„Auf den DFB lässt sich trefflich einprügeln“: Schatzmeister Osnabrügge über Präsidentensuche

DFB-Schatzmeister Stephan Osnabrügge spricht vor der anstehenden Präsidentenwahl im Verband über die Suche, die Urwahl und den Grundlagenvertrag.
München - Am kommenden Wochenende treffen sich in Hamburg die Präsidenten der 21 Landersverbände des Deutschen Fußball-Bundes zu wegweisenden Sitzungen. Es geht darum, die Kandidatenliste für die Wahl zum neuen DFB-Präsidenten (oder einer Präsidentin) zu sichten und lichten. Auch ein neuer Schatzmeister muss gefunden werden. Der aktuelle Finanzchef Stephan Osnabrügge, 50, Arbeitsrechtler mit Kanzlei in Bonn, erklärt, was im Verband gerade vor sich geht.
Herr Osnabrügge, Sie galten intern als kompetenter Kandidat für das Präsidentenamt im DFB. Nun wollen Sie sich den Verband aber nicht mehr antun. Wer dann? Jemand, der sich gerne selber quält?
Interessanter Ansatz (lacht). Aber ernsthaft: Der DFB ist ein großartiger Verband mit Wirkmacht und vielen hoch motivierten Menschen. Es ist keine Last, sondern eine Ehre, ihn zu führen.
Aber nicht für Sie?
Ich selber war an der missglückten Auswahl des letzten Präsidenten beteiligt und bin in den nachfolgenden Auseinandersetzungen zwischen die Fronten geraten, weil ich Wert darauf gelegt habe, dass man so nicht mit Menschen umgehen darf, wie dies geschah. Hierfür übernehme ich Verantwortung.
Der SPD-Politiker und Chef des Fußball-Verbandes Mittelrhein, Bernd Neuendorf, gilt jetzt als Favorit. Kann er DFB-Präsident?
Ich schätze Bernd Neuendorf persönlich außerordentlich aufgrund seiner hohen sozialen Kompetenz, seiner ruhigen, analytischen Art und seiner Führungskraft. Zudem hat er als Staatssekretär viel Erfahrung im Umgang mit der Führung großer Häuser. Für mich wäre er ein absolut denkbarer Kandidat.
Die letzten vier Präsidenten Zwanziger, Niersbach, Grindel und Keller sind allesamt zurückgetreten. Der DFB schafft seine Präsidenten, einen nach dem anderen. Warum?
Reinhard Grindel hat eigenverantwortlich aus einem Compliance-Vorfall die richtigen Konsequenzen gezogen. Fritz Keller war nicht bereit, die Rolle zu übernehmen, die sich aus der aktuellen Satzung für den Präsidenten ergibt und auf die wir alle – einschließlich Fritz – uns geeinigt hatten.
Was muss ein neues DFB-Oberhaupt können?
Vor allem den Verband verstehen, auch wenn man dazu ganz sicher nicht 50 Jahre Verbandserfahrung haben muss. Er oder sie muss das berechtigte Vertrauen darauf haben, dass unser Hauptamt professionell und engagiert arbeitet. Er oder sie muss zum Verband stehen und sich vor den Verband stellen. Und er oder sie muss bereit sein, als Präsident dem Amt zu dienen und nicht dem eigenen Ego.
Der letzte Präsident Fritz Keller wurde unter Zuhilfenahme einer teuren Unternehmensberatung gefunden. Läuft das jetzt wieder so?
Auf den Prozess hatten wir uns damals im Präsidium verständigt. Niemand in diesem Verfahren, weder die Personalagentur selber noch die Vertreter der Deutschen Fußball Liga und auch wir vom DFB haben dabei erkannt, dass die Erwartung Fritz Kellers offensichtlich nicht zur Realität und zum Verband passte. Der Weg war wenig erfolgreich, deshalb habe ich noch niemanden gehört, der gesagt hätte, dass wir ihn wiederholen sollten.
Die Übergangschefs Rainer Koch und Peter Peters sind sich spinnefeind. Die Außenwirkung und die nach innen hin zu den frustrierten Mitarbeitern ist fatal. Stimmen Sie zu?
Ich kann Ihre Beobachtung nicht bestätigen. Weder, was das Verhältnis von Koch und Peters angeht, noch bezogen auf die angeblich „frustrierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Medienberichte, vielleicht gefüttert aus persönlichen Interessen, machen keine Realität.
Was ist die Realität?
Ob Sie es glauben oder nicht: Wir arbeiten unaufgeregt und sachorientiert. Dass Sachfragen auch einmal kontrovers diskutiert werden, ist nicht negativ oder fatal, sondern aus meiner Sicht positiv.
Peter Peters würde gerne DFB-Präsident werden. Halten Sie ihn für geeignet?
Ich habe von ihm noch nicht gehört, dass er DFB-Präsident werden möchte. Ungeachtet dessen bin ich der Auffassung, dass der- oder diejenige, der oder die Präsident oder Präsidentin wird, Vertrauen aus dem Amateurlager haben muss. Ansonsten wäre der Start erheblich beeinträchtigt.
Aus Berliner Clubs kommt der Vorschlag, den Präsidenten oder die Präsidentin durch Urwahl aller sieben Millionen Mitglieder zu finden und Hinterzimmerabsprachen zu vermeiden. Was spricht denn dagegen?
Unsere Satzung sieht eine solche Direktwahl nicht vor. Das hat nichts mit Hinterzimmerabsprachen zu tun. Mitglieder des DFB sind die 21 Landesverbände und fünf Regionalverbände, die ihrerseits mit Delegierten vertreten sind, unter anderem aus den rund 24 300 Vereinen.
Es hat sich eine verbandskritische Frauengruppe mit Ex-HSV-Vorstand Katja Kraus an der Spitze formiert, die in der Initiative „Fußball kann mehr“ für Reformen und mehr weibliche Beteiligung eintritt. Was halten Sie davon?
Ich bin ein großer Freund von mehr weiblicher Beteiligung. Es wäre absolut wünschenswert, die Repräsentanz von Frauen im Fußball deutlich zu stärken, auch deutlich über das Verhältnis von aktiven weiblichen zu aktiven männlichen Fußballern hinaus, das in etwa eins zu zehn beträgt. Der DFB arbeitet hieran seit mehreren Jahren insbesondere durch seine Leadership-Programme, die jetzt schon Wirkung zeigen. Wir reden allerdings über das Amt des Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes.
Zu groß für eine Frau?
Für dieses Amt darf ausschließlich Kompetenz entscheidend sind, nicht Geschlecht. Denn ein Geschlecht alleine vermittelt keine Kompetenz. Mich macht es sehr nachdenklich, wenn jemand von außen kommt, den Verband nicht kennt, keine Anbindung an die Strukturen hat, aber meint, das Präsidentenamt sei gerade gut genug.
Können Sie sich eine Doppelspitze aus Mann und Frau vorstellen?
Unsere Satzung sieht eine solche Doppelspitze nicht vor.
Die gab es aber schon zwischen 2004 und 2006 mit Gerhard Mayer-Vorfelder und Theo Zwanziger. Bitte nicht immer nur hinter der Satzung verstecken.
Ich sehe in einer Doppelspitze, für die wie damals auch noch die Satzung geändert werden müsste, keinen Mehrwert.
Wie geht es dem Verband finanziell?
Der DFB hat im Jahre 2020 einen Überschuss nach Steuern von rund zwei Millionen Euro erwirtschaften können, und zwar trotz erheblicher coronabedingter Auswirkungen. Und trotz der Tatsache, dass wir unsere Landesverbände in diesen schweren Zeiten statt mit zwölf Millionen Euro im Jahre 2020 mit 15,5 Millionen Euro unterstützt haben. Der Überschuss fließt fast vollständig in die Fluthilfe für unsere betroffenen Vereine. Dem ganzen Haus ist es in den letzten Jahren gelungen, die Finanzen zu stabilisieren. Dies ist vor allem auch das Ergebnis zurückhaltenden Haushaltens.
Es wurde immer wieder kritisiert, der DFB gebe zu viel Geld für Lustreisen der Funktionäre aus, auch der aus den Landesverbänden, um die bei Laune zu halten.
Es gibt keine Lustreisen. Die Compliance-Richtlinien, die wir haben, sind die striktesten, die ich kenne. Es gibt heute noch nicht einmal mehr Jahresabschlussveranstaltungen, mit denen man Menschen, die sich wieder ein Jahr engagiert haben, ein Stück weit Respekt für ihr Engagement signalisiert. Das ist schon merkwürdig: Intern muss ich mich der Kritik erwehren, dass wir nicht mehr mit Augenmaß „danke“ sagen dürfen, extern wird von „Lustreisen“ fantasiert.
Der höchst umstrittene Grundlagenvertrag mit der DFL endet 2023, muss neu verhandelt werden. Amateurvertreter beklagen, dass statt jährlich sechs Millionen Euro von der Bundesliga bis zu 60 Millionen Euro pro Jahr von oben nach unten an die Basis fließen müssten.
Vollkommen richtig ist: Der Profifußball hat eine klare Verantwortung für die Amateurbasis. Und er hat auch ein Eigeninteresse. Denn an der Amateurbasis wird die wertvolle Nachwuchsarbeit erbracht, von der alle profitieren. Die Summen, die im aktuellen Grundlagenvertrag noch stehen, müssen selbstverständlich neu verhandelt werden. Ich teile jedenfalls nicht die von einem DFL-Vertreter öffentlich geäußerte Ansicht, wonach „das Fass leer ist“.
Das Verhältnis DFB/DFL ist nahe am Nullpunkt. Im Grunde ist es ein Trümmerfeld. In der öffentlichen Wahrnehmung ist daran alleine der DFB Schuld. Ärgert Sie das?
Tatsächlich arbeiten wir in der derzeitigen DFB-Spitze einschließlich Peter Peters sehr gut und zielorientiert zusammen. Die öffentliche Wahrnehmung wird aber scheinbar von denen bestimmt, die wegen ihrer persönlichen Bekanntheit gerne zitiert werden und die sich häufig ohne Sachkenntnis hinstellen und Vorurteile bedienen, ohne die Realität wirklich zu kennen. Auf den DFB lässt sich trefflich einprügeln, da bekommt man jedenfalls Zustimmung.
Das Interview führte Jan Christian Müller.