uli. Mit Abpfiff habe ich zu unserem Freund gesagt, dass ich ein Polizeiauto zur Uniklinik brauche. In zwei Minuten war ich geduscht, maximal fünf Minuten nach Spielende saß ich im Polizeiauto.
Wie groß war die Angst?
Breitner: Natürlich zunächst riesig. Aber im Krankenhaus hieß es von Anfang an, dass keine Lebensgefahr bestünde. Das Problem war, dass er mit dem Gesicht nach vorne ins Moos geschleudert wurde. Er hatte Gräser und weiß der Teufel was inhaliert – das musste aus der Lunge raus. Er ist gegen vier Uhr zu sich gekommen. Es ging ihm relativ schnell gut.
Wie war das Leben in der WG in Trudering?
Breitner: Ach, WG konnte man das eigentlich nicht nennen. Wir hatten ja keine fremden Weiber drin und nix. Für uns war das einfach der logische Schritt. Er war eigentlich schon beim VfB, ich beim TSV 1860. Dann hat unser Jugendauswahl-Trainer Udo Lattek, der Bayern-Trainer wurde, uns mitgenommen. So haben wir umgedacht. Nach vier Jahren zusammen war es nur logisch: Nehmen wir uns doch die erste Wohnung in München zusammen. Das hat so lange funktioniert, bis es uns mit unseren Frauen terminlich zu stressig wurde.
In Ihrer letzten Bayern-Saison 82/83 kam es zum Bruch.
Breitner: Wir waren auf Asien-Reise, in Singapur. Ich habe die Reise schwer verletzt mitgemacht, weil ich noch dabei war, als die Verträge dafür ausgehandelt wurden. Wir hätten eine Strafe zahlen müssen für den Fall, dass der Kalle Rummenigge oder ich nicht gespielt hätten. Wir haben in Singapur in der ersten Halbzeit schlecht gespielt. Da kam der Uli auf einmal als Manager in die Kabine und hat rumgebrüllt. Das hat vielleicht eine Minute gedauert, wir haben uns fürchterlich gefetzt. Dann waren 17 Jahre innigster Freundschaft erledigt, eine Ehe von einer auf die andere Sekunde geschieden. Es war lächerlich, es ging nur um Lappalien. ´
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Wie kam es dann zur Versöhnung?
Breitner: Wir haben etwa zehn Jahre nicht miteinander geredet, kein Wort. Wir waren beide zu stolz. Dann sind wir uns in München am Flughafen über den Weg gelaufen – und konnten Gott sei Dank nicht ausweichen. Wir haben beide aufgeatmet, ausgemacht, dass wir uns in den nächsten Tagen mit den Frauen zum Abendessen treffen und alles bereinigen. Das haben wir gemacht, und fertig. Wie es eben bei einer Ehe ist: Nach der Trennung kam die Aussprache – und heute sind wir echte Freunde.
Interview: Tobias Altschäffl