1. tz
  2. Sport
  3. Fußball

Ein Jahr nach Paris: DFB-Team hat Terrornacht verarbeitet

Erstellt:

Kommentare

Serravalle/Paris - Vor einem Jahr wurden die Nationalspieler mit den Terroranschlägen von Paris direkt konfrontiert. Die Nacht voll Angst und Ohnmacht ist aber kein Thema mehr beim Weltmeister.

Im schnelllebigen Profigeschäft sind die Erinnerungen an die hautnah erlebten Terroranschläge von Paris bei den deutschen Nationalspielern wieder verblasst. Während Frankreichs Fußballer bei ihrem WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden am Freitagabend im Stade de France mit den schrecklichen Ereignissen des 13. November 2015 am Anschlagsort konfrontiert wurden, spielt für die Weltmeister-Auswahl die damals als traumatisierend empfundene Nacht in den Katakomben der riesigen Betonschüssel im Vorort Saint-Denis keine Rolle mehr.

„Das liegt sehr weit zurück. Das ist sehr weit weg im Kopf, obwohl es noch nicht so weit in der Vergangenheit ist“, sagte Mats Hummels vor der Partie der DFB-Auswahl in der WM-Qualifikation am Freitagabend in San Marino. Keine einzige Frage zu den Paris-Ereignissen wurde Bundestrainer Joachim Löw bei der Pressekonferenz vor dem Duell mit dem krassen Außenseiter gestellt. Während des deutschen Länderspiels gegen die Équipe Tricolore hatte die Terrorserie mit insgesamt 130 Toten damals durch Selbstmordanschläge vor der Arena begonnen.

Hummels: „Normal, dass man Sachen verdrängt“

Andere Themen, andere Zielsetzungen bestimmen heute den Alltag der Weltmeister. „Das passiert einfach im Fußball so schnell, dass so viel Neues ist. Wir haben so viele Spiele. Ich denke, das ist relativ normal, dass man Sachen zur Seite schiebt und verdrängt“, sagte Hummels. Und auch das Team hat sich verändert. Der Verteidiger des FC Bayern ist einer von nur zehn der damals 25 Akteure, die vor einem Jahr in Paris dabei waren und jetzt zur aktuellen Italien-Reisegruppe des DFB gehören. In Löws Startaufstellung für San Marino wurden nur fünf Spieler erwartet, die auch im Stade de France beim Anpfiff auf dem Platz standen: Neben Hummels noch Sami Khedira, Mario Gomez, Thomas Müller und Jonas Hector.

„Die Bedrohung war an diesem Abend sehr real und nah. Ich bin allerdings nicht der Typ, der sich von solchen Ereignissen verrückt machen lässt, oder den Kopf einzieht. Ich fühle mich sowohl in Deutschland, als auch in London sehr sicher“, erzählte Arsenal-Profi Shkodran Mustafi von seiner Verarbeitung der Ereignisse. Dass diese dem Weltmeisterteam so gut gelang, war in den tristen Novembertagen nicht sofort abzusehen.

DFB-Teampsychologe Hans-Dieter Hermann wurde zu Löws wichtigstem Mitarbeiter. „Erst der Alltag in den Vereinen und die Gespräche zu Hause werden hier helfen“, sagte er, nachdem vier Tage nach dem Paris-Schock auch das Länderspiel in Hannover gegen die Niederlande wegen Terroralarms kurzfristig abgesagt werden musste. Löw und seine Spieler saßen da schon im Bus auf dem Weg zum Stadion.

Rüdiger: „Egal wo ich hingehe, ich muss aufpassen“

Der Alltag war für die Fußballer die beste Therapie. Bereits am folgenden Wochenende wurde in voll besetzten Stadien wieder gespielt. Die routinierten Abläufe gingen einfach weiter. „Ich habe öfter darüber nachgedacht. Vor allem habe ich mir gedacht: Egal, wo ich hingehe, ich muss aufpassen. Das war schon immer so, nach den Vorkommnissen war das natürlich in den Köpfen noch präsenter“, erzählte Antonio Rüdiger.

Die ganze Nacht mussten Löw und die Spieler nach dem längst bedeutungslos gewordenen 0:2 gegen die Équipe Tricolore in den Katakomben der Arena ausharren. Die Lage war unklar. Waren die Weltmeister das Anschlagsziel - oder fühlten sie sich nur als solches? Die Entscheidung, im Stadion zu bleiben, trafen die französischen Sicherheitsleute mit denen des DFB.

„Wir sind alle erschüttert und schockiert“, sagte Löw direkt nach dem Spiel in einem ersten TV-Interview der ARD. Später zog er sich in den im Stadion-Sicherheitsbereich geparkten Teambus zurück, saß dort alleine, scheinbar gedankenverloren. Die sensible Seite des Bundestrainers kam durch. Löw schaut gerne über sportliche Dinge hinaus, sieht seine Spieler mit verschiedenen kulturellen Hintergründen als Botschafter einer pluralistischen Gesellschaft, die an diesem Abend von den Terroristen attackiert wurde.

Am Sonntag, dem Jahrestag des Anschlags, macht der Bundestrainer mit seinen Nationalspielern eine Stadtrundfahrt in Rom. Einen Tag später geht es zur Privataudienz beim Papst. „Das ist für alle toll, egal, welche religiöse Identität einer hat“, sagte Löw. „Für uns geht es darum, uns als Menschen zu entwickeln, eine Gemeinschaft zu entwickeln, dass man sich mit anderen Themen beschäftigt.“

dpa

Auch interessant

Kommentare