Ehemaliger SGE-Reporter berichtet: So tickt Niko Kovac in der Krise

Drei Spiele ohne Sieg: Eine ähnliche Situation wie jetzt in München machte Niko Kovac bereits gegen Ende der vergangenen Saison bei Eintracht Frankfurt durch. Wie meisterte der FC Bayern-Trainer diese?
München - Lügner“, schrien die Fans von Eintracht Frankfurt! Schäumend vor Wut! „Verpiss Dich“, forderten Tausende, die ihn so verehrt hatten, pfiffen ihn aus. April, 2018: Niko Kovac verkündete den Wechsel zum FC Bayern – und steckte plötzlich in seiner schwersten Krise! Als die Hessen dann drei Partien in Folge verloren, der sicher geglaubte Europacup-Platz in Gefahr geriet – diskutierte sogar der Vorstand, ob Kovac noch tragbar sei. Der Kroate blieb, führte die Eintracht zur Pokalsensation – und wurde wieder geliebt. Am Main hat Niko Kovac alle Krisen gemeistert – weil er knallhart sein kann! Aber auch andere Voraussetzungen hatte.
Kovac zeigte als Hertha-Jungspund keinen Respekt vor Platzhirschen. Er glaubte felsenfest an seine Stärke. Was er nicht konnte, daran arbeitete er besessen. „Ich lasse meine Tochter beim Mensch ärgere Dich nicht gewinnen“, verriet Kovac mal. Der Glaube – er spielt bei Kovac eine große Rolle. Der Katholik geht jede Woche in die Kirche, wünscht keine Pressekonferenzen am Karfreitag. Und jener Glaube an sich übertrug sich auf die Spieler. Als Kovac 2016 übernahm, es vier Pleiten in den ersten fünf Spielen gab, die SGE mit eineinhalb Beinen in der Zweiten Liga stand, sagte Kovac: „Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen.“ Frankfurt rettete sich in die Relegation, blieb drin!
So bewältigte Niko Kovac die Krise bei Eintracht Frankfurt
Niko Kovac wurde in sportlichen Krisen nur noch fokussierter. Er hinterfragte Strategien. Wenn die Spieler ausgelaugt wirkten, reduzierte er Umfänge. Vertraute darauf, dass seine Profis von der intensiven Sommervorbereitung zehren. Er ließ rotieren, wie er es von den Bayern gelernt hatte. Wenn es spielerisch nicht lief, stabilisierte er die Defensive. Getreu dem Motto: Hinten dicht machen und vorne hilft der liebe Gott. Zudem redete er Lieblinge wie Ante Rebic und Kevin-Prince Boateng stark. Aufmerksame Zuhörer merkten aber: Kovac, der sich seine rhetorischen Fähigkeiten ebenfalls durch Fleiß erarbeitet hat, griff häufiger auf Phrasen zurück. „So ist der Fußball“ – ein legendärer Satz von ihm.

Kovac nannte Probleme nach Siegen öffentlich. Nach Pleiten stellte er sich vor die Spieler. Stets fand er Wege in die Spur. Die letzte Krise, auch eine persönliche, als keiner ihm glaubte, er habe den FCB-Deal binnen eines Tages fix gemacht, wäre ihm fast zum Verhängnis geworden. Kovac war beleidigt, weil er, der Werte so propagierte, als Lügner dargestellt wurde. Kovac legte sich einen Panzer zu. Sprach nicht mehr in vertraulichen Runden mit Journalisten. Sah keine Fehler bei sich. Ließ nicht mal seine Berater an sich ran. Fast wäre er über sein Ego gestolpert. Was ihn rettete: Die Gier der SGE nach einem Titel. In München gibt es diesen Sog nicht. Kovac kann die erste Krise meistern, folgen schlimmere, kann seine Fassade bröckeln.
Auch lesenswert: Noch vor zwei Wochen schien der FC Bayern über der Konkurrenz zu schweben - die Stimmungslage hat sich jedoch komplett geändert. So soll es in der Bayern-Kabine mächtig brodeln und die Zweifel an Niko Kovac wachsen.
Tobias Goldbrunner