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Joachim Löw im Interview: Spanien als mahnendes Beispiel

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Joachim Löw beim Spiel gegen San Marino.
Joachim Löw beim Spiel gegen San Marino. © dpa

Joachim Löw ist inzwischen davon überzeugt, dass er dem Confed Cup einen tieferen Sinn abgewinnen kann. Als mahnendes Beispiel gilt ihm Spanien.

Joachim Löw hat seine vorerst letzten freien Tage in Freiburg genossen und im Kreise enger Vertrauter noch einmal "abgeschaltet" vom Fußball. Voll und ganz verdrängen konnte er den Confed Cup aber nicht aus seiner Gedankenwelt. Wenn der Bundestrainer am Dienstag nach Frankfurt zum Treffpunkt mit seinem Perspektivteam reist, hat er seinen Plan für die Mini-WM in Russland (17. Juni bis 2. Juli) klar im Kopf. Löws oberste Prämisse: Bloß kein zweites Spanien werden!

Joachim Löw, wie gut ist der Espresso in Russland?

Joachim Löw: "Sagen wir mal so: Ordentlich. Ich habe noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. (lacht)"

Also freuen Sie sich auf den Confed Cup?

Löw: "Ja, sehr sogar. Wir haben jetzt wieder eine längere Phase, in der wir mit der Mannschaft und dem Team hinter dem Team zusammen sind, das ist gut. Ich finde den Confed Cup wirklich spannend für uns, weil wir da gewisse Erfahrungen und Eindrücke sammeln können - gerade mit diesem Kader..."

...einem sehr jungen, ohne zahlreiche Weltmeister.

Löw: "Über allem steht die WM 2018 und der erneute Titelgewinn, das ist die Vision. Eine Mission auf dem Weg dahin ist die Teilnahme am Confed Cup. Das Ziel für mich ist, drei oder vier, vielleicht sogar fünf Spieler so weit zu bekommen, über dieses Turnier und die nächste Saison, dass sie in der Lage sind, Druck zu machen auf unsere etablierten Spieler, wenn es 2018 um den Titel geht. Wir möchten Spieler auf ein anderes Niveau heben. Das zu schaffen, ist mir wichtig."

„Will, dass wir wieder hungrig sind“

Heißt das, dass Ihr WM-Kader für 2018 zu 80, 90 Prozent steht?

Löw: "Das muss das nicht heißen, nein. Wir haben noch zwölf, 13 Weltmeister dabei, etablierte Spieler, von denen ich weiß, dass sie große Erfahrung und große Klasse haben. Wie Neuer, Kroos, Hummels, Boateng, Khedira, Müller, Özil. Aber das Wichtigste ist, dass man sich immer wieder verändert; das schafft man, wenn junge Spieler gut sind und sich einen Platz in der Mannschaft erkämpfen wollen. Dann müssen die, die schon viel erreicht haben, ihre Qualität bestätigen. Diese Spieler haben Klasse, aber auch sie brauchen Konkurrenzkampf, um sich ständig neu zu beweisen. Ich will, dass wir wieder hungrig sind."

Weil Sie Spanien 2014 als mahnendes Beispiel sehen.

Löw: "Ja. Was ich über die Jahre gelernt habe ist, dass man Veränderungen braucht - ob man erfolgreich ist oder nicht. Nicht immer abrupt, aber über gewisse Phasen hinweg. Wir brauchen eine Blutauffrischung, über vier Jahre eine gleichbleibende Mannschaft - das ist fast unmöglich. Spanien war 2010 Weltmeister und ist 2014 mit der fast identischen Mannschaft in der Vorrunde ausgeschieden, obwohl sie klasse Spieler hatten. Wir brauchen junge Spieler!"

Der Confed Cup als Perspektivturnier?

Löw: "Ja, das macht für mich den Confed Cup aus, das ist für mich wichtig. Wir haben talentierte Spieler bei uns, in der Bundesliga, in den Vereinen - aber der Maßstab ist für uns nicht nur die Bundesliga, die Messlatte ist die absolute Weltklasse. Messi und Ronaldo. Julian Brandt, Leroy Sané, Joshua Kimmich, Julian Weigl, Leon Goretzka, Serge Gnabry und einige andere Spieler - sie sind hoch talentiert und haben beste Voraussetzungen, aber sie sind eben noch nicht in der Weltklasse. Noch lange nicht! Aber wir brauchen Weltklassespieler, wenn wir Titel gewinnen wollen."

„Werden die Augen nicht verschließen“

Wie sehr schauen Sie vor Ort rechts und links des Platzes, auf die politische Lage?

Löw: "Wir sind darüber auch in Austausch mit unserem Präsidenten Reinhard Grindel, der unsere Delegation in Russland anführen wird. Beim DFB beschäftigt man sich sehr intensiv mit der Situation. Ich finde es sehr wichtig, dass man die Gelegenheit nutzt, in einem Land auch hinter die Kulissen zu schauen, sich eine Meinung zu bilden und im Rahmen seiner Möglichkeiten auch die Stimme zu erheben. Bevor wir nach Russland gehen, werden wir unsere Mannschaft einstimmen, so wie wir das auch schon vor den Turnieren in Südafrika und Brasilien gemacht haben. Man sollte nicht vergessen, dass wir Gäste in Russland sein werden und an einem Fußball-Turnier teilnehmen. Und man sollte vom Fußball auch nicht erwarten, dass er Probleme und Missstände überwindet, die die Politik auch nicht löst. Aber wir werden die Augen sicher nicht verschließen."

Wie kann das konkret aussehen?

Löw: "Wir haben auch in Südafrika oder Brasilien über die Probleme gesprochen, die es gab. Ich sehe es so: als Mannschaft bietet sich uns die Möglichkeit, auf unserer sportlichen Ebene auf die Menschen zuzugehen. Es geht um Begegnungen, Fußball hat eine riesige integrative Kraft, Fußball verbindet. Unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, politischer Gesinnung. Das ist unser Trumpf, und den werden wir auch ausspielen. Unsere Spieler sind weltoffen, sie sollen sich umschauen und sich ihre Meinung bilden. Wir sollten uns öffnen für die Fußball-Fans im jeweiligen Land, das ist uns wichtig. Ich glaube, dass auch die Russen unheimlich fußballbegeistert sind, das verbindet uns. Das kann die Mannschaft beisteuern."

„Bin gespannt auf Russland“

Ist die Vorfreude bei Ihnen angesichts dauernder Negativ-Meldungen über die FIFA und Gastgeber Russland so groß wie etwa 2016?

Löw: "Ja, die Vorfreude ist genauso groß wie auf andere Turniere. Ich bin gespannt auf Russland, bin bislang überaus freundlich aufgenommen worden. Man spürt, dass die Russen uns Deutschen mit viel Respekt begegnen. Wenn es losgeht, blendet man zwar nicht alles andere aus, aber man ist fokussiert auf den Fußball, auf die Mannschaft, auf das Turnier, die Gegner."

Verstehen Sie die Kritik aus Russland, das gerne mehr deutsche Weltmeister gesehen hätte?

Löw: "Ich verstehe den Fan, der immer Topstars sehen will, und ich verstehe den Veranstalter. Aber ich möchte, dass unsere Spieler, die schon viele Turniere gespielt haben, ausgeruht in die kommende Saison gehen und im nächsten Jahr Top-Leistungen bringen können, denn das müssen sie. Russland wird beim Confed Cup eine junge, engagierte deutsche Mannschaft sehen. Wir freuen uns und nehmen das ernst. Und im nächsten Jahr sehen sie unsere Weltmeister, die diesen Erfolg bestätigen wollen."

Confed Cup 2017: Spielplan und Kader von Deutschland

Als Weltmeister nimmt Deutschland am FIFA-Konföderationen-Pokal 2017 in Russland teil. Wir bieten den Spielplan für den Confed Cup 2017 zum Ausdrucken. Und wir zeigen den Kader von Deutschland für den Confed Cup.  

SID

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