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Bayern-Coach Andrea Trinchieri über Niederlagen – „Ein verdammter Albtraum“

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Von: Nico-Marius Schmitz

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Andrea Trinchieri ist seit 2020 Cheftrainer der Bayern-Basketballer
Andrea Trinchieri ist seit 2020 Cheftrainer der Bayern-Basketballer © Peter Kolb/imago-images

Im exklusiven Interview spricht der Basketball-Headcoach des FC Bayern über Druck, Schiedsrichter und sein Fußball-Pendant Julian Nagelsmann.

München – Andrea Trinchieri war ein absoluter Glücksgriff. Gleich in der ersten Saison führte der 53-Jährige die Basketballer des FC Bayern* in die Playoffs der Euroleague und verpasste nur ganz knapp das Final-Four-Turnier. Einen Tag nach der 70:90-Niederlage in Würzburg nahm sich der Italiener Zeit für ein exklusives Interview mit unserer Zeitung. Ein Gespräch über gute Weine, Ärger mit deutschen Schiedsrichtern und die schockierende Effizienz von Robert Lewandowski.

Herr Trinchieri, haben Ihre Spieler nach dem Spiel in Würzburg eine Reaktion im Training gezeigt?

Das Härteste für einen Trainer ist es, objektiv zu bleiben. Aber ich brauche keine Reaktion. In Würzburg haben wir uns halt selbst blamiert. Und wir unsere Idee davon, professionell aufzutreten, ignoriert. Es war aber auch unser fünftes Spiel in zehn Tagen. So etwas sollte trotzdem nicht passieren - aber es passiert und kann leider wieder vorkommen. Die Sache ist aber klar für mich: Du kehrst den Schmutz nicht unter den Teppich. Wir sprechen sehr deutlich an, was falsch gelaufen ist. Ich war sehr hart zu meiner Mannschaft, sie kennen die Wahrheit. Jetzt müssen wir uns wieder fokussieren.

Wie lange beschäftigt Sie eine Niederlage wie in Würzburg?

Ein Leben lang. Denn das sind Spiele, in denen du live zusehen kannst, wie auf der Stirn vom Trainer eine neue Falte entsteht. Eine Niederlage ist schmerzhaft, ein verdammter Albtraum.

Lassen Sie uns über etwas Positives sprechen. Ihre Vorliebe für gute Weine ist bekannt. Mit welchem Wein würden Sie ihr Team vergleichen?

Das ist eine gute Frage, lassen Sie mich überlegen. Wir sind ein guter Rotwein. Kein allzu alter Jahrgang, wir sind teilweise noch etwas grün hinter den Ohren. Ich würde uns mit einem Barrua vergleichen, ein Wein aus Sardinien. Er hat eine sehr gute Mischung.

Was fehlt aktuell noch zur perfekten Mischung im Team?

Es gibt immer noch Spieler, die verletzt sind, wie Radosevic und Zipser. Es gibt neue Spieler, die noch nicht ganz verinnerlicht haben, was gefordert ist, um in diesem Verein zu sein. Es gibt Spieler, die erst noch ihre Rolle finden müssen. Und es gibt Spieler, die alles über den Klub wissen, aber so langsam erst zurückkehren oder eben noch länger fehlen.

Vladimir Lucic hat nach seiner Rückkehr gleich wieder überzeugt. Sie haben ihn einst als Che Guevara bezeichnet – was macht Ihn so wichtig?

Er ist ein kleiner Revolutionär. Er hat seine eigene Meinung, die er stark vertritt. Vladmir ist ein cleverer, sehr erfahrener Spieler, der immer professionell auftritt. Er wird nie ein Ja-Sager sein, das respektiere ich.

FC Bayern Basketball: Chefcoach Andrea Trinchieri über Erwartungen von außen: „Kämpfe jeden Tag damit“

Ihr Großvater war Diplomat. Fehlen Ihnen manchmal die diplomatischen Fähigkeiten in der Zusammenarbeit mit den Schiedsrichtern?

Das ist kompliziert. Ich glaube, dass nicht mal Kofi Annan oder Boutros-Ghali in der Lage wären, mit jemandem zu kooperieren, der nicht mit dir reden möchte. So fühle ich mich oft. Es gibt dann keine Art von Kooperation, keinen Austausch von Gedanken. Manchmal empfinde ich es so, dass die Polizei mich anhält, weil ich ein kaputtes Licht habe. Ich versuche dem Polizisten den Grund zu erklären, aber es sagt einfach nur: „Nein, du hast ein kaputtes Licht.“ In der Euroleague rede ich mehr mit den Schiedsrichtern, es gibt generell viel mehr Kommunikation. Doch wir sind nun auch mit der BBL im guten Austausch, um die ja für beide Seiten nicht einfache Situation zu verbessern. Letztlich geht es doch darum, den Spielern zu helfen, mit den doch sehr verschiedenen Gegebenheiten in BBL und Euroleague zurecht zu kommen. Und dafür muss man kommunizieren.

Letztes Jahr haben Sie nur knapp den Einzug in das Final Four verpasst. Viele erwarten jetzt erneut den Einzug in die Playoffs.

Das ist schön für sie, aber interessiert mich nicht. Ganz ehrlich: Jeder, der sich mit Basketball und der Euroleague auskennt, würde nie so denken. Aber ich kämpfe jeden Tag damit, Eigenschaften von meinen Spielern zu verändern. Wie soll ich dann auf Leute von der Couch Einfluss nehmen, die ihre eigenen Erwartungen haben?

Ist es nicht trotzdem schwierig, ständig unter dem Druck zu stehen, etwas gewinnen zu müssen?

Druck zu fühlen, ist ein Privileg. Wenn du keinen Druck hast, besser zu werden oder einen Sieg zu holen, bedeutet es, dass du nicht das Talent hast, um überhaupt erst in der Situation zu sein. Ohne Druck zu leben ist nicht das, was ich möchte. Ich mache mir selbst Druck, keiner kann mir zusätzlichen Druck auferlegen. Und keiner kann für mich definieren, was Erfolg ist.

Was könnten nächste Erfolge für die Basketball-Abteilung des FC Bayern* sein?

Wichtig ist: Im Sport kannst du keine Schritte überspringen. Die Bayern-Basketballer gibt es in der Form seit elf Jahren. Der Verein hat es in so kurzer Zeit die Euroleague geschafft und auch schon Titel gewonnen. Jetzt kommen aber erst die größten Herausforderungen. Ich denke, im nächsten Jahr werden wir das Gesicht der Organisation für die nächsten zehn Jahre bestimmen.

Der Umzug in den SAP Garden wird auch ein großer Schritt sein.

Ich habe allerdings noch nie ein Gebäude gesehen, das einen Wurf trifft oder einen Spieler verpflichtet. Der SAP Garden ist eine riesige Möglichkeit, ja. Aber er wird kein Wunder vollbringen. Es ist entscheidend, wie wir diese Chance nutzen werden. Der SAP Garden ist die beste Hardware, die ein Verein haben kann. Du brauchst aber auch die Software, um es entsprechend umzusetzen.

FC Bayern Basketball: Andrea Trinchieri adelt seinen Fußball-Kollegen Nagelsmann „Er ist seiner Zeit voraus“

In Bamberg waren Sie über vier Jahre sehr erfolgreich. Können Sie sich vorstellen, auch in München so lange zu bleiben?

Ich kann mir sogar vorstellen, zehn Jahre hier zu bleiben. Ich lebe, arbeite und denke jeden Tag so, als würde ich die nächsten 20 Jahre für den Verein arbeiten. Aber wer weiß schon, was morgen passiert?

Basketball ist nicht ihre einzige Passion. Auch für den Fußball schlägt Ihr Herz.

Das stimmt. Als Kind habe ich mit meinem Vater in Mailand viele Spiele im San Siro gesehen. Bei 90 Spielen und den ganzen Reisen bleibt aktuell leider nicht viel Zeit für andere Sachen außer Basketball. Ich liebe es aber auch zu lesen, gute Filme zu sehen oder mit einer guten Flasche Wein auf einem Berg zu sitzen. In der Allianz Arena konnte ich leider noch kein Spiel sehen, doch ich war schon dort und es wird noch passieren.

Zudem wollen Sie sich mit Julian Nagelsmann* austauschen.

Das werde ich. Er ist super modern und seiner Zeit voraus. Das ist sehr wichtig. Ich würde gerne eine Trainingseinheit von ihm sehen und beobachten, wie er mit den Spielern interagiert.

Haben Sie einen Lieblingsspieler im Kader des FC Bayern*?

Joshua Kimmich ist ein Spieler, der andere Spieler besser macht. Deshalb mag ich ihn als Spieler sehr. Manuel Neuer ist einer, der, glaube ich, total verrückt ist auf eine sehr positive Weise. Ich glaube, mit seiner Art und Führungsstärke steckt er das ganze Team an. Zudem bin ich immer über die Effizienz eines Robert Lewandowskis schockiert. Er ist unglaublich! Er ist wie eine Jukebox: Du musst nur eine Münze reinstecken und bekommst etwas heraus.

Am Mittwoch haben Sie in Würzburg gespielt, am Freitag gegen Madrid und Sonntag gegen Oldenburg. Muss sich dringend was ändern?

Die Anzahl der Spiele und die Wettbewerbe sind das größte Problem. Ein Spiel in der BBL ist komplett anders als ein Spiel in der Euroleague, nicht nur wegen der Referees. Es ist sehr schwierig, die Mannschaft innerhalb von 48 Stunden umzuprogrammieren. Hier müssen wir eine Lösung mit der Euroleague und den nationalen Ligen finden. Es gibt Teams, die 18 Spieler haben, um konkurrenzfähig zu sein. Das ist auf Dauer viel zu teuer und eine Sackgasse für den Basketball.

Am Freitag kommt Real Madrid in den Audi Dome. Eine Aufgabe, die schwerer kaum sein könnte.

Das stimmt. Sie haben meiner Meinung nach den besten Kader in der Euroleague. Madrid hat 15 Spieler, die in jedem anderen Team starten würden. Wir werden über unsere Limits gehen müssen und sehen dann am Ende, ob das reicht.

Also ist Ihr Team vorbereitet auf Real?

Wann soll ich mein Team auf diese Aufgabe denn vorbereiten? Wir sind Mittwochfrüh um drei Uhr morgens aus Würzburg in München angekommen. Wenn Sie mir einen Weg zeigen, ein Team in der kurzen Zeit auf Real Madrid vorzubereiten, werde ich es machen. Versprochen.

(nms) *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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