Italien-Fans mit Spaghetti beworfen
Berlin - Hunderttausende Fans litten beim Public Viewing mit der deutschen Nationalmannschaft. Statt in einer großen Party endete das „Rudelgucken“ in einem Tränenmeer. Ein paar Chaoten ließen ihren Frust in Gewaltaktionen aus.
Das Ende der schwarz-rot-goldenen Party und der Anblick jubelnder Tifosi waren für manche Unbelehrbare offenbar zu viel. In einigen deutschen Städten kam es nach dem verlorenen EM-Halbfinale gegen Italien zu Ausschreitungen, in Wuppertal bewarfen Chaoten feiernde Azzurri-Anhänger sogar mit Spaghetti und beleidigten sie mit ausländerfeindlichen Parolen. Die meisten Anhänger aber betrauerten das abrupte Ende der großen Sause fassungslos und in aller Stille. Beim Public Viewing in den Biergärten, Eckkneipen und auf den Fanfesten suchten sie Trost an der Schulter eines Leidensgenossen.
„Die Fans tun mir leid, denn sie haben wie immer eine super Party gefeiert. Sie hätten es verdient gehabt, dass ihnen Jogi Löw und seine Jungs endlich mal einen Pokal präsentieren“, sagte Anja Marx, Veranstaltersprecherin von Deutschlands größtem Fanfest auf der Straße des 17. Juni in Berlin. Dass die Nationalmannschaft nun nicht am Montag in die Hauptstadt reist, um sich für die Unterstützung zu bedanken, findet Marx „natürlich sehr schade“.
"Italien-Fluch" bleibt bestehen - Bilder und Noten zum Spiel
Allein auf der Fanmeile zwischen dem Brandenburger Tor und der Siegessäule hatten sich am Donnerstagabend mehrere Hunderttausend Anhänger in schwarz-rot-goldenen Fanutensilien und in euphorischer Stimmung versammelt. Nach dem K.o. verschwanden die Sachen für zwei Jahre wieder im Schrank, den Frust konnten die Anhänger aber nicht so schnell ablegen. „Ich bin ein emotionaler Trümmerhaufen“, sagte Marco aus Weißensee.
Auch in anderen Städten wurde aus dem „Rudelfeiern“ ein „Rudeltrauern“. Auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg harrten die meisten der 65.000 Fans bis zum bitteren Ende aus, um vielleicht doch noch ein Happy End zu erleben. Nach dem Abpfiff stürmten 20. 000 von ihnen die Reeperbahn, um sich dort von der Niederlage abzulenken. „Wir mussten die Reeperbahn für 70 Minuten sperren“, sagte Polizeisprecher Andreas Schöpflin: „Aber es war alles ruhig und friedlich.“
Das konnte man leider nicht von allen Orten sagen. In Wuppertal wäre die Situation beinahe eskaliert, als sich auf einer Kreuzung etwa 800 deutsche und 600 italienische Fans begegneten. Die Polizei konnte durch Fahrzeugsperren und den Einsatz von Pfefferspray verhindern, dass sich die Gruppen in großer Zahl attackierten. Dennoch gab es in Wuppertal 13 Verletzte, 27 Personen wurden vorübergehend festgenommen.
In der Autostadt Wolfsburg, wo prozentual gerechnet deutschlandweit die meisten Italiener leben, kam es ebenfalls zu Auseinandersetzungen. So hätten Deutsche versucht, einen Autokorso von etwa 700 Italienern gewaltsam zu stoppen, teilte Polizeisprecher Thomas Figge mit. Er sprach von einer „teilweise chaotischen Situation“.
Auch auf der Berliner Fanmeile benahmen sich einige Fans daneben. Insgesamt wurden dort 17 Menschen festgenommen und 99 Strafanzeigen gestellt, 29 davon wegen Körperverletzung. In Stuttgart brannte ein 21-Jähriger Leuchtfeuer in einem Cafe ab, dabei wurde eine 29-Jährige leicht verletzt. In München wurden allein 18 Personen beim Fanfest auf der Leopoldstraße in Gewahrsam genommen. „Das waren die üblichen Reibereien, die passieren, wenn 20.000 Menschen zusammenhocken“, sagte ein Sprecher.
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