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Bahnrad-Star Emma Hinze: „Ich will toleranter mit mir umgehen“

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Von: Nico-Marius Schmitz

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Gibt alles auf der Bahn: Emma Hinze. © IMAGO/Arne Mill

Drei Goldmedaillen gewann Bahnrad-Star Emma Hinze bei der EM in München. Auch die Weltmeisterschaft verlief erfolgreich. Trotzdem merkte Hinze: Hier passt was nicht, die Akkus sind leer.

Drei Goldmedaillen gewann Emma Hinze bei den European Championships in München. Und das, obwohl sie sich vor dem Sprintfinale übergeben musste. Auch bei der Weltmeisterschaft räumte die 25-Jährige ab. Und merkte dann: Die Akkus sind leer, mein Körper braucht eine Pause. Im Interview mit unserer Zeitung spricht der Bahnrad-Star über das Verschieben von Grenzen, die Periode im Leistungssport und Lehren für das nächste Jahr.

Emma Hinze, welches Gefühl ist bei Ihnen von den European Championships in München geblieben?

Die EM war einfach richtig cool. Ich habe das Gefühl, dass die Tage bei vielen im Gedächtnis geblieben sind. Wir hatten eine große Bühne, die Rennen wurden im Fernsehen übertragen. Mich haben so viele Leute auf die Europameisterschaft angesprochen, mir geschrieben. Daran hat man gesehen, dass es voll viel bewirken kann, wenn unsere Wettkämpfe gezeigt werden. Es lohnt sich auch: bei uns ist immer Action, es passiert immer was, die Wettbewerbe sind spannend.

Vor dem Sprint-Finale mussten Sie sich übergeben. Trotzdem sind Sie anschließend noch gestartet und haben ihr drittes EM-Gold gewonnen.

Wir fahren ja nicht nur ein Rennen, sondern mehrere am Tag. Und das über fast eine Woche. Erst recht, wenn man ins Finale kommt. Irgendwann hat man super viel Laktat im Körper und übersäuert. Du spürst, wie intensiv dieser Sport ist. Bei uns geht man über Grenzen, beziehungsweise muss diese immer weiter nach oben verschieben.

Wie war das Gefühl nach dem gewonnenen Sprintfinale?

Ich habe mich frei gefühlt, total erleichtert. Plötzlich tut der Körper auch nicht mehr so weh (lacht). Im Sprint war es ja ganz knapp, das war schon emotional. Trotzdem möchte ich natürlich nicht ständig den Zustand haben, in dem es mir total schlecht geht und ich mich durchquälen muss. Das wäre nicht gesund auf Dauer für meinen Körper.

Es ist mir wichtig, dass wir darüber sprechen und das Thema normalisieren.

Emma Hinze über das Tabuthema Periode im Leistungssport

Sie haben darauf aufmerksam gemacht, dass Sportlerinnen auch mit Unterleibsschmerzen starten. Es war Ihnen wichtig, das Tabuthema Periode in den Vordergrund zu rücken.

Es ist wichtig, dass wir darüber sprechen und das Thema normalisieren. Ich habe geteiltes Feedback bekommen. Teilweise habe ich sehr negative Kommentare gelesen. Aber, wenn mir einer schreibt „Schmeiß dir doch eine Ibu rein“ hat derjenige auch nicht verstanden, was ich überhaupt sagen wollte. Mein Freund Maximilian Levy (Nachwuchs-Bundestrainer, Anm. d. Redaktion) hat mir gesagt, dass junge Sportlerinnen auf ihn zukommen sind und sich getraut haben, darüber zu sprechen, zu sagen, dass es ihnen nicht gut geht. Ich hoffe, dass ich da etwas geöffnet habe. Das war ein super positives Feedback, da war ich froh und auch ein bisschen stolz. Es sollte niemand Angst haben, über Themen wie die Periode zu sprechen.

Nach der EM in München haben Sie angekündigt, bis zur WM schlafen zu wollen. Konnten Sie wirklich zur Ruhe kommen?

Das war alles viel für meinen Körper. Ich habe mich nicht 100 Prozent erholt gefühlt für die Weltmeisterschaft. Dieses Gefühl möchte man aber oft nicht so richtig zulassen, man verdrängt es. Deswegen habe ich dann aber auf die Champions League verzichtet. Ich wollte wieder Zeit für mich haben, Ruhe finden. Mal wieder richtig ankommen. Das hat mir bislang sehr gutgetan.

Bei der Weltmeisterschaft gab es Gold, Silber und Bronze. Ein super Ergebnis, möchte man meinen.

Ich habe schon gemerkt, dass manche Leute gedacht haben: Hm, okay. So richtig begeistert klang das nicht. Mir ging es auch so, es hat immer ein bisschen gefehlt. Wenn man schon mal alles gewonnen hat, ist das immer die Messlatte. Meine Akkus waren aber super schnell leer. Das war ich nicht gewohnt von mir. Normalerweise habe ich am Ende immer noch mehr Kraft als die anderen. Natürlich sind drei Medaillen super. Trotzdem habe ich gemerkt, dass irgendwas nicht so richtig stimmt und ich aufpassen muss.

Ist es wichtig, dass man sich auch mal die Zeit nimmt und realisiert, was man im jungen Alter schon alles erreicht hat?

Ich habe da vor München mit Pauline Grabosch drüber gesprochen. Wir haben so viele Trikots nach gewonnenen Meisterschaften bekommen, die aber nicht richtig präsent sind und irgendwo untergehen. Das fanden wir falsch. Wir haben uns gedacht: Darauf kann man ruhig stolz sein und sich seine Erfolge anschauen. Ich habe mir jetzt alle Trikots aufgehangen und weiß: Das nimmt mir keiner mehr weg.

Konnten Sie im Urlaub auf Kreta richtig entspannen?

Man ist noch super aufgewühlt, hat viel im Kopf. Das alles zur Seite zu schieben, war schon schwierig. Nach Wettbewerben nehme ich die Anspannung auch oft in die nächsten Tage mit, bin nervös und schlafe unruhig. Aber im Urlaub haben wir dann super viel geschlafen und sehr viel gegessen (lacht). Manche fahren in den Urlaub und wollen sich ständig bewegen. Aber ich glaube, ich hatte genug Bewegung in diesem Jahr.

Was haben Sie für das kommende Jahr gelernt?

Manchmal ist alles zu viel. Das muss man sich eingestehen. Im Leistungssport musst du natürlich immer Vollgas geben. Man muss aber auch auf sich und seinen Körper achten. Und da ist es auch vollkommen in Ordnung, wenn man mal ein Rennen aussetzt oder „nur“ Dritte wird. Für meinen Kopf ist das sehr schwer. Ich will toleranter mit mir selbst umgehen.

Interview: Nico-Marius Schmitz

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