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Athleten-Präsidentin Karla Borger: „Olympia in Deutschland ist eine riesige Chance“

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Von: Nico-Marius Schmitz

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Mit neuer Teampartnerin: Karla Borger (l.) spielt mit Sandra Ittlinger aus Gröbenzell. © IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Tom Bloch

Das Sportjahr 2022 wurde auch durch politische Diskussionen bestimmt. Doch muss sich ein Sportler zu solchen Themen überhaupt äußern? Haben die Athleten mittlerweile mehr Mitspracherecht? Darüber hat unsere Zeitung mit Karla Borger (34), Volleyballerin und Präsidentin von „Athleten Deutschland“ gesprochen.

Karla Borger, das Sportjahr wurde auch von politischen Diskussionen überlagert. Finden Sie, ein Sportler muss sich aufgrund seiner Reichweite und der Vorbildfunktion zu politischen Themen äußern?

Ich glaube nicht, dass es da ein „Muss“ gibt. Ich selbst habe da eine klare Meinung und äußere mich auch öffentlich zu den Themen. Im Endeffekt muss man es jedem Sportler und jeder Sportlerin selbst überlassen. Es stimmt halt schon, wenn du Leistung bringen möchtest, musst du dich auch auf dich konzentrieren. Man sieht aber, dass immer mehr Sportler diverse Plattformen nutzen, sich zu positionieren. Man hat die Chance, Dinge anzustoßen und zu verändern. Wir stehen aber nicht in der Verantwortung. Wir können ja noch nicht mitentscheiden, wo beispielsweise eine Weltmeisterschaft stattfindet. Aber ich habe das Gefühl, dass sich das krass ändern wird, auch international, und Athleten immer mehr Einfluss bekommen werden.

Auch Einfluss darauf, wohin die nächsten Olympischen Spiele vergeben werden?

Die Athletenkommission soll zumindest in Deutschland viel mehr eingebunden werden als zuvor. Zumindest wird das gesagt. Inwiefern die Sportler und Sportlerinnen dann wirklich eingebunden und ihre Vorschläge umgesetzt oder gehört werden, müssen wir beobachten.

Man hat den Eindruck, dass das Mitspracherecht der Athleten bei den Verbänden oft noch ausbaufähig ist.

Es ist schade, dass wir uns gerade international oft noch nicht so gut organisiert bekommen. Ein Beispiel: Der Volleyball-Weltverband hat uns vor ein paar Tagen eine Mail geschrieben, dass es ab kommender Saison einen neuen offiziellen Spielball gibt – im Februar findet das erste Turnier statt, die Bälle sind laut unseren Informationen frühestens im April auf dem Markt frei verfügbar. Vorab werden nur Top-100-Spiel mit maximal vier Bällen pro Team ausgestattet. Es geht hier um Leistungssport, und es geht um Olympia. Wenn wir uns organisiert hätten und den Verband gefragt hätten, ob er einen Vogel hat, hätten wir eventuell was verändern können. Bis jetzt war ich, glaube ich, leider die einzige Spielerin, die sich dazu öffentlich geäußert hat. Mit einem „ist halt so“ kommt man halt nicht weiter.

Die European Championships in München haben bei vielen die Lust auf Olympia in Deutschland geweckt. Wie stehen Sie dazu?

Man müsste es halt schaffen, Olympia wirklich nachhaltig zu machen. Ich würde mich über den Mehrwert freuen, den die Spiele für den Sport in Deutschland bringen können. Dazu muss aber erst mal aufgearbeitet werden, warum sich die Bevölkerung in Deutschland schon mehrfach gegen Olympia entschieden hat. Es gibt gerade viele Baustellen in Sportdeutschland. Eine Olympiabewerbung darf nicht dafür sorgen, dass andere Dinge hinten anstehen müssen. Aber klar: Olympia in Deutschland wäre ein Kracher und eine riesige Chance.

Nach der Leichtathletik-WM ist wieder das Thema Sportförderung aufgeflammt. Gibt es da nun endlich ein Umdenken?

Es wird sich damit beschäftigt, aber noch nicht mit der Offenheit und dem richtigen Austausch, den es braucht. Das ist mein Empfinden. Es muss endlich mal richtig angepackt werden. Wenn man Leistungssport in Deutschland haben möchte, muss es auch die entsprechenden Strukturen geben. Viele Sportler wissen oft mitten in der Saison noch nicht, ob sie die nächste Saison finanzieren können. Da ist die Frage: Warum brauchen wir dann die riesigen Verbände? Die Verteilung von Geldern muss viel mehr auf die Bedürfnisse der einzelnen Sportarten und Sportler angepasst werden.

Das Sportjahr 2022 hatte auch positive Seiten. Den Hype etwa, den die Frauen-Nationalmannschaft im Fußball ausgelöst hat.

Man hat es ja jetzt auch bei der Weltmeisterschaft in Katar gesehen, dass überall Frauen, die ich übrigens super fand, als Expertinnen vertreten waren. Athletinnen sprechen generell immer offener über Themen und bringen ihre Anliegen auf dem Tisch. Das ist eine super Entwicklung und ein toller Anstoß.

Auch wenn die neu gegründete Expertengruppe des DFB zeigt, dass Diversität oft noch nicht in den Spitzen der Verbände angekommen ist.

Die Besetzung ist unglücklich, das kann man kritisch sehen. Klar, geht es in erster Linie wohl immer noch „nur“ um die Männer-Nationalmannschaft, aber die Jugend und die Frauenabteilung sollten da doch viel intensiver miteingebunden werden. Ich bezweifle, dass sich jeder von dem Expertengremium repräsentiert fühlt.

Aktuell wird diskutiert, ob russische Sportler wiedereingegliedert und an Olympia teilnehmen sollen. Wie sehen Sie das?

Es ist nun mal Fakt, dass Russland den Weltsport über Jahre betrogen hat. Zudem gibt es bereits erste Sportler*innen, die schon für Paris qualifiziert sind. Wie lange müsste man russische Sportler*innen vor einer Wiederzulassung denn erst auf Doping testen, dass es auch fair ist? Ich finde, es müsste mindestens ein Jahr regelmäßige Tests gegeben haben. Und kann man es ukrainischen Sportler*innen wirklich zumuten mit russischen Sportlern an einem Wettbewerb teilzunehmen? Ich bin aktuell nicht der Auffassung, dass russische Sportler*innen in Paris starten dürfen.

Sie haben mit Sandra Ittlinger (Gröbenzell, der gemeinsame Podcast Life is a beach erscheint einmal in der Woche) eine neue Teampartnerin und wollen sich für Paris qualifizieren. Starten Sie also mit viel Schwung in das neue Jahr?

Gerade nach dem Training fühlt es sich nicht nach Schwung an (lacht). Aber ja: die Motivation bei mir ist wieder riesig. Wir müssen jedes Training Vollgas geben und haben nicht so viel Zeit, uns einzuspielen. Das macht aber auch Bock. Ich denke, es werden meine letzten Spiele. Man denkt sich schon: Hey, das ist doch ein cooles Leben, was du führst, hau noch mal alles rein!

Interview von Nico-Marius Schmitz

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