Tanzender Torwart: Neuer überzeugt im Tor und an der Eckfahne
Manuel Neuer macht bei der Nationalmannschaft da weiter, wo er im Pokalfinale mit seinen Bayern aufgehört hatte: Er überragt wieder zwischen den Pfosten – und in Weißrussland sogar an der Eckfahne.
Es lief die 32. Minute in der Arena in Borrisow, als der Torwart nach einem langen Pass der Gastgeber aus seinem Tor kam. Augenscheinlich zu spät, doch dann begann die Neuer-Show. Mit einem geschickten Körpereinsatz an der Eckfahne eroberte der 33-Jährige den Ball von Gegenspieler Juri Kowalew. Danach schlug Neuer einen Haken, ließ Kowalew mit einem Hackentrick ins Leere grätschen und spielte anschließend einen feinen Außenrist-Pass zwischen zwei Weißrussen zu Serge Gnabry.
Bierhoff: „Das war recht mutig bei dem Spielstand“
„Das war nichts geplantes, es hat sich einfach so ergeben. Das Wichtigste in der Situation ist, dass man den Ball nicht verliert. Ich habe darauf geachtet, dass ich die Kontrolle bewahre und kein allzu großes Risiko gehe. Wenn ich das Gefühl gehabt hätte, dass er an den Ball kommt, hätte ich ihn weggeschlagen“, erklärte der Keeper die Szene und fügte an: „Natürlich ist es ein Risiko mit der Sohle. Aber er war ja auch kleiner, ich hatte nicht das Gefühl, dass er mit seiner Schrittlänge an den Ball kommt.“ Klingt cool, DFB-Direktor Oliver Bierhoff schwitzte trotzdem leicht auf seinem Sitz: „Ich habe gedacht: Wahrscheinlich hat er ein bisschen Langeweile gehabt. Das war recht mutig bei dem Spielstand“, so der 51-Jährige.
Die Szene war und ist schön anzusehen, doch für Neuer selbst hat sie noch deutlich mehr Aussagekraft. Die Aktion beweist, dass er nach seinen Seuchen-Jahren mit zwei Mittelfußbrüchen, einer Fingerverletzung und einem Muskelfaserriss wieder Selbstbewusstsein gefasst hat. Das Selbstbewusstsein, das ihn in der Vergangenheit vom Weltklasse- zum Weltweltklasse-Keeper gemacht hat. Das beweist auch die nüchterne Schilderung des DFB-Kapitäns, wie er die Aktion erlebt hat: „Es ist natürlich nichts Normales für einen Torwart. Ich wollte einen meiner Mitspieler anspielen, aber die Situation war einfach so, dass ich schon sehr weit draußen war Richtung Eckfahne, da war die Seitenlinie und die Torauslinie. Da war es nicht leicht, jemanden zu finden. Klar hätte ich den Ball auch einfach ins Aus schlagen können, aber ich wollte ihn im Spiel halten.“
Vielleicht kommt es am Dienstag (11. Juni 2019) gegen Estland erneut zu einer Tanzeinlage von Manuel Neuer. Über dieses sowie alle weiteren Highlights und wichtigen Informationen zum Spiel halten wir Sie in unserem Live-Ticker auf dem Laufenden. Außerdem können Sie das EM-Quali-Spiel Deutschland gegen Estland live im TV und Live-Stream sehen.
Kollege Joshua Kimmich lobte: „Er könnte bei uns auch auf der Sechs oder ein bisschen weiter vorne spielen, so kreativ wie er da hinten rumgeschnickt hat.“
Balsam auf eine geschundene Seele, denn hinter Neuer liegt sportlich die schwerste Zeit seiner Karriere, was auch mit seinen langen Ausfallzeiten begründet ist. In der vergangenen Saison strahlte er vor allem in der Hinrunde nicht die gewohnte Souveränität aus. Plötzlich war er im Nationalteam nicht mehr unantastbar, die Rufe nach einer Wachablösung durch Marc-André ter Stegen wurden lauter. In München wurde bereits der junge Schalker Schlussmann Alexander Nübel als sein Nachfolger gehandelt – obwohl Neuer stets betont, seinen Job zwischen den Pfosten noch lange ausführen zu wollen. Nun gilt es für ihn, sein hohes Leistungsniveau der vergangenen Wochen auch in den nächsten Jahren zu halten. Dann gibt es an Manuel Neuer weiterhin kein Vorbeikommen.
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Deutschland überrollt Estland und gewinnt haushoch. Wir haben die Stimmen der Akteure und der Verantwortlichen nach dem Länderspiel gesammelt.