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Presse gespalten über Bundestrainer Nagelsmann: Von „erstaunliche Fehlentscheidung“ bis „gibt keinen besseren“

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Nagelsmann DFB Bundestrainer Pressestimmen
Wird Julian Nagelsmann der neue Bundestrainer beim DFB? Als Flick-Nachfolger sollen nur noch Formalien im Weg stehen. © IMAGO / Ulrich Wagner

Julian Nagelsmann soll der neue Bundestrainer beim DFB werden. Die deutsche Presse ist sich noch uneinig, ob das eine gute Entscheidung ist.

München - Rudi Völler hat nach der Entlassung von Hansi Flick als Bundestrainer angekündigt, zeitnah eine neue Lösung präsentieren zu wollen. Schnell streckten sich wohl die Fühler in Richtung Julian Nagelsmann. Der 36-jährige Ex-Bayern-Coach ist wohl die Wunschlösung des DFB. Nichtmal der FC Bayern, bei dem Nagelsmann noch offiziell unter Vertrag steht, wollte der Verpflichtung im Weg stehen.

Nun sollen nur noch Formalien zu klären sein, bevor der im Frühjahr 2023 freigestellte Trainer beim DFB offiziell vorgestellt wird. Was meint die deutsche Presselandschaft zur Verpflichtung von Julian Nagelsmann? Seine Fähigkeiten sind unumstritten, doch ist das größte deutsche Trainertalent auch der richtige Mann als Nationaltrainer? Darüber sind sich die Medien – ähnlich wie die Fans – offensichtlich uneinig.

Kicker über Nagelsmann und die Verpflichtung des DFB

[...] Für den DFB ist Nagelsmann in diesen schwierigen Zeiten dennoch eine gute Lösung, und die schnelle (mündliche) Einigung kommt einem Befreiungsschlag gleich. Weil für die bis zum kommenden Sommer fixierte Zusammenarbeit alle Parteien Zugeständnisse machten, die belegen, dass sie es ehrlich meinen miteinander. Der DFB suchte trotz der wirtschaftlichen Schieflage nicht nach der kostengünstigsten und auch nicht nach der bequemsten Lösung, denn Nagelsmann ist weder billig noch bequem. Und der Trainer verzichtete im Vergleich zu seinem ihm noch zustehenden Bayern-Salär auf Millionen, zudem auf die Chance, zeitnah höher dotiert bei einem europäischen Top-Klub einzusteigen. [...] Dass Nagelsmanns Kritiker behaupten, er sei bei seinem ersten Großprojekt in München vor allem an sich selbst gescheitert, bleibt bislang unwiderlegt. Diese Kritik ist aber auch kein Ausschlusskriterium für den nächsten großen Job im deutschen Fußball: Nagelsmann ist 36 Jahre, er kann nun beweisen, dass er dazugelernt hat. Gelingt ihm dies, könnte die Kooperation zwischen ihm und dem DFB bis 2024 am Ende nur Gewinner hervorbringen.

Nagelsmann als Bundestrainer – was die Süddeutsche Zeitung schreibt

[...] Der DFB hat sich angesichts seiner Notlage für ein Modell entschieden (Fokus nur auf die EM!), aber nicht den geeigneten Kandidaten für dieses Modell gefunden. Also füllt er das Modell nun mit einem Mann, der eher fürs Gegenteil steht - für Laptop und Entwicklung, für versiertes und bisweilen komplexes Coaching. Und weniger für jene einfachen Wahrheiten, die das Fußballland nun hören will und die das Nationalteam in seiner gegenwärtigen Verfassung wohl auch braucht. Wenn Nagelsmann nun jener Mann ist, der kurzfristig für eine Aufbruchstimmung im Land sorgen soll, dann wird sich die Aufbruchstimmung daran gewöhnen müssen, dass sie von Fachtermini wie „asymmetrischer Aufbau“, „zentrumslastige Viererkette“ sowie „Spielbeschleunigungsmomenten“ flankiert wird. [...]

Bild über die Nagelsmann-Verpflichtung

[...] Nagelsmann ist ein guter Typ, der für Aufbruch und Energie steht - aber auch manchmal übers Ziel hinausschießt. Falls er die richtigen Lehren aus seinem Bayern-Scheitern gezogen haben sollte, wird ihn das als Trainer noch besser machen. Natürlich ist es für Nagelsmann eine große Ehre, die Nationalelf bei der Heim-EM trainieren zu dürfen. Und im Grunde hat er nach den drei Turnier-Flops seiner Vorgänger Löw und Flick auch nicht viel zu verlieren. Trotzdem verdient sein JA großen Respekt! [....]

Schwäbische Zeitung über die Causa Nagelsmann und DFB

Erst durfte Joachim Löw zu lange weitermachen, dann hielt der DFB trotz des WM-Desasters an Hansi Flick fest. Das Resultat ist die wohl größte Krise des deutschen Fußballs in den letzten Jahrzehnten - und das ausgerechnet ein paar Monate vor der Heim-EM 2024. Ein Retter musste her. Gefunden wurde Julian Nagelsmann. Um es vorwegzunehmen: In der Reihe von Fehlentscheidungen, die der Deutsche Fußball-Bund in Sachen Bundestrainer in den letzten Jahren getroffen hat, ist dies die nächste - und die erstaunlichste. Nagelsmann als Notnagel, weil er verfügbar war. Eigentlich versteht er sich als Mann für langfristige Projekte. Dass er mit einem Kurzvertrag bis zur EM einverstanden ist, deutet indes darauf hin, dass er den Bundestrainer-Job nur als Zwischenspiel auf dem Weg zum nächsten Weltclub sieht. Dass er sich das Amt dennoch zutraut, spricht für sein Selbstbewusstsein. Für Fußball-Deutschland bleibt zu hoffen, dass er sich da nicht überschätzt.

Rheinpfalz über den möglichen neuen Bundestrainer Nagelsmann

Es gibt im Moment keinen besseren Bundestrainer als Julian Nagelsmann. Der 36-Jährige (!) ist fachlich stark und kreativ, er kann mit den Medien umgehen, und er hat in seiner Laufbahn schon einige Erfolge erzielt. Die Umstände seiner Entlassung beim FC Bayern waren suspekt. Noch Wochen danach wurde heftig über den Zeitpunkt seiner Demission debattiert. Natürlich ist Julian Nagelsmann immer noch ein sehr junger Trainer. Ein Trainer, der einiges zu lernen hat. Vielleicht zieht er ja aus den letzten Wochen der Zeit beim FC Bayern seine Lehren und wägt beispielsweise noch genauer ab, ob er nach einer Niederlage einen Ski-Urlaub antritt oder nicht.

Mitteldeutsche Zeitung über DFB und Nagelsmann

Die Entscheidung des DFB pro Nagelsmann muss man kritisch beäugen. Nicht ob der Personalie an sich, die Qualität des 36-Jährigen steht außer Frage. Die Konstellation, dass er das Amt offenbar nur bis zur Europameisterschaft in Deutschland im nächsten Jahr übernehmen soll, ist es, die Fragen aufwirft. Traut der Verband Nagelsmann nicht zu, ein Team zu formen, das in die Weltspitze zurückkehren kann? Oder hofft er, dass es 2024 doch zur Wunschehe mit Klopp kommt? So wirkt irgendwie Nagelsmann wie ein Not-Nagel - zumal gerade er als ein Trainer gilt, der gerne taktiert, Details erarbeitet. Zeit dafür ist bis zur EM nicht.

Südwest Presse über Nagelsmann als Bundestrainer

Zuletzt hat der DFB, intern zerrüttet, finanziell schwer angeschlagen, sportlich erfolglos, wahrlich kein gutes Bild abgegeben. Nun zeigt sich der Verband immerhin handlungsfähig und beweist Mut. Zunächst die Ernennung von Andreas Rettig zum Sport-Geschäftsführer, nun der Deal mit Julian Nagelsmann. Pflegeleicht sind beide nicht. Die Zeichen im größten nationalen Sport-Fachverband der Welt stehen auf Veränderung. Das ist doch mal eine gute Nachricht. (ank mit Agenturmaterial, zusammengestellt von der DPA)

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