Kapstadt - Erst gefeiert, dann gesperrt: Thomas Müller schwimmt bei der WM im Wellenbad der Gefühle. Nach der ersten Enttäuschung kann er über seine Zwangspause im Halbfinale sogar scherzen. Das tz-Interview:
Erst riss Thomas Müller jubelnd die Arme in die Luft, kurz darauf schlug er enttäuscht die Hände vor das Gesicht: Der Bayern-Jungstar ebnete mit seinem vierten WM-Tor den Einzug ins Halbfinale, dann sah der 20-Jährige in der 36. Minute wegen Handspiels die Gelbe Karte und war damit für das Halbfinale gesperrt. Das tz-Interview:
Müller: Klar wusste ich sofort, was los ist. Aber es ging ja dann noch darum, das Spiel zu gewinnen. Und das ist wenigstens gelungen.
War die Verwarnung ungerechtfertigt?
Müller: Ja, es war schon sehr hart, weil mein Arm ja nicht gerade einen Meter vom Körper weggestreckt war. Ich sehe, dass der Ball neben mich springt. Dann gehe ich den Schritt rüber, mit der Hand am Körper angelegt.
Sie wirken relativ gefasst.
Müller: Mei, passiert ist passiert. Ich bin froh, dass wir so eine Leistung abgeliefert haben. So einen Lauf, wie wir jetzt haben, gibt es selten.
Jetzt bleiben Sie zunächst bei vier Treffern – mit der WM-Torjägerkanone wird es schwierig…
Müller: Ja gut, das soll jetzt ruhig der Miro machen, der hat auch vier Treffer. Und ich habe ja noch einige Weltmeisterschaften vor mir.
Philipp Lahm sagt, dass Sie in der Halbzeit aufgebaut werden mussten.
Müller: Natürlich habe ich mich in der Halbzeit darüber geärgert und ein paar Witze gemacht. Aber es musste jetzt keiner zu mir kommen, mich in den Arm nehmen und mich trösten. Ich werde das schon irgendwie packen – ich glaube nicht, dass ich jetzt in ein Loch falle.
Geht es noch besser als am Samstag?
Müller: Wenn man Argentinien 4:0 schlägt, muss man erst mal zufrieden sein. Nach dem Spiel gegen England habe ich gesagt, dass wir nicht noch einmal 4:1 gewinnen werden. Stimmt zwar, aber ich habe mich mit meiner Einschätzung trotzdem getäuscht…
Ist Deutschland jetzt der Top-Favorit auf den Titel?
Müller: Top-Favorit würde ich nicht sagen. Wenn man die individuelle Qualität von Spanien anschaut, oder die Offensive von Holland, müssen wir immer über die Teamleistung kommen. Aber wenn wir das so rüberbringen wie die letzten beiden Spiele sieht es natürlich schon gut aus.
Stichwort Holland: Gab’s mit den Bayern-Kollegen van Bommel und Robben schon Kontakt?
Müller: Ja, die haben uns gratuliert. Wir mussten jetzt natürlich nachziehen, sonst hätten wir uns ein halbes Jahr lang nicht mehr sehen lassen können an der Säbener Straße!
Stimmen Sie sich schon aufs Finale ein?
Müller: Wir wollen auf jeden Fall ins Finale. Und die Holländer? Wollen wahrscheinlich auch hin. Wir haben bei Bayern immer über das Traumfinale Deutschland gegen Holland gewitzelt. Vielleicht kommt’s ja so, mich würde es freuen.
Müller: Wer die Geschichte kennt – und uns als Mannschaft – der weiß, dass es dann nur einen Sieger geben kann!
Dann stehen Sie aber auch in der Pflicht – 1974 hat ein Müller das 2:1 geschossen…
Müller: Ich würde mich nicht wehren, wenn es wieder so kommt! Aber jetzt müssen wir erst mal Spanien schlagen.
Hatten Sie nach dem Spiel Kontakt mit Martin Demichelis?
Müller: Nein, eigentlich nicht. Wir haben uns die Hand gegeben, aber der muss jetzt erst die Niederlage verarbeiten. Die Mannschaft war nach dem Halbfinal-Einzug noch sehr lange in der Kabine,
Per Mertesacker verließ sie mit zwei Flaschen Bier in der Hand. Wurde noch richtig gefeiert?
Müller: Klar, wir haben gefeiert. Und dass wir keine warme Milch nach so einem Sieg trinken, ist auch klar…