Ja, das ist mir schon immer wichtig gewesen. Auch unabhängig von Reisen, war das schon immer in mir. Ich habe schon früh angefangen, mich zu interessieren und zu engagieren. Zu Schulzeiten war ich in der Oberstufe schon in einer Menschenrechts-AG. Damals habe ich mich intensiv mit den Millenniumsentwicklungszielen beschäftigt. Mein Bewusstsein für die Situation anderer wurde dadurch auch sensibilisiert. Empathie, sich in andere Menschen hineinversetzen, spielt eine wichtige Rolle für mich.
Würden Sie sagen, dass einen Ursprung für Ihr Engagement gibt?
Ich komme selbst aus einer Familie, in der man nicht immer so viel Geld hatte. Deshalb kenne ich die Perspektive und weiß, wie es ist, so aufzuwachsen. Das ist nie verloren gegangen. Dinge, die mich einmal berührt haben, vergesse ich nicht. Das hat mich auch dazu animiert, Politikwissenschaften zu studieren. Ich will mich einsetzen und meinen Beitrag leisten. Über den Sport habe mir so viel Schönes erarbeitet und so viel Schönes erlebt. Ich hatte schon früh das Gefühl, dass Erfolg nur wirklich Spaß macht, wenn man sich mit den Menschen auch verbunden fühlt. Das hat mich alles geprägt und zu der Person gemacht, die ich heute bin. Deshalb ist es mir wichtig, mich für andere einzusetzen und etwas zurückzugeben. Ein Sieg alleine erfüllt mich nicht so tief. Ich möchte den Erfolg teilen und auf meinem Weg zum Erfolg Gutes tun.
Wie ist die Idee mit dem Sport-Online-Programm während der Pandemie entstanden?
2019 habe ich an meiner ehemaligen Grundschule zusammen mit Starkmacher e. V. einen Sportkurs angeboten. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, den Kontakt mit den Kindern aufzubauen und neue Dinge zu lernen. Ich war immer wieder aufs Neue fasziniert, was Kindern so im Kopf vorgeht (lacht). Und vor allem, wie man Kinder auch stärken kann. Während der Corona-Pandemie wollte ich weiter für die Gruppe da sein, daher haben wir den Kurs dann digital angeboten. Ich habe sehr viel positives Feedback bekommen. Wir haben Nachrichten von Familien bekommen, die sich gemeinsam vor dem Bildschirm versammelt und das Sportprogramm bei Malaikas Herzsprung mitgemacht haben.
Der Sport spielt zwar eine wichtige Rolle, macht aber nicht alles aus.
Es sollte nicht nur ein Sportprogramm sein, sondern auch pädagogisch wertvoll. Wir haben uns mit Meditation beschäftigt, mit Naturwissenschaften, die Fantasie sollte angeregt werden. Nach dem Onlinekurs habe ich dann den Verein „Malaikas Herzsprung“ gegründet. Durch die Pandemie sind viele Kinder aus Sportvereinen ausgetreten. Mein Verein setzt sich dafür ein, dass sie wieder zurückkehren können und es nicht am Geld scheitert. Wir übernehmen Beiträge und wollen die Kinder stärken, ihre eigenen Grenzen kennenzulernen und sich sozial zu verbinden. Das Leben in einem Sportverein ist sehr prägend, das war bei mir auch so.
Haben Sie auch das Gefühl, dass die Pandemie Spannungen verstärkt hat und diese durch soziale Medien auch stärker wahrgenommen werden?
Definitiv. Empathie und Toleranz machen eine Gesellschaft stark. Es darf keiner vergessen werden. Es sollte jeder toleriert und akzeptiert werden, so wie er ist. Menschen müssen sich frei entfalten können. In Zeiten der Pandemie hat man gesehen, dass sich die Gesellschaft ein Stück weit mehr gespalten hat, als es vorher offensichtlich war. Hasskommentare auf Social Media zeigen Dinge auf, von denen ich glaube, dass sie vorher auch schon in den Köpfen war. Daher sind wir einfach von einem verdeckten Level auf eine offensichtlichere Ebene gekommen. Ich glaube, diese Grundtendenzen waren auch früher schon da.
Wie gehen Sie persönlich mit negativen Kommentaren um?
Ich habe das Glück, dass ich fast ausnahmslos positive Kommentare unter meinen Beiträgen habe. Darüber freue ich mich sehr. Wenn auf anderen Seiten etwas über mich gepostet wird, gibt es aber natürlich auch das volle Spektrum im Kommentarbereich. Meistens lese ich es nicht und nehme es mir auch nicht zu Herzen. Wenn ich etwas lese, mache ich mich darauf gefasst, dass dort auch unschöne Kommentare stehen können. Das sind leider momentan die Gepflogenheiten auf Social Media.
In den Stadien wird es oft am lautesten, wenn Sie auf dem Bildschirm zu sehen sind. Das konnte man auch in München beobachten. Wie sehr freut Sie diese Wertschätzung von den Rängen?
Das ist immer was Besonderes. So eine Atmosphäre wie in München hatte ich zuvor auch noch nicht erlebt. Es ist schön zu wissen, dass die Leute einen so wahrnehmen, wie man ist. Und zwar nicht nur als Sportlerin. Der Sport ist ein wichtiger Teil meines Lebens, aber ich bin ja mehr als das. Es gibt viele außergewöhnliche sportliche Leistungen. Mich freut es einfach, dass ich auch für meine Persönlichkeit positives Feedback bekomme. Meine Vielschichtigkeit wird wahrgenommen, dadurch fühlt man sich noch mal mehr mit den Menschen verbunden.
Es gibt auch die Musikerin Malaika Mihambo, die den Sehnsuchtswalzer von Franz Schubert auf dem Piano spielt. Oder zusammen mit Trainer Ulli Knapp musiziert.
Bei der Musik kann man sich immer völlig fallen lassen und sich in den Moment hineinbegeben kann. Da kann man gut abschalten, Kräfte sammeln und Dinge verarbeiten. Danach kann ich meist freier wieder an den Start gehen und mich den nächsten Dingen widmen. Musik ist ein toller Ausgleich zum Sport.
Kann man sich also bald auf das Duett freuen - Malaika Mihambo auf dem Piano und Ulli Knapp an der Gitarre?
(lacht). Ich glaube, das dauert noch ein bisschen. Wir genießen einfach die Zeit und den Spaß, den wir mit der Musik haben.
Sie haben die Empfehlung des IOC einer Rückkehr russischer Sportler und die Abwälzung einer Entscheidung auf die Verbände als „Fiasko“ bezeichnet. Es flammt auch wieder die Frage auf, ob man Sport und Politik trennen kann. Wie sehen Sie das?
Ich bin der festen Überzeugung, dass man das nicht trennen kann. Alles, was sich in der Öffentlichkeit abspielt, ist gleichzeitig auch politisch. Aus jeder Entscheidung, jedem Problem ergibt sich zwangsweise immer die Frage, wie sich das auf die Gesellschaft auswirkt. Was bedeutet es politisch, was bedeutet es wirtschaftlich, was bedeutet es sozial? Daher muss der Sport auch regelmäßig bekennen, welche moralischen Werte er vertritt. Sport und Politik ist meiner Meinung nach nicht zu trennen.
Zum Schluss noch eine kurze Vorschau auf die Outdoor-Saison. Bei der Hallen-EM in Istanbul haben Sie den Titel verpasst, startet man da noch motivierter in den Sommer?
Ich denke, es ist auch gut, wenn man nicht immer das bekommt, was man will. Es ist eben nicht immer alles ein Zuckerschlecken. Man muss hart dafür arbeiten und immer den Biss behalten, noch mal alles rauszuholen. Und wieder Anlauf nehmen, um noch weiter zu springen, als man das bislang getan hat.
Interview: Nico-Marius Schmitz