Weltmeister! Vettel nach irrem Rennen am Ziel

Sao Paulo - Nach einem unfassbar spannenden Rennen in Sao Paulo ist Sebastian Vettel am Ziel: Der Heppenheimer ist zum dritten Mal Weltmeister.
Nachdem er in einer an Dramatik kaum zu überbietenden Nervenschlacht den Titel-Hattrick vollendet hatte, kletterte Sebastian Vettel völlig entkräftet aus seinem Auto. Als erster Gratulant des nun dreimaligen Formel-1-Weltmeisters eilte Rekordchampion Michael Schumacher herbei, anschließend hätte Teamchef Christian Horner seinen Champion vor Freude beinahe erdrückt. Dann joggte der Hesse, der nicht aufs Podium musste, zu den brasilianischen Fans und genoss das Bad in der Menge.
Red-Bull-Pilot Vettel reichte beim verrückten Saisonfinale in Brasilien mit einem Unfall direkt nach dem Start, vier Boxenstopps und einer Zieleinfahrt hinter dem Safety Car ein sechster Platz, um von 13 mitgebrachten Punkten drei Zähler Vorsprung ins Ziel zu retten.
„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, sagte Vettel nach der emotionalen Achterbahnfahrt: „Es war ein verrücktes Rennen. Mehr Steine hätte man uns nicht in den Weg legen können. Ich möchte jetzt gar nicht so viel rumschwätzen, rumbabbeln. Vielen Dank und liebe Grüße in die Heimat. Danke fürs Daumendrücken.“
Für den einen oder anderen Spruch war Vettel durchaus gut: "Verrückter kann man es nicht gestalten", sagte er über das Rennen. "Es mir leid, wenn der eine oder andere von der Couch gefallen ist, aber im Auto war es genauso spannend", so Vettel weiter. Zu den Versuchen von Ferrari, ihn in den letzten Rennen noch abzufangen, sagte er: „Ich gewisser Weise bin ich so erzogen worden: Lügen haben kurze Beine und Ehrlichkeit währt am längsten.“
Seinem WM-Rivalen Fernando Alonso (Ferrari) genügte der zweite Platz im Reifenpoker bei ständig wechselnden Witterungsbedingungen mit starkem Regen zum Schluss nicht, er schaute nach dem Zieleinlauf gedankenverloren unter seinem Helm ins Nichts. „Sebastian, du bist Dreifach-Weltmeister, Du bist der Beste“, rief das Team dem alten und neuen Champion via Boxenfunk zu, der Red-Bull-Box fielen sich alle Crewmitglieder erleichtert in die Arme.
Vettel zum 3. Mal Weltmeister: Das Rennen, der Jubel
„Gratulation dem Seb, der den Kopf nicht hängen hat lassen, obwohl er schon in der ersten Runde verkehrt herum vor mir stand“, sagte Schumacher: „Er ist ein Kumpel von mir, ich freue mich für ihn.“ Alonso war dagegen mit einigen Minuten Abstand gefasst. „Ich bin stolz, auch wenn wir die WM verloren“, sagte er: „Aber wir haben den Titel nicht hier verloren, sondern in manchen Rennen vorher, wo wir etwas Pech haben.“
In einem der dramatischsten Rennen aller Zeiten war der virtuelle Weltmeister mehrfach zwischen Vettel und Alonso hin und her gewechselt. Vor Vettel hatten nur der legendäre Juan Manuel Fangio (1954-57) und Schumacher (2000-04), der am Sonntag mit einem mehr als versöhnlichen siebten Platz zum zweiten Mal und diesmal endgültig seine Karriere beendete, mindestens drei Mal in Folge den Titel geholt.
„Ich sage nichts mehr“, sagte derweil der dreimalige Weltmeister Niki Lauda, der als RTL-Experte so fertig schien, als habe er selbst im Auto gesessen: „So ein Rennen habe ich noch nie erlebt, so etwas hat es noch nie gegeben. Man kann Sebastian nur gratulieren, es war sicher die härteste Fahrt, um einen Titel zu holen.“
Vettel, dem ein neuer gold-silbernen Glückshelm und ein Trikot seines Lieblings-Fußballvereins Eintracht Frankfurt von Torjäger Alex Meier als Glücksbringer dienten, ist zudem nicht nur der jüngste dreimalige Weltmeister überhaupt, er ist bei seinem dritten Triumph mit 25 Jahren und 4 Monaten nun sogar jünger als Schumacher bei seinem ersten von sieben Titeln im Jahr 1994 (25 Jahre, 10 Monate).
Der künftige Sauber-Pilot Nico Hülkenberg überraschte beim Sieg des Briten Jenson Button (McLaren) in seinem letzten Rennen für Force India mit Platz fünf und krönte mit 30 Führungsrunden seine tolle Saison. Nico Rosberg belegte im Mercedes Rang 15, Marussia-Pilot Timo Glock wurde 16.. Rekordchampion Schumacher wurde würdig verabschiedet und erhält sogar das Auto aus dem letzten Rennen als Geschenk von Mercedes.
Seinen Triumph feierte Vettel am Sonntagabend im Club Villa Mix in Sao Paulo mit seinem gesamten Team. Nachdem er in der Vorwoche mit Red Bull auch schon zum dritten Mal in Serie die Teamwertung gewonnen hatte, hatte Vettel auch 100 Minuten vor dem Start schon seinen ersten individuellen Pokal bekommen. Ein Sponsor ehrte ihn für die meisten schnellsten Rennrunden in diesem Jahr. Nach 6 Bestzeiten in den vorherigen 19 Rennen war er in dieser Kategorie schon vor dem letzten Lauf nicht mehr zu verdrängen. Im Vorjahr hatte diesen noch Teamkollege Mark Webber für insgesamt sieben schnellste Runden erhalten.
Vor dem Start wirkte Vettel angespannt, aber konzentriert. Er tigerte um sein Auto herum, zupfte sich immer wieder den Rennanzug zurecht und zog akribisch die Klebestreifen an seinem nagelneuen Helm zurecht. Nachdem er schon einen schlechten Start gehabt hatte, wurde der Titelverteidiger in der dritten Kurve in eine Kollision mit Bruno Senna verwickelt und drehte sich. Das Rennen nahm er wieder auf, allerdings meldete er per Funk einen Schaden am Auto.
Alonso erobert mit einem sensationellen Manöver auf der Zielgerade am Ende der ersten Runde Rang drei - damit wäre er zu diesem Zeitpunkt Weltmeister gewesen. Vettel startete hinten tapfer die Aufholjagd und war nach neun Runden Sechster. Zwischendurch war Alonso gleich zwei Mal von der Strecke abgekommen und hatte den wichtigen dritten Platz verloren. Vettel war virtuell wieder vorne.
Derweil fuhr Hülkenberg vorne ein grandioses Rennen. Nach 18 Runden überholte er den bis dahin führenden Button. Am Ort seiner Sensations-Pole vor zwei Jahren führte er plötzlich das Rennen an. Alonso legte in der 19. Runde mit dem zweiten Reifenwechsel vor, wodurch Vettel erstmals seit dem Start wieder vor ihm lag. Der Hesse wurde jedoch eine Runde später von seinem Team in die Box gerufen und wechselte ebenfalls. Wieder lagen die Rivalen auf den Plätzen vier und fünf.
Vettels Triumph-Rennen: So fieberten die Heppenheimer mit
In Runde 23 wurde plötzlich für sieben Runden das Safety-Car auf die Strecke beordert, es lagen doch zu viele Teile auf der Strecke. Nach dem Neustart hatte Vettel zu kämpfen und ließ sich auf keine gefährlichen Zweikämpfe ein. So war er bald Siebter, Alonso blieb Vierter. Ein Rutscher in Runde 48 bedeutete das Ende von Hülkenbergs Führung, Hamilton zog vorbei. Nach „Hülks“ Konter kollidierten die beiden, Hamilton schied aus, der Deutsche erhielt eine Durchfahrtsstrafe.
Vettel holte 18 Runden vor Schluss weichere Reifen und beging einen großen Fehler. Drei Runden später holte er Intermediates und überraschte damit das Team, das die Reifen erst auspacken musste. Alonso war zwischenzeitlich Dritter und wieder virtuell vorne, holte dann aber selbst frische Reifen. Derweil arbeitete sich Vettel wieder heran - und dann wurde der Regen immer stärker.
Neun Runden vor Ende vollzog Ferrari den internen Platztausch, Vettel blieb nun noch ein einziger Punkt Vorsprung - zwei mehr verschaffte ihm das Überholmanöver gegen Schumacher. Eine Runde vor dem geplanten Ende verursachte Paul di Resta im Force India noch eine Safety-Car-Phase, dann endlich war Schluss.
Sebastian Vettel - Seine außergewöhnliche Karriere in Bildern
Merkel gratuliert
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dem alten und neuen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel zu seiner beeindruckenden Leistung gratuliert. „Wie so oft in dieser Saison hat er in Sao Paulo fabelhafte Nervenstärke und fahrerisches Können bewiesen“, erklärte Merkel am Sonntagabend in Berlin. „Mich hat es genau wie Millionen Fans begeistert, wie er sich nach schwierigem Start in die Saison in diese Weltmeisterschaft zurückgekämpft hat.“
Mit dem dritten WM-Titel habe er sich mit erst 25 Jahren seinen Platz in der Geschichte dieses Sports gesichert. „Ich wünsche Sebastian Vettel und seinem Team erst einmal die verdiente große Siegesfeier und für die Zukunft noch viele Erfolge“, so Merkel. Vettel war nach einem dramatischen Rennen in Sao Paulo Sechster geworden. Dies reichte, um knapp vor dem Spanier Fernando Alonso seinen dritten WM-Titel in Folge zu gewinnen.
Vettel von A bis Z: Seine Lieblingsband, sein Markenzeichen und mehr
Formel 1 in Zahlen
Grand Prix von Brasilien, in São Paulo (71 Runden à 4,309 km/305,909 km): 1. Jenson Button (England) McLaren Mercedes 1:45:22,656 Std. (Schnitt: 174,179 km/h); 2. Fernando Alonso (Spanien) Ferrari + 0:02,754 Min.; 3. Felipe Massa (Brasilien) Ferrari + 0:03,615; 4. Mark Webber (Australien) Red Bull + 0:04,936; 5. Nico Hülkenberg (Emmerich) Force India + 0:05,708; 6. Sebastian Vettel (Heppenheim) Red Bull + 0:09,453; 7. Michael Schumacher (Kerpen) Mercedes + 0:11,900; 8. Jean-Eric Vergne (Frankreich) Toro Rosso + 0:28,653; 9. Kamui Kobayashi (Japan) Sauber + 0:31,250; 10. Kimi Räikkönen (Finnland) Lotus + 1 Runde; 11. Witali Petrow (Russland) Caterham + 1 Runde; 12. Charles Pic (Frankreich) Marussia + 1 Runde; 13. Daniel Ricciardo (Australien) Toro Rosso + 1 Runde; 14. Heikki Kovalainen (Finnland) Caterham + 1 Runde; 15. Nico Rosberg (Wiesbaden) Mercedes + 1 Runde; 16. Timo Glock (Wersau) Marussia + 1 Runde; 17. Pedro de la Rosa (Spanien) HRT + 2 Runden; 18. Narain Karthikeyan (Indien) HRT + 2 Runden; 19. Paul di Resta (Schottland) Force India + 3 Runden
Ausfälle: Sergio Perez (Mexiko) Sauber (1. Runde); Bruno Senna (Brasilien) Williams (1. Runde); Pastor Maldonado (Venezuela) Williams (2. Runde); Romain Grosjean (Frankreich) Lotus (6. Runde); Lewis Hamilton (England) McLaren Mercedes (55. Runde)
Schnellste Rennrunde: Lewis Hamilton (McLaren Mercedes) 1:18,069 Min. Pole Position: Lewis Hamilton (McLaren Mercedes) 1:12,458 Min.
Fahrer-Wertung, Endstand nach 20 Rennen:
1. Sebastian Vettel 281
2. Fernando Alonso 278
3. Kimi Räikkönen 207
4. Lewis Hamilton 190
5. Jenson Button 188
6. Mark Webber 179
7. Felipe Massa 122
8. Romain Grosjean 96
9. Nico Rosberg 93
10. Sergio Perez 66
11. Nico Hülkenberg 63
12. Kamui Kobayashi 60
13. Michael Schumacher 49
14. Paul di Resta 46
15. Pastor Maldonado 45
16. Bruno Senna 31
17. Jean-Eric Vergne 16
18. Daniel Ricciardo 10
Team-Wertung, Endstand nach 20 Rennen:
1. Red Bull 460
2. Ferrari 400
3. McLaren Mercedes 378
4. Lotus 303
5. Mercedes 142
6. Sauber 126
7. Force India 109
8. Williams 76
9. Toro Rosso 26
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sid/dpa