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Grotesker Streit eskaliert: FC Barcelona und Real Madrid unterstellen sich gegenseitig Diktatoren-Nähe

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Von: Johannes Skiba

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Der FC Barcelona und Real Madrid beschuldigen sich gegenseitig während der Franco-Diktatur von ihrer jeweiligen Nähe zum Regime profitiert zu haben.

Barcelona – Die Rivalität zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona ist weltweit berüchtigt. Neben den sportlichen Auseinandersetzungen gibt es immer wieder auch neben Platz Anfeindungen zwischen Spielern oder Verantwortlichen der beiden Großklubs. Nun ist ein weiterer Streit zwischen den Vereinen deutlich eskaliert. Am Montag (17. April) hatte Barca-Präsident Joan Laporta auf einer Pressekonferenz, auf der er sich eigentlich zu den Untersuchungen aufgrund von Schiedsrichterzahlungen äußern sollte, gegen den großen Konkurrenten gestichelt: „Jeder weiß, dass Real Madrid ein Verein ist, der historisch von Schiedsrichterfehlern begünstigt wurde, der Verein des Regimes.“ Damit bezog sich Laporta auf die Zeit der spanischen Franco-Diktatur von 1939 bis 1975.

FC Barcelona
Gründung29. November 1899
Spanische Meisterschaft26x
Champions-League / Europapokal der Landesmeister5x

Auch katalanische Regierung äußert sich zu Real Madrids Reaktion auf Laportas Franco-Aussage

Diese Aussage von Laporta schlug hohe Wellen. Noch am selben Abend veröffentlichte Real Madrid ein Video auf seinen Social-Media-Kanälen, in dem der Klub die Frage aufwirft „Wer war der Klub des Regimes?“. Im Anschluss wird ein fast fünfminütiges Video gezeigt, in dem unter anderem zu sehen ist, wie das Camp Nou von Francos Generalminister José Solís Ruíz eingeweiht wird und der Diktator Franco zum Ehrenmitglied des Klubs ernannt wurde. Dieses Video, das Real ohne einen Kommentar postete, ließ den Streit endgültig eskalieren.

Joan Laporta (l.) und Florentino Perez sind die beiden mächtigsten Männer im spanischen Fußball – und sind sich meistens nicht wohlgesonnen.
Barcelona-Boss Joan Laporta (l.) und Real-Präsident Florentino Perez sind die beiden mächtigsten Männer im spanischen Fußball – und sind sich meistens nicht wohlgesonnen. © Imago/Graupera/Greenwood

Anschließend äußerte sich sogar eine katalanische Regierungssprecherin mit deutlichen Worten in Richtung des Hauptstadtklubs: „Ich kann Ihnen im Namen der Regierung sagen, dass das von Real Madrid veröffentlichte Video eine so grobe Manipulation der Geschichte ist, dass es wie aus dem Lehrbuch wirkt. Es ist eine unanständige ‘Fake News’ (…). Es ist sehr besorgniserregend, unverantwortlich und eine Beleidigung für die Tausenden von Menschen, die unter dem Franco-Regime gelitten haben, darunter auch der FC Barcelona, dessen damalige Präsident Josep Suñol vom Regime erschossen wurde. Vielleicht erinnert man sich in Madrid nicht mehr an ihn. Es wäre gut, wenn Madrid das Video zurückziehen und sich dafür entschuldigen würde, eine rote Linie überschritten zu haben.”

VereinReal Madrid
Gründung6. März 1902
Spanische Meisterschaft35x
Champions-League / Europapokal der Landesmeister14x

Eine unwürdige Schlammschlacht von Real Madrid und dem FC Barcelona

Tatsächlich wurde Katalonien während der Franco-Diktatur unterdrückt. So durfte etwa kein katalanisch gesprochen werden. Der letzte katalanische Regierungschef während der Diktatur, Lluís Companys, floh 1939 nach Frankreich, wurde von den deutschen Besatzern an das Franco-Regime ausgeliefert und in einem Schnellverfahren hingerichtet. Dass Real Madrid in diesem Kontext vom katalanischen Verein FC Barcelona als den Klubs des Regimes spricht, wirkt in der Tat wie eine Verzerrung der Geschichte. Dazu sind viele der im Video dargestellten Ereignisse, wie beispielsweise die Ehrenmitgliedschaft Francos, nicht eindeutig belegt.

Real Madrid galt durch seine Erfolge in den 1950ern und 60ern als Francos bevorzugter Klub, den er sich für propagandistische Zwecke gerne zu nutzen machte. Ursprünglich war wiederum Atlético Madrid der auserwählte Vorzeigeklub des Regimes. 1939 wurde der Verein mit Francos Luftwaffe zusammengeführt und hieß bis Ende 1946 Atlético Aviacion. Bis heute gehören Teile der Fanszene von Atlético und Real der ultrarechten Szene an. Erst im vergangenen Oktober wurde Reals Vinicius Junior beim Derby gegen Atlético durch Schmähgesänge, Plakate und eine Puppe rassistisch beleidigt.

FC Barcelona umgeht Diskussion um aktuellen Schiedsrichter-Skandal

Für den FC Barcelona sollte es hingegen eigentlich um die Aufarbeitung des aktuellen Skandals, um die Bezahlung von Schiedsrichtern, gehen. Stattdessen hat Präsident Laporta eine Debatte in Gang gesetzt, aus der, aufgrund der Art wie sie geführt wird, beide Klubs als Verlierer herausgehen und die angesichts der enormen Reputation der spanischen Vereine unwürdig für beide Seiten ist. Dennoch kann dies auch eine Möglichkeit sein, die etwas schwammige und unklare Rolle der Vereine während der Jahrzehnte der Franco-Diktatur vollständig aufzuarbeiten. Gegenseitige Schuldzuweisungen helfen dabei jedoch nicht. (jsk)

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