F1-Revolte gegen Mauschelei von Weltverband und Ferrari: „Hat FIFA-Dimensionen angenommen“
Ein geheimer Deal zwischen der FIA und Ferrari stürzt die Formel 1 in eine Krise. Die anderen Teams fordern nun eine Aufklärung.
- Ein Abkommen zwischen der FIA und Ferrari sorgt für eine Krise in der Formel 1.
- Die anderen Teams fordern nun Transparenz und Offenlegung des geheimen Deals.
- Die FIA wird schon mit dem Fußballverband FIFA verglichen.
München - Das Abkommen zwischen dem Automobil-Weltverband FIA und Ferrari stürzt die Formel 1 in die größte Krise ihrer siebzigjährigen Historie. Um die Tragweite des Skandals zu verstehen, muss man ein Jahr zurückschauen.
Formel 1: Betrugsverdacht gegen Ferrari bestand schon in der Saison 2019
Ferrari stand schon während der Saison 2019 für den Betrieb des hochkomplizierten Hybridantriebs unter Betrugsverdacht. Besonders Red Bull preschte vor, legte immer wieder den Finger in die Wunde, protestierte aber nicht gegen Ferrari. Warum, erklärt Red-Bull-Chefberater Helmut Marko: „Wir wussten aufgrund unserer GPS-Daten, dass etwas nicht korrekt ist. Wir hatten aber nicht genug Beweise, deshalb protestierten wir nicht offiziell. Die Beweise hatte meiner Meinung nach Mercedes. Die trauten sich aber noch nicht, sondern ließen uns erst mal machen.“
Formel 1: FIA macht geheimen Deal mit Ferrari
Doch die weltweiten Meldungen, die auf die Merkwürdigkeiten des Ferrari-Motors hinwiesen, häuften sich. Deshalb konnte die FIA die Augen nicht ganz verschließen und untersuchte den Fall. Man einigte sich mit Ferrari. Die Italiener mussten für 2020 einen völlig neuen Motor bauen, die Inhalte des Deals wurden aber geheim gehalten. Das Absurde: Die FIA machte in einem von Ferrari- und FIA-Anwälten gemeinsam verfassten Schreiben den Vorgang öffentlich. Das war bizarr und blauäugig zugleich. Denn, so die einhellige Meinung der übrigen Teams, das Statement des Automobilweltverbands trat die Werte von Fairness und Transparenz im Sport mit Füßen.
Bisher hatte die besondere Beziehung von FIA-Präsident Jean Todt zu Ferrari, der dort als Teamchef mit Michael Schumacher große Erfolge feierte und dessen einziges Kind Manager von Ferrari-Star Charles Leclerc ist, lediglich für ein Geschmäckle gesorgt. Durch den FIA-Alleingang wurde das Geschmäckle zum Gestank, der den Teams jetzt zu viel wurde.
Red-Bull-Chefberater Helmut Marko: „Das Ganze hat FIFA-Dimensionen angenommen“
Marko bringt den Skandal in der tz auf den Punkt: „Das Ganze hat FIFA-Dimensionen angenommen. Zwischen FIA und FIFA fehlt nur noch ein Buchstabe. In jedem anderen Verband wäre es politischer Selbstmord, was Todt da als führender Kopf zugelassen hat. Die FIA hat einen Sport in Verruf gebracht, in den wir dreistellige Millionensummen im Jahr investieren. Das kann man sich jetzt nicht mehr bieten lassen.“
Deshalb passiert jetzt etwas, was es in dieser Form in der Formel 1 noch nie gab: Die Teams*, die sich normalerweise noch nicht mal das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen, verbrüdern sich und fordern Aufklärung. Gemeinsam.
Formel 1: Mercedes, Red Bull & Co. hingegen fordern totale Transparenz von der FIA
Nur Ferrari und ihre Motorkunden Haas und Alfa sind außen vor. Mercedes, Red Bull & Co. hingegen fordern totale Transparenz und Offenlegung des geheimen Deals, den Todts FIA mit Ferrari gemacht hat. Notfalls mit gerichtlichen Maßnahmen. Auch, um das ramponierte Image des Sports aufzupolieren.
Für den Automobilverband („die Art der Vereinbarung mit Ferrari ist ein Rechtsinstrument, das in jedem Disziplinarwesen anerkannt ist“) besonders gefährlich: Rechteinhaber Liberty ist mit im Boot der Aufständischen. Durch den Ausbruch des Coronavirus und möglichen Absagen von weiteren Rennen (der GP von China wurde schon gestoppt) befindet sich die Aktie ihres Sports im freien Fall. Fehlende Glaubwürdigkeit durch eventuelle Mauscheleien können sich die US-Amerikaner nicht leisten.
Formel 1 macht größte Krise ihrer Geschichte durch
Fest steht: Die Königsklasse des Automobilsports macht gerade die größte Krise ihrer Geschichte durch. Das sieht auch Ex-Formel-1-Chef Bernie Ecclestone (89) so. Der Brite gegenüber der tz: „Es gab oft Krisenherde mit Flächenbränden, die ich als Art oberster Feuerwehrmann löschen musste. Zu meiner Zeit gelang es aber immer wieder, im Sinne des Sports einen gemeinsamen Konsens zwischen mir, den Teams und der FIA zu finden. Dafür ist es jetzt aber zu spät.“
Ralf Bach
*tz.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes