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Nations League: So fremd wie Gummistiefelweitwurf

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Mit der Auslsoung der Nations League setzt die UEFA eine Revolution des Länderspielkalenders in Gang - Jochim Löw hofft auf starke Gegner.

München – Letzte Woche auf dem Neujahresempfang der DFL war wieder einmal mehr der Diplomat in Oliver Bierhoff gefordert. Wie er die Einführung der sogenannten Nations League finde, wurde der Mann gefragt, der seit einiger Zeit als Supervisor für den gesamten Leistungsbereich des DFB zuständig ist. Er sei da immer ein bisschen zwiegespalten, sagte er. Auf der einen Seite müsse man sehen, den Kalender nicht zu überfrachten. „Auf der anderen werden es interessante Spiele. Die Fans wird das freuen.“

Wirklich?

Der Wettbewerb, der heute ausgelost und damit Realität wird, ist den Anhängern bisher so fremd wie Gummistiefelweitwurf, Käserollen oder Nacktrugby. Und genauso beliebt. Dabei betrifft er ihre Interessen im Kern, schließlich ist die Fußballnationalelf einer Nation auch stets deren liebstes Kind. Irgendwie haben es die Macher bei der UEFA geschafft, eine Revolution des Länderspielkalenders anzugehen, ohne dass die Basis davon im Vorfeld nennenswert Notiz genommen hat.

Um 12 Uhr werden heute in Lausanne die Gruppen ausgelost. Um der Sache Gewicht zu verleihen, reist der DFB mit VIP-Besetzung an; neben Bierhoff werden Bundestrainer Joachim Löw und Präsident Reinhard Grindel persönlich vor Ort sein. Wie bei der Auslosung einer Turnier-Qualifikation oder als würden die Kugeln für die Gruppen einer WM oder EM gezogen. Es ist: purer Ernst.

Nations League wird Freundschaftsspiele ablösen

Die Nations League wird die Freundschaftsspiele unter Nationalmannschaften weitgehend ablösen; lediglich vor großen Turnieren und einem weiteren kleinen Zeitfenster bleiben Begegnungen mit reinem Testcharakter möglich. Im September startet die erste Auflage des neuen Formats, bei dem im Juni 2019 bei einem Finalturnier der historische, allererste Sieger ermittelt wird. Modus und Regularien sind auf den ersten Blick eher schwer zu entschlüsseln.

Auf Basis ihrer Ranglisten hat die UEFA das Tableau auf vier Ligen (A bis D) aufgeteilt, in der höchsten Klasse A (mit Deutschland) wird in Dreiergruppen angetreten. Es gibt ein Auf- und Abstiegssystem, und für die Nationen in den Ligen B, C, D liegen Tickets für die EM 2020 bereit.

Den Live-Ticker zur Auslosung finden Sie hier

Klingt kompliziert. Ist es auch, zumindest anfangs, bis man sich gewöhnt hat. Die Auswahl des DFB hat es dabei im Großen und Ganzen noch überschaubar; sie ist als Top-Nation als einer von vier Gruppenköpfen in der Liga A gesetzt. In der ersten Wettbewerbsphase muss man sich in einem Trio durchsetzen; dabei ist eine schwere Gruppe mit Frankreich (Topf 2) und Niederlande (Topf 3) ebenso möglich wie eine leichte mit Schweiz (2) und Island (3).

Durch die Nations League steigt zwar nicht die Anzahl der Auftritte der Nationalteams, es sind allerdings mehr Spiele zu bestreiten. Dass der DFB gute Miene macht, obwohl seine Spitze einst unter Wolfgang Niersbach gegen die Einführung dieses neuen Formats stimmte, rührt daher, dass man es sich auf der Zielgeraden der Vergabe der EM 2024 nicht mit den kleineren Verbänden verscherzen will. Für sie ist die Nations League ein Hintertürchen, um zur EM zu kommen. Stellt sich der DFB quer, riskiert er Zulauf beim zweiten Bewerber Türkei. Im September wird die EM-Vergabe beschlossen.

Sandro Wagner: „Welche Liga?“

Die Nations League sei eine „Riesensache für die kleineren und mittleren Verbände“, flötet also Grindel, während Löw einen sportlichen Anreiz in den Fokus rückt. Er sei immer interessiert an Tests auf Niveau, er hoffe daher bei der Auslosung auf starke Gegner, so der Bundestrainer. In der Bundesliga formierte sich unterdessen Widerstand. Gäbe es keine Nations League, so Bayerns Boss Karl-Heinz Rummenigge, würde sie auch keiner vermissen. Und natürlich steht hinter allem wie so oft das liebe Geld. Die UEFA erwartet sich rund zwei Milliarden Euro Erlös aus der Revolution. Die FIFA beäugt das Ganze interessiert; Pläne für eine Mini-WM mit drei Teams aus Europa und den Gewinnern der fünf anderen Konföderationen sollen schon in der Schublade bereitliegen.

Die Nations League ist ein Pilot – und selbst den Profis fremd. „Welche Liga?“, fragte Bayerns Sandro Wagner am Sonntag nach dem 4:2 über Bremen irritiert nach, als er auf die Auslosung angesprochen wurde. „Nie davon gehört, entsprechend habe ich keine Meinung dazu.“ Wie beim Gummistiefelweitwurf.

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Andreas Werner

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