Hawkins: Die Atmosphäre war gigantisch. Es war mein erstes Wochenende an einer Formel-1-Strecke, aber ich konnte direkt spüren, wie hart alle für den Erfolg arbeiten. Deshalb ist so ein Triumph dann auch extrem wichtig für die Moral einer ganzen Mannschaft.
Wie ist Vettel so als Typ?
Hawkins: Er ist ein sehr leidenschaftlicher Kerl. Man spürt, wie sehr er den Erfolg will. Er hat einen großen Einfluss aufs Team und ist sehr proaktiv, fordernd. Bei den Track Walks ist er sehr fokussiert - da merkt man, warum er viermaliger Weltmeister ist. Für mich ist es großartig, von jemandem wie ihm lernen zu können. Abgesehen davon ist er so ein netter, warmherziger Mensch. Er hat sich sehr für meine Karriere interessiert. Das ist schockierend, denn er hat eine Million Dinge auf dem Schirm, hat sich aber trotzdem mit mir beschäftigt. Das ist nicht selbstverständlich in der Formel 1.
Wer waren Ihre Helden als Kind?
Hawkins: Das waren Vettel, Alonso und Schumacher. Es ist verrückt, dass Sebastian jetzt mein Kollege ist. Aber ich habe hart dafür gearbeitet, in diese Position zu kommen.
Wie sind Sie zum Motorsport gekommen?
Hawkins: Ich habe mit meinem Dad Golf gespielt, da war eine Kartbahn auf dem Gelände. Ich war damals noch zu klein, um zu fahren. Aber sechs Monate später - ich war nicht viel größer - hatten sie kleinere Karts und es gab kein Halten mehr. Fast 20 Jahre später sitze ich nun hier und habe daraus eine Karriere aufgebaut. Das war nicht geplant, aber ich habe mich in Motorsport verliebt.
Was für ein Mädchen immer noch als eher ungewöhnlich gilt…
Hawkins: Mir war das damals gar nicht bewusst. Ich wollte nur schnell fahren. Und wenn wir Rennfahrer unseren Helm aufziehen, ist nicht mehr zu erkennen, ob man eine Frau ist oder ein Mann. Ich hatte jedenfalls nie das Gefühl, dass ich wegen meines Geschlechts Nachteile habe.
Dank der W-Series sind Sie jetzt zurück im aktiven Motorsport.
Hawkins: Stimmt. Es ist ja kein Geheimnis, dass Motorsport extrem teuer ist. Ich komme aus keinem wohlhabenden Elternhaus. Die W-Series ist meine zweite Chance im Motorsport. Sie geben vielen Frauen die Möglichkeit, Rennen zu fahren, die sie ohne die W-Series nicht hätten.
Trotzdem gibt es andere Meinungen wie die von Sophia Flörsch, die sagt: Frauen werden in der W-Series dazu verdonnert, nur gegeneinander zu fahren.
Hawkins: Ich verstehe, was sie meint. Aber sie ist in einer privilegierten Position, in der sie sich diese Sichtweise leisten kann. Ich habe diesen Luxus nicht. Deshalb bin ich der W-Series sehr dankbar für die Möglichkeit. Ich schätze ihre Meinung, aber wenn sie in meiner Position wäre, würde sie die Vorteile ebenfalls erkennen. Wenn sie kein Fan ist, werde ich sie nicht versuchen vom Gegenteil zu überzeugen. Aber meine 20 Kolleginnen und ich genießen die Serie.
Träumen Sie noch von der F1?
Hawkins: Ja, sag niemals nie - das ist mein Motto.
Interview: Ralf Bach
Die 22 Rennen der Formel-1-Saison 2021 werden live im TV und im Live-Stream übertragen - ein paar sogar im Free-TV. Hier gibt es alle Sendetermine und den Rennkalender.