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Tobias Potye und der Wunsch nach mehr Sprüngen

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Von: Nico-Marius Schmitz

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„Einmalige Atmosphäre“: Tobias Potye bejubelt bei der Heim-EM im Olympiastadion 2,27 Meter – eine Höhe, die ihm die Silbermedaille sichert.
„Einmalige Atmosphäre“: Tobias Potye bejubelt bei der Heim-EM im Olympiastadion 2,27 Meter – eine Höhe, die ihm die Silbermedaille sichert. © IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/KJPeters

Bei der Europameisterschaft gewann Hochsprung-Ass Tobias Potye Silber. Beim Heimspiel in München. Und das, obwohl er über Jahre auf Techniktraining verzichten musste. Das Ziel für 2023: neue Bestleistung, Titelverteidigung.

München – Es schien für einen Moment so, als würde Tobias Potye in der Luft stehen. Die Arme weit ausgefahren, die Fäuste geballt, die Füße einen halben Meter über der Matte. Kurz zuvor war Potye bei den European Championships 2,27 m hoch gesprungen. Das reichte für Silber, eine EM-Medaille für den Münchner in München. Im Olympiapark, seinem Wohnzimmer.

Das Sommermärchen mit vielen magischen Nächten im Olympiastadion schrieb also auch einer mit, der in der bayerischen Landeshauptstadt geboren wurde.

„Beim Gedanken daran hatte ich gerade kurz Gänsehaut“, sagt Potye vier Monate später: „Die Medaille hat einen schönen Platz in meinem Regal. Ich bin natürlich stolz – aber auch lange noch nicht satt.“ Der Erfolg in München, ein Highlight einer Karriere, die in den letzten Jahren häufig durch Probleme mit dem eigenen Körper bestimmt wurde. Probleme mit dem Knie, „die mich die letzten drei bis vier Jahre gekostet haben.“

Mit einem Kompetenzteam hatte Potye die Baustellen noch mal genauer unter die Lupe genommen, einen neuen Plan entworfen. Gezielte Übungen, um das Knie zu stabilisieren. Auf Techniktraining, also Sprünge, musste Potye über Jahre im Training verzichten. Ein Hochspringer, der nicht springt, wie soll das funktionieren? „Ich habe ein sehr gut ausgeprägtes Technikbild, das ich zum Glück schnell wieder abrufen konnte.“ Potyes Training waren die Wettkämpfe. Und eine Teilnahme daran gestaltete sich oft schwierig. „Meine Managerin musste mich oft in Meetings reinquatschen, da ich in den letzten Jahren nicht viele Wettbewerbe vorweisen konnte“, sagt Potye: „Und am Ende springt dann keiner über 2,20 m und man steht alleine da. So ist es natürlich schwierig, sich hochzupushen.“

Bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin sprang der 27-Jährige 2,30 m – persönliche Bestleistung und der Titel. Vor der Weltmeisterschaft in Eugene dachte der 1,98 m große Athlet (LG Stadtwerke) immer wieder an den Meistersprung aus Berlin. Potye dachte sich: So einen liefere ich jetzt immer ab. Das heizte die Aufregung schon 14 Tage vor der WM unnötig auf: „Beim Wettkampf war ich dann einfach fertig in der Birne.“ Deshalb gab es für München eine andere Herangehensweise. Sich so lange wie möglich so wenig wie möglich mit der EM zu beschäftigen: „Ich habe mir gedacht: Ich weiß, was auf mich zukommt. Ich weiß, was ich drauf hab. Ich habe Bock, zu springen. Fertig.“

Ein Plan, der aufging. Potye ließ sich weder vom euphorisierten Heimpublikum noch von der Regenpause aus dem Konzept bringen. Er saugte die Stimmung in den Mengen auf, die er kontrollieren konnte. Und ließ seinen Emotionen dann freien Lauf, als er Silber im Stadion mit seiner Familie und seiner Freundin feierte. Alle mit Tränen in den Augen.

Für 2023 wünscht sich Potye eine neue Bestleistung, eine Titelverteidigung bei den Deutschen Meisterschaften in der Halle und draußen. Und dann ist da noch die EM in Istanbul und die WM in Budapest. „Leistungssport ist immer ein Grenzgang“, sagt Potye. „Du darfst deinen Körper nicht überstrapazieren. Wenn du aber nicht am Limit pusht, kommst du auch nicht vorwärts.“

Von Nico-Marius Schmitz

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