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Norwegen-Chefin attackiert WM-Gastgeber Katar und FIFA-Boss Infantino: „Inakzeptable Folgen“

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Von: Kai Hartwig

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An der WM in Katar scheiden sich die Geister. Auf dem FIFA-Kongress in Doha wird Norwegens Verbandschefin Klaveness deutlich – auch Richtung Infantino.

München/Doha – Am 2. Dezember 2010 wurden in Zürich von der FIFA die beiden Gastgeber der Fußball-WM 2018 und 2022 benannt. Für das Turnier 2018 bekam Russland den Zuschlag, die WM 2022 ging an Katar. Letzteres Land wurde damit zum ersten arabischen Staat, der eine Fußball-WM ausrichten darf.

Die Entscheidung sorgte sofort für große Verwunderung. Sowohl die klimatischen Bedingungen als auch die politische Lage in Katar wurden kritisch kommentiert. Ein Land ohne große Fußballtradition als WM-Gastgeber – das hätten viele Nationen und Fans vielleicht noch akzeptieren können. Doch das wichtigste Fußballturnier der Welt dort zu veranstalten, wo es im Sommer unglaublich heiß ist und Menschenrechte seit Jahren mit Füßen getreten werden*, stieß auf Ablehnung.

Das Klima-Problem wurde kurzerhand gelöst: Die Weltmeisterschaft wird erstmals im Winter stattfinden, um die Bedingungen für die 32 WM-Teilnehmer etwas erträglicher zu gestalten. Doch die Frage nach dem Umgang vor Ort mit den Menschenrechten und den Arbeitsbedingungen für Gastarbeiter liegen bis heute wie ein Schatten über der WM 2022 in Katar. An der FIFA und deren Präsident Gianni Infantino perlte jegliche Kritik am Gastgeberland ab. Einmal mehr ignorierte der Boss des Weltverbandes alle kritischen Töne. Er lobte vielmehr Katar immer wieder für seine angeblichen Fortschritte.

WM 2022: Norwegische Verbandschefin Klaveness kritisiert Katar und FIFA-Boss Infantino

Auf dem 72. FIFA-Kongress in der katarischen Hauptstadt Doha traute sich eine Frau, dem mächtigen Weltverbandsboss Paroli zu bieten. Die Präsidentin des norwegischen Fußballverbandes, Lise Klaveness, fand kurz vor der WM-Auslosung für die Vergabe an Katar harte Worte: „Die WM wurde von der FIFA auf eine inakzeptable Art und Weise vergeben, und das hatte inakzeptable Folgen“, sagte sie bei ihrer Wortmeldung auf dem Kongress: „Menschenrechte, Gleichheit, Demokratie und das Kerninteresse des Fußballs waren nicht in der Startelf. Diese Basisrechte wurden vom Feld auf die Ersatzbank geschoben.“

Im Februar 2021 hatte der britische Guardian von etwa 6.500 toten Arbeitern im Zusammenhang mit der WM gesprochen. Ende des vergangenen Jahres war im Lagebericht von Amnesty International zu der Lage in Katar zu lesen: „15.021 Nicht-Katarer sind zwischen 2010 und 2019 gestorben – in allen Altersgruppen, aus allen Gründen und in allen Berufen.“ Dabei ging allerdings nicht klar hervor, ob alle der über 15.000 Gastarbeiter auf einer WM-Baustelle oder in sonstigem Zusammenhang mit den Turniervorbereitungen verstorben sind.

Lise Klaveness, Präsidentin des Norwegischen Fußballverbands, spricht während der Eröffnung des 72. FIFA-Kongresses im Doha
Norwegens Verbandschefin Lise Klaveness übte scharfe Kritik an der FIFA und Gianni Infantino. © Nick Potts/dpa

Norwegens Verbandspräsidentin sprach die toten Gastarbeiter in ihrer Rede ebenso an, wie auch Menschenrechtsverstoße in Katar. Für Klaveness steht die FIFA in der Pflicht, für die „verletzten Migranten an den WM-Baustellen, für die Familien der verstorbenen Arbeiter“ zu sorgen. Und bekräftigte: „Es gibt keinen Platz für Gastgeber, die nicht die Sicherheit der WM-Arbeiter sicherstellen. Keinen Platz für Führungsfiguren, die keine Frauenspiele ausrichten. Keinen Platz für Ausrichter, die nicht die Sicherheit und den Respekt für die LGBQT-Plus-Bewegung gewährleisten.“

WM 2022: Katar reagiert wirft Klaveness Unwissenheit vor – die Norwegerin kontert

Norwegens Verband werde „jede Initiative zur Sicherstellung der Kerngedanken des Fußballs, der Menschenrechte und gegen Diskriminierung unterstützen“, ergänzte die frühere norwegische Nationalspielerin. Durch den Fußball könne man „Träume inspirieren und Barrieren durchbrechen. Aber nur wenn die Führungsfiguren richtig und auf höchstem Niveau agieren.“ Eine klare Verbalattacke gegen FIFA-Boss Infantino.

Bei Turniergastgeber Katar kam Klaveness’ Wortmeldung indes erwartungsgemäß nicht gut an. WM-Organisationschef Hassan Al-Thawadi warf der Norwegerin vor, sie habe sich zuvor nicht mit ihm ausgetauscht. „Wir hatten vorher mehrere Gespräche mit dem Organisationskomitee“, widersprach Klaveness.

Norwegens Verbandschefin sah sich mit ihrer Meinungsäußerung nicht alleine: „Ich weiß, dass meine Aussagen von den nordischen Verbänden unterstützt werden. Es ist wichtig, dass wir Allianzen mit Deutschland, Kanada, Australien, allen Ländern haben. Ländern, die unsere ethischen Standpunkte teilen.“ Allerdings erkannte Klaveness ebenso, dass das Stimmungsbild innerhalb der FIFA-Mitglieder insgesamt „geteilt“ sei. Infantino hatte unterdessen seine ganz eigene Sicht auf die Lage im WM-Gastgeberland Katar: „Es ist noch kein Paradies, aber das ist kein Land auf der Welt. Wir werden weitermachen, aber es ist schon eine Menge erreicht.“ Dann lobte der mächtige Fifa-Boss: „Es wird die beste WM aller Zeiten, die größte Show der Welt.“ Für diese Show werden am Freitagabend die WM-Gruppen ausgelost. (kh)

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