Hitzlsperger: "Kenne keine schwulen Fußballer"

Berlin - Thomas Hitzlsperger hat sein Coming-out nun auch in einer Video-Botschaft erklärt. Darin spricht er über Homosexualität im Profi-Fußball und macht eine Kampfansage an alle Homophoben.
Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat in der Nacht zum Donnerstag eine längere Erklärung über sein Coming-out als Homosexueller an die Öffentlichkeit gegeben. "Profisport und Homosexualität schließen sich nicht aus, davon bin ich überzeugt", heißt es in der Erklärung, die kurz nach Mitternacht von Hitzlspergers Medienberater Pietro Nuvoloni veröffentlicht wurde. Hitzlsperger äußerte die Hoffnung, er werde mit seinem Schritt an die Öffentlichkeit "jungen Spielern und Profisportlern Mut machen".
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Hitzlsperger hatte sich am Mittwoch zu seiner Homosexualität bekannt und damit ein Tabu gebrochen. Mit seinem Schritt in die Öffentlichkeit will der 31-Jährige einen neuen Lebensabschnitt nach Ende seiner Karriere beginnen. „Nach mehreren Verletzungen haben mir Ärzte im Sommer 2013 zur Beendigung meiner Profikarriere geraten. Ich hatte danach viel Zeit, nachzudenken und mein Leben zu reflektieren. Dabei wurde mir klar, dass zu einem Neustart auch der offene Umgang mit meiner Sexualität gehört“, so Hitzlsperger.
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Während seiner aktiven Laufbahn sei er für ein Outing noch nicht bereit gewesen: „In den letzten Jahren wurde mir nach und nach klar, welche Neigungen ich hatte. Mir fehlten zunächst einfach die Worte - nicht einmal zuhause und im Freundeskreis und schon gar nicht in der Mannschaft hätte ich darüber reden können.“ Er sei sich nicht von Anfang an über seine sexuelle Orientierung klar gewesen. "Das war ein Prozess, der reifen musste", erklärt Hitzlsperger. Erst vor etwa drei Jahren habe er angefangen mit seiner Familie und seinen Freunden darüber zu sprechen.
Im Fußball werde Homosexualität "schlicht ignoriert"
Jeder Mensch solle so leben dürfen, dass er "wegen seiner Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Neigung oder Religion keine Angst haben muss diskriminiert zu werden", erklärt der 31-Jährige weiter in seiner Video-Botschaft. "Das verstehe ich nicht als politisches Statement, sondern als Selbstverständlichkeit." Er wünsche sich, dass "die öffentliche Diskussion jetzt wieder ein Stück weiterkommt". Die "Fußballszene" begreife sich "in Teilen immer noch als Machowelt", beklagte Hitzlsperger. Das Bild eines schwulen Spielers werde "von Klischees und Vorurteilen geprägt", die Realität sehe indes "anders aus".
Größtenteils werde das Thema Homosexualität im Fußball jedoch ignoriert. In der Kabine werde über Sport, das nächste Spiel oder Ähnliches geredet - persönliche Aspekte spielten kaum eine Rolle. „Für die Medien hingegen ist das schon seit Jahren ein Thema. Nur die betroffenen Spieler, die haben sich nicht getraut, sich zu ihren Neigungen zu äußern."
Homophobe sollen wissen: "Sie haben jetzt einen Gegner mehr"
Unterschiede zwischen England und Deutschland sehe er dahingehend, dass auf der Insel weniger über Homosexualität geschrieben wird oder danach gesucht wird, welcher Spieler denn schwul sein könnte. „In Deutschland hingegen hat das Thema die Öffentlichkeit nie wirklich verlassen, seit vielen Jahren wird darüber geschrieben, es wird spekuliert und das bis zum heutigen Tag.“
Hitzlsperger betonte, dass es für ihn selbst und seine Familie unwichtig sei, dass er gerade jetzt an die Öffentlichkeit gehe. „Wichtig ist es nur für die Leute, die homophob sind, andere ausgrenzen aufgrund ihrer Sexualität - und die sollen wissen: Sie haben jetzt einen Gegner mehr.“
Hitzelsperger sagt, er selbst kenne keinen einzigen homosexuellen Fußballer persönlich. "Sie brauchen auch nicht glauben, dass wir in der Kabine immer über das Privatleben gesprochen haben. Da ging es vorrangig um die optimale Vorbereitung auf das nächste Spiel", so der Ex-Stuttgarter.
Hitzlspergers Coming-out wurde am Mittwoch über ein Gespräch mit der Wochenzeitung "Die Zeit" publik. Der 31-Jährige erntete dafür viel Anerkennung aus den unterschiedlichsten Bereichen wie Sport, Gesellschaft und Politik. Der Fußballer spielte in der Jugend für den FC Bayern München, 2000 wechselte er zum englischen Premier-League-Verein Aston Villa. Danach war er unter anderem Kapitän des VfB Stuttgart, spielte in England und Italien. Für die deutsche Nationalmannschaft lief der Mittelfeldspieler zwischen 2004 und 2010 insgesamt 52 Mal auf. Vor vier Monaten zog sich Hitzlsperger aus dem öffentlichen Leben als Fußballprofi zurück.
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AFP/SID/dpa/fw