WM-Schattenseiten: Menschenhandel und Zwangsprostitution
Kapstadt - Sie lauern auf ihre Opfer vor Schulen, in Einkaufszentren oder bei Popkonzerten: Finstere Geschäftemacher, die in Südafrika mit der Jagd nach jungen Mädchen auf die erwartete Nachfrage nach Prostituierten während der Fußball-WM reagieren.
Kirchen und Behörden fürchten für 2010 wegen des größten Festes in der Geschichte Afrikas einen Boom bei Menschenhandel, Entführungen und Kinder-Prostitution. “Die WM trägt ohne Zweifel dazu bei, dass der Handel mit Frauen und Kindern beachtlich ansteigt“, meint die Leiterin des Büros zur Bekämpfung von Menschenhandel der katholischen Bischofskonferenz, Schwester Melanie O'Condor.
Gewaltexzesse in Südafrika
Vor allem Minderjährige seien im Visier der Kriminellen. Vor manchen Schulen lockten seit geraumer Zeit dubiose Figuren mit angeblichen Ferienjobs. “Mädchen werden in Einkaufszentren angesprochen und für Schönheitswettbewerbe eingeladen. Wir wissen von mehreren Fällen, in denen Kindern danach spurlos verschwanden“, sagt O'Condor.
“Es gibt sicher einen Anstieg versuchter Entführungen“, berichtet auch der Polizeisprecher von Port Elizabeth, André Beetge. Vor Schulen hätten Männer Fotos von Kindern geschossen: “Wir schließen nicht aus, dass da Kataloge zusammengestellt werden“, sagt er. Vor allem in den Armenvierteln in der Region Kwazulu-Natal würden in der Nähe der Klassenräume “Bilder der Waren“ geschossen - also von Kindern, die dann zum Verkauf angeboten würden, zitiert die englischsprachige Sonntagszeitung “City Press“ den Ex-Polizeioffizier und Missbrauchsexperten Mark Hardwick.
Südafrika gilt international als wichtiger Umschlagplatz für den “modernen Sklavenhandel“, wie Papst Benedikt XVI. die schmutzigen Geschäfte mit Menschen geißelte. Eine jüngst veröffentlichte Studie des Forschungszentrums für Humanwissenschaften (HSRC) in Pretoria kommt zu dem Ergebnis, dass Menschenhandel im südlichen Afrika - neben Südafrika wurden auch Lesotho, Swasiland und Simbabwe miteinbezogen - ein “ernstes Problem“ sei. Aus vielen Teilen Afrikas, aber auch aus Asien und Osteuropa würden Menschen illegal ins Land geschleust. Das Leben dieser Frauen, Mädchen und Jungen ende meist in Prostitution, Pornoindustrie, Zwangsarbeit oder Kriminalität.
Die katholische Kirche schätzt, dass allein aus Mosambik jährlich etwa 1000 Mädchen nach Südafrika geschmuggelt werden, um sie als “Sex-Sklavinnen“ oder als “Ehefrauen für Minenarbeiter“ zu verkaufen. Kinder werden laut der HSRC-Studie aber auch aus primitivem Aberglauben entführt: Noch immer nutzten manche der etwa 500 000 Sangomas, der Wunderheiler und Zauberer in Südafrika, menschliche Körperteile für schwarze Magie und dubiose Heilmittel.
In erster Linie geht es aber um das Sex-Geschäft. Skrupellose Banden locken nach Erkenntnissen der Kirche auch in Slums und bitterarmen Landstrichen junge Frauen mit falschen Versprechungen in ihre Fänge oder erwerben Minderjährige für ein bisschen Geld. “Selbst Angehörige verkaufen die hilflosen Opfer in ein schreckliches Leben der Sklaverei“, berichtet die katholische Schwester Monica Shanley im Kirchenblatt “The Southern Cross“.
Während der Weltmeisterschaft im Juni und Juli werden die Schulen geschlossen sein. Shanley befürchtet, dass in dieser Zeit Millionen Kinder “unbeaufsichtigt und besonders verletzlich“ sind und Opfer von Kriminellen werden können. “Die Kinder sind in den dicht gedrängten Fan-Zonen der Innenstädte besonders gefährdet“, berichtet auch Schwester O'Condor.
Im ganzen Land würden deshalb nun Schulkinder in Kursen über die Gefahren informiert. Allein in Johannesburg sollen über 1000 speziell geschulte Kräfte für mehr Sicherheit von Minderjährigen während des WM-Rummels sorgen.
Sogar die US-Regierung, seit dem Ende der Apartheid Südafrika besonders wohlgesonnen, rügt beim Thema Menschenhandel Pretoria. Grund dafür: Südafrika ignorierte bis vor kurzem die im “Palermo- Protokoll“ vereinbarten internationalen Minimalstandards im Kampf gegen Menschenhandel. Nun soll auch ein neues Gesetz juristische Lücken füllen, damit diese Verbrechen effizient verfolgt werden können.
Über das Ausmaß des Menschenhandels gebe es in Südafrika aber noch immer keine verlässlichen Zahlen, kritisierte HSRC-Institutsleiterin Carol Allais. Oft würde das Problem von Behörden nicht ernst genug genommen.
dpa