Fünfkampf-Eklat um Pferde-Schläge: Sportlerin erklärt ihre Sicht – Kollegen erheben schwere Vorwürfe

Der Fünfkampf-Eklat bei Olympia rund um Annika Schleu sorgt weiter für Wirbel. Ihre Kollegen erheben nun schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen.
Tokio – Annika Schleu ist sehr überrascht von dem Ausmaß der Kritik nach dem sogenannten „Hau drauf“-Eklat bei Olympia. „Ich denke nicht, dass es in einer Art und Weise war, wie es nicht auch Reiter machen würden, um einem Pferd Gehorsam beizubringen und es zu überzeugen, in den Parcours reinzugehen“, kommentierte sie gegenüber der dpa die Szenen, die für Furore sorgen.
Sie fühle sich „angegriffen“, wenn nun gesagt werde, dass sie „unmenschlich“ sei und von Tierquälerei gesprochen werde. „Ich bin nach bestem Gewissen mit dem Pferd umgegangen“, so Schleu. Sie musste in der Situation zwar „konsequenter“ handeln, sei aber „zu keiner Zeit grob“ gewesen, gibt sich die Sportlerin überzeugt. Dann ein für Fachleute wichtiger Satz: „Wenn man sich die Bilder anschaut, sieht man auch, dass der Zügel locker hängt.“
Olympia-Skandal um Fünfkampf: Schleu reagiert auf Anfeindungen
Das war passiert: Das Schleu zugeloste Pferd „Saint Boy“ verweigerte auf dem Reit-Parcours mehrmals. Die Reiterin brach während des Ritts in Tränen aus. Um das Pferd zu kontrollieren, setzte Schleu ihre Gerte ein und wurde dabei von ihrer Trainerin Raisner mit den Worten „Hau mal richtig drauf“, angespornt. Tierschützer empören sich über diese Szenen. Der Weltverband des modernen Fünfkampfes schloss am Samstag Trainerin Raisner von den restlichen Olympischen Spielen in Tokio aus.
Die Reiterin berichtet in dem Interview, dass das Pferd schon bei einer anderen Reiterin dreimal verweigert hatte. Doch die Chance ein anderes Pferd zu nehmen, bekam Schleu nicht. „Die Besitzerin meines Pferds hat mir dann Tipps gegeben, das habe ich mir alles zu Herzen genommen, das hat auch sehr gut funktioniert auf dem Abreiteplatz, so dass ich eigentlich relativ selbstbewusst in den Wettkampf gegangen bin“, erklärt sie der dpa. Aber: „Die Panik des Pferdes kam in dem Moment, als die Kameras auf uns gerichtet waren. Bis dahin lief alles nach Plan.“
Schleu erklärt die entscheidende Szene: „Ich habe dann aber gemerkt, dass das Pferd total abgeblockt hat und gar nicht richtig wollte. Ich habe versucht, mit einer leichten Hand - ich war nicht mit der Hand doll vorne am Maul dran - auch mit den Beinen und mit der Stimme das Pferd vorwärts zu bekommen, dass es überhaupt in den Parcours reingeht. Es wollte aber gar nicht mehr aus der Ecke gehen.“ In der Stresssituation habe sie dann angefangen zu weinen und anschließend die Gerte eingesetzt.
Fünfkampf-Eklat bei Olympia: „Pferd hätte rausgenommen werden müssen“
Am Tag nach dem Vorfall meldeten sich die männlichen Fünfkampf-Kollegen zu Wort und verteidigten ebenfalls Schleu und Raisner. Sie erhoben ihrerseits schwere Anschuldigungen gegenüber den Verantwortlichen: „Das Pferd hätte rausgenommen werden müssen“, so Kollege Patrick Dogue zur Bild. Schlimm sei der Umgang der Verantwortlichen. Diese würden sich mit ihrem Statement einfach zurücklehnen und Annika Schleu allein mit der Verantwortung lassen. „Man probiert die Verantwortung von sich wegzustoßen“, so Dogue. Zwar sehe es im TV so aus, als sei die Athletin schuld, aber: Wenn man sich das große Ganze ansieht, kann sie da nicht viel für“, so der Kollege.
Eine Schuld sah der deutsche Präsident des Weltverbands UIPM, Klaus Schormann beim Tierarzt. „Dieser Veterinär hat absolut versagt“, sagte er nach dem Abschluss des Männer-Wettkampfs, im dem die beiden deutschen Starter Fabian Liebig und Patrick Dogue nicht über die Plätze 19 und 20 hinausgekommen waren. „Wenn ich so etwas sehe, dann darf ich so ein Pferd nicht mehr loslassen“, sagte Schormann. „Saint Boy“ hatte zuvor bereits bei der Teilnehmerin aus Russland drei Mal verweigert. Laut Regelwerk ist erst bei vier Verweigerungen ein Wechsel für nachfolgende Reiterinnen oder Reiter vorgesehen, der Antrag von Raisner auf einen Wechsel wurde abgelehnt.
Annika Schleu wurde nach den Szenen bei Olympia vor allem in den sozialen Medien massiv mit Hass konfrontiert. Das Ganze erreichte den Punkt, an dem sich die Sportlerin gezwungen sah, ihren Instagram-Account zu löschen. (dpa/sid/rjs)