Silke Nowitzki im tz-Interview über den anderen Dirk

Würzburg - Dirk Nowitzki ist einer der besten Sportler, die dieses Land je hervorgebracht hat. Für Silke gehört er zu den besten Menschen, die sie je kennengelernt hat. Der tz verrät sie im Interview, wieso.
Frau Nowitzki, viele Leute sehen in Ihrem Bruder Dirk den NBA-Superstar. Was sehen Sie in ihm?
Nowitzki: Für mich war er schon immer ein Superstar. Seine gesamte Karriere mitzuverfolgen, war für uns schon unglaublich. Die Meisterschaft war für uns jetzt eher die Krönung seines langen Weges. Für mich ist er aber eben auch mein Bruder.
Was schätzen Sie an ihm?
Nowitzki: Neben seiner Leistung vor allem die Werte, für die er steht, einfach seine gesamte Geschichte. Bei ihm geht es nicht darum, sich alleine in den Vordergrund zu stellen, sondern das Team steht an allererster Stelle. Seine Hingabe, die sich dann auf die gesamte Mannschaft übertragen hat, sodass alle an einem Strang ziehen, das finde ich schon toll und darauf bin ich sehr stolz.
Dirk Nowitzkis erster NBA-Titel: Bilder vom Spiel und der Feier danach
Hat er auch seine Makel?
Nowitzki: So eine Leistung ist für das Umfeld nicht so leicht. Der totale Fokus und die Konzentration liegen auf dem Sport, da finden andere Sachen wie die Familie nicht so viel Platz. Da müssen wir alle zusammenhalten, damit alles dem Ziel untergeordnet wird, und da kommt bestimmt die ein oder andere Sache zu kurz.
Wie gehen Sie damit um, dass Ihr Bruder so weit weg ist? Vermissen Sie ihn?
Nowitzki: Ich freue mich schon darauf, ihn endlich wiederzusehen und mich mit ihm zusammen zu freuen. Bis jetzt haben wir es in der Familie so gemacht. Meine Mutter kam direkt nach dem Spiel zu mir rüber, und dann haben wir im kleinen Kreis gefeiert. Aber darauf freue ich mich jetzt schon, ihm persönlich zu gratulieren und den Moment mit ihm zu genießen.
Wie halten Sie beide den Kontakt über das Jahr?
Nowitzki: Wir telefonieren gar nicht so oft, wir chatten und texten mehr. Meine Eltern telefonieren mehr mit ihm, weil sie mit den neuen elektronischen Dingen noch nicht so bewandert sind. An Weihnachten sind wir dann auch ein paar Wochen drüben und im Sommer ist er dann eh hier, also die Zeit vergeht relativ schnell. Nach dem Sieg hat er mich auch angerufen, das hat mich sehr gefreut. Verstanden hab ich zwar nicht so viel, weil es sehr laut war, aber ich habe die ganze Stimmung aufgeschnappt. Eine große Freude war das.
Sie haben ja auch lange Zeit Basketball gespielt. Hat Dirk Ihnen Tipps gegeben?
Nowitzki (lacht): In der letzten Saison habe ich noch in der zweiten Liga für Würzburg gespielt, da haben wir viel verloren. Dann habe ich ihm immer wieder getextet: ,Ach, schon wieder verloren.‘ Darauf er: ,Kopf hoch!‘ Das war aber immer eher ironisch gemeint. Aber er hat sich schon immer erkundigt, wie wir gespielt hatten, das war ganz lustig.
Befürchten Sie, dass er sich nach dem großen Triumph ein wenig verändert?
Nowitzki: Nein, ich habe vielmehr Angst davor, dass sich das Umfeld verändert, dass alles eine ganz andere Dimension annimmt. Jetzt herrscht ja ein ganz großer Hype um ihn, aber ich hoffe, dass sich alles wieder beruhigt und er wieder zurück zur Normalität zurückfindet. Dass es ihn verändert, glaube ich nicht. Dazu ist einfach schon zu viel passiert in den letzten zehn Jahren, also da ist er schon zu gefestigt. Bis jetzt konnten wir uns auch in Würzburg mit ihm noch frei bewegen, konnten zusammen was essen oder in den Biergarten gehen. Da habe ich schon Bedenken, dass es jetzt ein andere Dimension annimmt.
Wie haben Sie die letzten zehn Jahre miterlebt, in denen Dirk für seinen Traum gearbeitet hat?
Nowitzki: Für mich war es bewundernswert. Er hat alles andere hinten dran gestellt, und da konnte auch kommen, was wolle, er war auf dem Stepper oder in der Halle. Auch wenn Feste oder Grillparty waren, da ging nichts. Für Dirk stand das Training an oberster Stelle, es war sein Lebensinhalt. Und auch wenn es nicht mit dem Titel geklappt hätte, hätte ich seine Karriere toll gefunden. Also ich hätte das nicht so dramatisch gesehen. Aber für ihn musste es sein, es war ihm sehr viel wert. Deswegen haben wir auch so mitgefiebert. Ich habe das nicht so gesehen. Er hat so schon viel erreicht, war ja MVP der gesamten Saison. Für ihn kam aber jetzt erst die Krönung.
Geschwister sehen Dinge ja oft anders. Wer hatte denn bei Ihnen das letzte Wort, Dirk oder Sie?
Nowitzki: Wir sind ja vier Jahre auseinander. Ich als die ältere habe schon immer den Beschützerinstinkt walten lassen. Viel gestritten haben wir aber eigentlich nicht, und bei Diskussionen können wir uns auch gut austauschen, also da gibt es keinen, der den anderen unterbuttert. Ich habe ja selbst zwei Kinder, da erlebe ich es tagtäglich. Die sind öfter am streiten als wir damals. So kommt es mir jedenfalls vor.
Wie darf man sich denn das Kinderzimmer Ihres Bruders vorstellen?
Nowitzki: Sport war ja schon immer seins, also da hingen schon viele Basketball-Poster an seiner Wand. Das war die Zeit der Chicago Bulls, die gab es auch in seinem Zimmer zu sehen. Er hatte sein Reich unten im Keller, eine kleine Basketball-Hochburg.
Am Anfang wollte er aber in die Fußstapfen von Boris Becker treten, oder?
Nowitzki: Ja, da war er auch echt talentiert. Auch im Handball. Er hat generell ein großes Talent für Sport, aber es war schon früh klar, dass er sich in einem Mannschaftssport wohler fühlen würde. Und wegen der Körpergröße war er für Basketball einfach prädestiniert. Und da hat er ja dann auch gut reingepasst, da war die Wahl dann schnell getroffen. Ob er es auch zum Tennis-Superstar geschafft hätte? Tennis ist ein einsamer Sport, man ist immer alleine. Beim Basketball gibt es eben eine Mannschaft, die einen immer wieder auffängt, und mit der man zusammen etwas erreichen kann.
Bei der Meisterfeier mit dem Team trug Dirk eine durchaus modische Hornbrille. Wie stehen Sie zu seinen modischen Experimenten?
Nowitzki (lacht): Die Brille hat er einem seiner Spielerkollegen weggenommen, das war eher so ein Partygag. Aber ich finde es ganz witzig, dass er sich da immer etwas Neues überlegt und die ganze Welt über seine Haare diskutiert. Meine Eltern sehen das allerdings etwas strenger, die würden es am liebsten nicht so ausgeflippt haben, aber ich finde es ganz witzig, auch mal ein paar neue Looks zu sehen.
Wenn Sie Ihrem Bruder einen Plan für die Zeit nach der Karriere erstellen müssten, wie würde der aussehen?
Nowitzki: Gute Frage! Das wird dann ein ganz neuer Lebennabschnitt für ihn sein, fast sogar schon ein zweites Leben. Leicht wird es ja nicht werden, nach so einer ersten Hälfte. Er ist es ja gewohnt, dass ihn bei jedem Spiel mindestens 5000 Leute zujubeln, dann wird es danach schwierig, etwas zu finden. Das wird auf jeden Fall interessant werden. Ich denke aber, dass auch er seine Nische finden wird, durch die er dem Basketball auch erhalten bleibt, was ihm ja bis jetzt so viel gebracht hat. Das ist auf jeden Fall die nächste Challenge.
Damals kam Don Nelson, der ehemalige Trainer der Mavericks, extra nach Würzburg, um sich ein Bild von Dirks Umfeld zu machen. Erinnern Sie sich daran?
Nowitzki: Ja, damals hatte Dirk einen alten, weißen Golf mit einer verlängerten Schiene, weil er sonst nicht hätte sitzen können. Da haben sich also alle reingequetscht, Dirk, Holger (Geschwindner, d. Red.) und die zwei Nelsons, und sind nach Bamberg gefahren. Damals wusste ja noch keiner, was das alles heißt. Das war aber auf jeden Fall ein lustiger Anfang. Jetzt hat er es bin in das Finale geschafft und ist Meister geworden, das ist schon filmreif.
Das war der Anfang. Findet der Schlussakkord vielleicht beim FC Bayern statt?
Nowitzki: Schwierig! Man weiß ja auch nicht, wie das jetzt mit dem Lockout weitergeht, welche Restriktionen die NBA den Spielern auferlegt. Das ist dann auch nicht leicht, überall zu spielen. Aber ausschließen sollte man sowas nie…
Interview: J. Carlos Menzel Lopez