Vettel vor Abschied aus der Formel 1? Rennfahrer-Legende lockt mit IndyCar-Serie

Für Sebastian Vettel ist die Formel 1 derzeit nicht vergnügungssteuerpflichtig. Das liegt nicht nur an seinem Aston Martin. Geht ein in Miami geäußerter Wunsch in Erfüllung?
München - Die Formel 1 geht jetzt in die Vollen. Bis Ende Juli stehen für den Rennzirkus vier Back-to-back-Rennwochenenden an, also jeweils zwei aufeinanderfolgende Grands Prix binnen sieben Tagen. Klar, die Königsklasse des Motorsports expandiert, mit 23 WM-Läufen umfasste der Kalender bis zum Aus für Russland wegen des Ukraine-Kriegs so viele Rennen wie nie zuvor.
Da bleibt Fahrern und Teams nicht viel Zeit, wenn nur jedes dritte Wochenende frei ist. Gerade mit der jüngsten F1-Premiere in Miami wollten die neuen Vermarkter ihrem Vollgas-Produkt noch mehr Glanz und Glamour verleihen. Das Spektakel steht im Vordergrund. Es geht um Bilder und Emotionen. Auf temporären Kursen. Der Motorsport kommt da manchmal zu kurz.
Vettel in der Formel 1: Aston-Martin-Pilot träumt von Rennen auf der Road America
Sebastian Vettel, mit 34 Jahren einer der Routiniers im Fahrerfeld, konnte dem Kurs rund um das Stadion des NFL-Teams Miami Dolphins denn auch nicht viel abgewinnen. Kein Wunder: Die Strecke bot kaum Überholmöglichkeiten. Auslaufzonen waren einmal mehr Mangelware, Safety-Car-Phasen nach Unfällen vorprogrammiert. Alles andere als Racing pur also.
Der viermalige Weltmeister erklärte während seines Aufenthalts unter der Sonne Floridas daher auch, er würde lieber auf klassischen Strecken unterwegs sein. Als Beispiel nannte der Heppenheimer die Road America in Elkhart Lake, ganz im Norden der USA unweit des Michigansees gelegen. Ein 1955 eröffneter Kurs, der schnelle und langsame Kurven sowie lange Geraden geschickt kombiniert.
Vettel auf der Road America: IndyCar-Pilot bietet Test an - Vater und Rennfahrerlegende reagiert
Vettels Wunsch verhallte keineswegs ungehört. Denn der in der US-Rennserie IndyCar Series gut vernetzte Blogger Matt Archuleta griff die Aussage auf. Dessen Tweet wurde zur Vorlage für Graham Rahal, der seit 2008 Boliden in der IndyCar Series pilotiert. Er schrieb: „Ich verdoppele es gleich und sage: Seb, wenn du jemals ein IndyCar auf der Road America testen willst, werden wir es möglich machen. Es wäre uns eine Ehre, dich in unserem Auto zu haben.“
Damit aber nicht genug, denn der 33-Jährige brachte auch seinen Vater Bobby Rahal ins Spiel. Der ist in den USA eine Rennfahrerlegende, gewann dreimal die IndyCar-Meisterschaft und triumphierte 1986 beim prestigeträchtigen Indy500. Längst fungiert der 69-Jährige als Miteigentümer des Teams Rahal Letterman Lanigan Racing. In Richtung Vettel schrieb er: „Seb, wenn du möchtest, haben wir einen Deal.“ Das war wiederum das erneute Signal für Graham Rahal, er twitterte: „Oh Junge, Bob hat gesprochen. Lasst uns loslegen.“
Video: Vettel und Schumacher äußern sich zum Unfall in Miami
Vettel-Test im IndyCar? Hülkenberg durfte schon im Jahr 2021 und sagte dann ab
Auf diese positive Reaktion angesprochen, hielt sich Vettel die Option offen: „Ich muss mir das ansehen. Aber es ist eine großartige Strecke, also schauen wir mal.“ Der in der Schweiz lebende Hesse muss sich allerdings sicher noch in Geduld üben. Denn Bobby Rahal sagte Motorsport.com: „Wir haben im Moment keine Möglichkeiten, aber warum nicht?“ Für ihn gibt es „keinen besseren Ort als Road America, um IndyCar zu präsentieren, und man kann Road America nicht besser präsentieren als in einem IndyCar“.
Zugleich fragt der Bobby Rahal sich, ob ein so erfolgreicher Formel-1-Fahrer wirklich in die IndyCar Series wechseln würde. Zwar gingen schon zahlreiche Rennfahrer diesen Weg, aber schon lange kein Weltmeister mehr. Im vergangenen Jahr hatte erst Nico Hülkenberg, Ersatzfahrer von Aston Martin und zu Saisonbeginn zweimal für Vettel eingesprungen, trotz eines erfolgreichen Tests eine Zukunft in den USA abgelehnt.
Vettel-Wechsel in IndyCar Series als Option? Rahal bringt zusätzliches Auto ins Spiel
Bobby Rahal betonte nun zumindest: „Vettel ist erst Mitte 30, er hat also noch viele Jahre Zeit, um andere Rennsportarten auszuprobieren.“ Zugleich rollte er den Roten Teppich aus: „Aber wenn sich die Gelegenheit ergeben würde, jemanden wie Seb für einige Rennen in ein zusätzliches Auto zu setzen, würden wir das sicherlich in Betracht ziehen.“
Vettel müsste die Avancen also offenbar nur noch erwidern. Immerhin hatte er zuletzt durchscheinen lassen, dass das aktuelle Leistungsvermögen seines Fahrzeugs in der Formel 1 ihm nicht gerade die pure Freude verschafft. Vier Punkte stehen nach drei Renneinsätzen auf seinem Konto, in der Konstrukteurswertung rangiert Aston Martin auf Position zehn von elf Teams. Es scheint sich zu bewahrheiten, dass der Rennstall der Traditionsmarke unter dem neuen Reglement einen Rückschritt gemacht hat.

Vettel über seine Zukunft: „Bin nicht hier, um außerhalb der Top 10 zu landen“
Im Gespräch mit der Agence France Press (afp) sagte er vor dem enttäuschenden Miami-Wochenende auch hinsichtlich eines Karriereendes: „Ich habe noch keine Entscheidung über meine Zukunft getroffen, aber ich wurde verwöhnt, weil ich einst an der Spitze gefahren bin und weiß, dass sich das großartig anfühlt.“ Und um es noch klarer auszudrücken: „Als ich angefangen habe, hatte ich noch nichts dagegen, aber außerhalb der Top 10 zu landen ist nicht das, wofür ich hier bin. Ich will gewinnen.“
Unabhängig von der Streckencharakteristik nur hinterherzufahren ist also auf keinen Fall nach dem Geschmack eines einstigen Serien-Champions, der nach einem durchwachsenen Jahr 2021 auf einen Neuanfang unter neuen Vorzeichen gesetzt hatte. Erst beim Grand Prix in Imola hatte Vettel in der ARD klargestellt: „Es muss natürlich erkennbar sein, dass es in die richtige Richtung geht. Es sollte spürbar sein, dass das Auto sich verbessert und dass ich auch sehe, dass das Team vorankommt.“
Vettel wieder in den USA: Im Oktober gastiert Formel 1 in Texas
Sein Vertrag mit Aston Martin endet nach dieser Saison. Schon gibt es Gerüchte, mit Fernando Alonso könnte ihn ein anderer ehemaliger Weltmeister ablösen - auch wenn der Spanier aktuell mit Alpine deutlich bessere Aussichten auf Punkte hat, dort jedoch womöglich ab 2023 dem jungen Oscar Piastri den Vortitt lassen muss. Vettel würden dann die Optionen in der Königsklasse wohl ausgehen. Womit ein Abstecher in die IndyCar Series durchaus an Reiz gewinnen könnte.
Auch wenn sich ein zeitnaher Test schwierig gestaltet - angesichts des prallen Rennkalenders. Immerhin: Ende Oktober macht die Formel 1 wieder in den USA Station. Diesmal im texanischen Austin, auf dem Circuit of the Americas. Es ist der Auftakt eines Back-to-back-Wochenendes. (mg)