Kartellrechts-Experte Mark-E. Orth im Interview
Streitthema Super League: Die Kohle-Liga könnte kommen
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Das heftig umstrittene Thema Super League, bei dem die UEFA nach Kräften mauert, ist noch lange nicht vom Tisch, sagt der Münchner Kartellrechts-Experte Mark-E. Orth im Interview.
München - Wer meinte, die europaweiten Fan-Proteste im April hätten die Super League verhindert, der irrt. Zwar rückten neun der zwölf Gründungsmitglieder – deutsche Vereine waren nicht darunter – unter öffentlichem Druck von der Idee ab. Doch Real Madrid*, der FC Barcelona* und Juventus Turin* halten weiterhin an ihren Plänen des ebenso umstrittenen wie lukrativen Konkurrenz-Wettbewerbs zur Champions League* fest.
Die Europäische Fußball-Union musste angedrohte Sanktionen öffentlich zurücknehmen
Laut Gründungserklärung sollten die Teilnehmer – Liverpool, Manchester United, Manchester City, Tottenham, Arsenal, Chelsea, Real Madrid, Atlético Madrid, FC Barcelona, Juventus Turin, Inter Mailand und AC Mailand – einen Betrag von 3,5 Milliarden Euro erhalten, die US-amerikanische Investmentbank JPMorgan als Geldgeber fungieren. Nun tobt ein juristischer Kampf zwischen den hochverschuldeten Clubs und der UEFA*. Die Europäische Fußball-Union musste in dieser Woche angedrohte Sanktionen öffentlich zurücknehmen. Doch ihr kampferprobter Präsident Aleksander Ceferin holt umgehend zum Gegenschlag aus – mit einer Justiz-Offensive gegen den für die in Madrid anhängigen Klub-Klagen zuständigen Richter Manuel Ruíz de Lara. Diesem wurde eine zu große Nähe zu Real-Boss Perez unterstellt. Kartellrechts-Experte Mark-E. Orth (46) kennt sich in Sachen Super League bestens aus, beriet in dieser Thematik diverse Vereine. Im Interview mit unserer Zeitung spricht der Münchner Rechtsanwalt über das Streit-Thema, das schon seit 1998 im Gespräch ist.
Herr Orth, wozu braucht man eigentlich eine Superliga? Geht es dabei nur um riesige Einnahmen für die teilnehmenden Teams?
Wenn man sich den letzten Versuch einer Super League vor etwa 20 Jahren anschaut, so kann man sehen, dass der Wettbewerb der damals noch nicht UEFA Champions League hieß, danach deutlich mehr Fans und Zuschauer angezogen hat. Das beruht vor allem darauf, dass die UEFA durch den Anstoß der Super League viele Änderungen vorgenommen hat. Ein Konkurrenz-Wettbewerb könnte sich aber anders als die UEFA nicht einfach auf seinem Monopol ausruhen, sondern müsste befürchten, seinerseits verdrängt zu werden, wenn andere spannendere Konzepte haben. Letztlich geht es darum, Fans und Zuschauern mehr faszinierende Spiele anzubieten, und da besteht aktuell im Rahmen der Champions League Verbesserungsbedarf.
Wenn es zu einer Super League kommt: Könnte die UEFA Teams vom Wettbewerb ausschließen?
Wäre es rechtlich überhaupt möglich, dass die UEFA die Super-League-Mannschaften wie angedroht von den UEFA-Wettbewerben ausschließt?
Das OLG Nürnberg hat jedenfalls in einem vergleichbaren Fall im Ringen einen solchen Ausschluss verboten, weil er gegen das Kartellrecht verstößt. Auch das Europäische Gericht erster Instanz hat im Eisschnelllauf dem internationalen Verband verboten, Sportler auszuschließen, die an Wettbewerben außerhalb des Verbandes teilnehmen wollten. Zuvor hatte die Europäische Kommission gegen diesen Verband eine Untersagungsentscheidung erlassen. Dogmatisch überrascht dieses Ergebnis wenig. Auch neben den erwähnten Fällen gibt es eine Vielzahl von Entscheidungen von Kartellbehörden und Gerichten, die in eine klare Richtung weisen.
Welchen Verpflichtungen unterliegt die UEFA eigentlich als Monopolist in Sachen europäische Club-Wettbewerbe?
Die UEFA unterliegt wie jeder Marktbeherrscher dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, also deutlich strengeren Verhaltensvorgaben als ein Unternehmen, welches im Wettbewerb steht. Das Problem, das Sie als Kunde haben, wenn Sie einem marktbeherrschenden Unternehmen gegenüberstehen, ist, dass Sie eben nicht zu einem Konkurrenten gehen können und beide gegeneinander ausspielen. Genau dieses Problem versucht das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung zu lösen. Bei der UEFA ist dieses Problem besonders schwerwiegend, weil sie über nahezu 100 Prozent Marktanteil verfügt, das Monopol über Jahrzehnte gefestigt ist und über eine Vielzahl von Absicherungsmechanismen verfügt.
Könnten Vereine die UEFA auf Schadensersatz verklagen?
Ein spanisches Gericht in Madrid hatte der UEFA zuletzt ein Ultimatum von fünf Tagen gestellt, um die Sanktionsdrohungen gegen die Gründungsmitglieder zurückzunehmen. Dies ist nun passiert. Wie sehen Sie das Vorgehen?
Wenn ich die Pressemitteilungen der UEFA lese, so kann ich nicht erkennen, dass sie vollständig den Aufforderungen des Gerichts nachgekommen ist. Die Vereinbarung zwischen den Clubs und der UEFA enthält nach der eigenen Pressemitteilung der UEFA auch eine Regelung, dass fünf Prozent der Einnahmen gegenüber den Clubs zurückgehalten werden. Diese Regelung hat man, so jedenfalls die Pressemitteilung der UEFA, nicht außer Kraft gesetzt. Die erste einstweilige Verfügung liegt ja nun Monate zurück und zunächst hat sich die UEFA davon auch nicht sonderlich beeindrucken lassen. Danach erst wurde das Disziplinarverfahren eingeleitet und die Vereinbarung mit den Gründer-Clubs geschlossen. Offensichtlich tut sich die UEFA schwer, sich der staatlichen Gerichtsbarkeit unterzuordnen. Eine Erfahrung, die man nicht selten bei Sportverbänden macht. Umso wichtiger ist es, dass gerade hier das Primat des staatlichen Rechts durchgesetzt wird.
Durch die vorerst abgewendete Super League entgehen den Gründungsmitgliedern hohe Einnahmen. Könnten die Vereine die UEFA auf Schadensersatz verklagen?
Wenn ein Kartellrechtsverstoß vorliegt, haben Sie auch einen Anspruch auf Schadensersatz. Und dass ein Kartellrechtsverstoß vorliegt, dafür gibt es sehr gute Argumente aus der bisherigen Rechtspraxis. Spannend ist auch, dass man dann auch von einzelnen Personen Schadensersatz verlangen kann. Gegenüber allen Beteiligten des Kartells – und das sind dann auch die nationalen Mitgliedsverbände der UEFA wie etwa der DFB – bestehen diese Ansprüche.
Glauben Sie, es wird zu einer Super League kommen?
Viele Fehler, die der alte Super-League-Versuch vor 20 Jahren gemacht hat, hat die aktuelle Super League vermieden und ist schon jetzt deutlich weitergekommen. Es gibt gute strukturelle Gründe, dass man die Veranstaltung eines Wettbewerbs vom Regulierer trennt. Genau das ist nämlich das Problem der UEFA. Wenn es etwa um die Anwendung der Financial-Fairplay-Regeln geht, so hat sie auch immer ihr kommerzielles Interesse an der Vermarktung der Wettbewerbe im Kopf. Wohin dieser Interessenkonflikt führt, hat man ja in den letzten Jahren gesehen. Deswegen ist es sinnvoll, den Vermarkter des Wettbewerbs vom Regelanwender, also der UEFA, zu trennen. Interview: Philipp Kessler *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA