Irrsinn bei TV-Rechte-Vergabe: Experte erklärt das Sender-Chaos

Fußballfans brauchen mittlerweile verschiedene Abos, um die Spiele ihrer Lieblingsmannschaft zu sehen. Experte erklärt was dahinter steckt und wie die Vergabe der Bundesliga-Rechte läuft.
München - Christian Frodl war an den letzten drei Bundesliga-Rechteausschreibungen für zwei Arbeitgeber beteiligt und hat die Strategien der Ausschreibungen bzw. den Rechteerwerb stark mitgeprägt. Von 2009 bis 2016 arbeitete der studierte Jurist bei der Deutschen Fußball Liga. 2017 wechselte der gebürtige Hanauer zum Pay-TV-Sender Sky Deutschland. Frodl, der als einer der führenden Experten an der Schnittstelle von Sport und Medien gilt, kennt also beide Seiten. Das große tz-Interview über TV-Rechte.
Wie läuft die Vergabe der Bundesliga-Rechte ab?
Christian Frodl: Es ist ein 18 bis 24 Monate langer Prozess. Die Vergabe der Rechte, die Fans und Medien stark wahrnehmen, ist nur das Finale. Die DFL macht sich davor natürlich ganz genaue wirtschaftliche und strategische Gedanken. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Die Kundenfreundlichkeit steht ganz oben auf der Liste der DFL und der Vereine.
Warum brauchen Fußball-Fans dann mittlerweile vier Abos, um alle Spiele ihres Lieblingsklubs sehen zu können?
Frodl: Die Rechtevergabe ist keine komplett freie Entscheidung der DFL, da der Liga-Verband kartellrechtliche Vorgaben hat. Es gibt insbesondere die „No-Single-Buyer-Rule“, heißt: Ein einziger Anbieter darf nicht alle Live-Rechte der Bundesliga kaufen. Dahinter steckt die Idee des Bundeskartellamts, den Wettbewerb der Fernsehanstalten zu beleben. Durch Rechte an der Bundesliga, dem attraktivsten Sportrecht in Deutschland, haben Sender auch die Möglichkeit zu wachsen. Darüber hinaus unterliegt die DFL durch das Kartellamt weiteren Auktionsregeln. Bei einem vorgegebenen Abstand zwischen zwei Angeboten, in den letzten Ausschreibungen waren es mehr als 20 Prozent, musste die DFL grundsätzlich das höhere Angebot annehmen.

Dennoch ist es nicht kundenfreundlich, wenn Fans mehrere verschiedene Abos abschließen müssen. Entfernt der Fußball sich dadurch nicht von den Zuschauern?
Frodl: Kein Zweifel, die aktuellen Medienverträge für die Bundesliga, 2. Liga, Champions League und Europa League, den DFB-Pokal oder auch die 3. Liga erfordern sehr gute Navigationsfähigkeiten bei den Fans. Ich denke, man muss ein, zwei Spielzeiten abwarten und kann dann anhand von verfügbaren Nutzungszahlen analysieren, was der Fan will und was nicht.
Gerade für die Generation, die nicht so vertraut mit der Technik und dem Internet ist, ist es deutlich schwieriger geworden.
Frodl: Die technologischen Entwicklungen bieten einerseits Chancen für neue Marktteilnehmer wie DAZN, sie verlangen aber auch eine neue Flexibilität des Fans als Kunden. Die Strategie von Sky, sich stärker als Plattform für verschiedene Sender zu etablieren, halte ich für eine gute Hilfestellung für die Kunden, die es etwas einfacher haben wollen. Das ändert zwar nichts daran, dass man verschiedene Abos abschließen muss, es macht das Handling über eine Fernbedienung aber doch deutlich einfacher.
Wie gefährlich wird Online-Gigant Amazon in Zukunft für Sky & Co.?
Frodl: Amazon hat die Rechte an jeweils einem Dienstagsspiel der Champions League sicher nicht nur aus Liebe zum Fußball gekauft. Der Konzern wird auf hohem Niveau testen wollen, inwieweit Amazon-Kunden auch für Spitzensport zu begeistern sind und was es dem gesamten Business bringt. Auch hier dürfen wir auf Ergebnisse sehr gespannt sein.
Wie wird entschieden, welcher Rechte-Inhaber welches Spiel zeigen darf?
Frodl: Ein sehr komplexes Thema. Der Spielplaner der DFL muss pro Spieltag mit vielen Vorgaben leben. Es gibt bei einigen Spielen Sicherheitsthemen, er muss auf internationale Spiele deutscher Mannschaften Rücksicht nehmen und mitunter auch auf andere Buchungen von Stadien zum Beispiel für Konzerte achten. Dies beeinflusst die Terminierung der Spiele wesentlich. Auf welchem Sender ein Spiel dann letztlich läuft, entscheiden aber die Unternehmen selbst in der Ausschreibung durch ihre Gebote für die jeweiligen Rechtepakete.
Vorschlag: Besteht nicht mehr und mehr die Gefahr, dass der Samstagnachmittag immer unattraktiver wird?
Frodl: An Spieltagen in Wochen, in denen die Top-Mannschaften der Bundesliga international aktiv sind, ist es sicher nicht einfach, den Samstag-Nachmittag mit attraktiv klingenden Spielen zu besetzen.
Wegen der Bundesliga-Spiele der Europacup-Starter.
Frodl: Richtig. Auf Teilnehmer an den UEFA-Wettbewerben wird aus Gründen der Regeneration in der Bundesliga Rücksicht genommen. So treten Mannschaften, die am Donnerstag in der Europa League spielen, in der Liga regelmäßig erst am Sonntag an. Viele Begegnungen am Sonntag sind dadurch mittlerweile oft ebenso klangvoll wie das Samstagabend-Spiel. Diese Entwicklung betrifft zum Beispiel auch die Sportschau, die auch in den kommenden Jahren als Erste im Free-TV über die Partien vom Samstagnachmittag berichtet.
Warum sind die TV-Gelder in der englischen Premier League so viel höher als in der Bundesliga?
Frodl: England ist seit vielen Jahren ein sehr gewachsenes Pay-TV-Land. Es gibt dort deutlich mehr Abonnenten und die Kunden zahlen auch durchschnittlich mehr für ihr Abo. Ferner erzielt die Premier League im Ausland deutlich mehr Umsätze. Dieser Medienmarkt generiert für die Clubs auf der Insel mehr finanzielle Möglichkeiten und das wird sich bis auf Weiteres auch nicht ändern.
Kann die Bundesliga diesen Rückstand jemals wieder aufholen?
Frodl: Wirtschaftlich kurz- und mittelfristig ganz sicher nicht, aber dies ist ja nicht neu. Die Bundesliga hat ihren eigenen Charme und ihre eigenen Stärken. Dazu zählen komfortable Stadien, viele interessante Spieler aus den eigenen Reihen und insbesondere die Fangemeinde, die zu immer noch akzeptablen Eintrittspreisen und hoffentlich bei bald auch wieder vollständig ausverkauften Spielen eine besondere Atmosphäre schafft. Darauf muss sie weiter setzen und noch ausbauen. Wenn jetzt irgendwann auch mal wieder eine spannende Meisterschaftsentscheidung dazu käme…
Interview: Philipp Kessler *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA
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