DSV-Adler Eisenbichler: Ich springe nicht gegen Severin Freund
München - Im tz-Interview blickt DSV-Adler Markus Eisenbichler auf die Vierschanzentournee 2016/2017 - und schätzt ein, was für Deutschland drin ist.
Die Fanmassen machen sich bald auf den Weg, die Springer sind schon bereit. Am Donnerstag beginnt in Oberstdorf die Vierschanzentournee mit dem ersten Training an der Schattenbergschanze (ab 14.45 Uhr). Die Qualifikation folgt dann um 16.45 Uhr, das erste Springen am Freitag um 16.45 Uhr. 27 000 Zuschauer passen in die Arena, für die Athleten ist das ein unglaublicher Ausblick – wie das Foto rechts mit Markus Eisenbichler beweist. Das tz-Interview mit dem DSV-Adler:
Wie viel Anteil hat mentale Stärke an einem guten Sprung?
Eisenbichler: Die Psyche macht sehr viel aus, es gibt Springer, die brauchen den extremen Tunnelblick und schotten sich ab, andere sehen alles lockerer und machen ihre Späße. Ich liege irgendwo dazwischen, ich blende viel aus, und wenn ich merke, dass ich nervös werde, habe ich verschiedene Techniken, um mich zu beruhigen. Ich habe vor zwei Jahren mit einem Psychologen gearbeitet, der nicht aus dem Sport kam, das hat mir in dieser Hinsicht sehr geholfen.
Die Tournee ist auch Kopfsache, was erwarten Sie selbst von sich?
Eisenbichler: Ich will gut springen, aber ich mache auch nicht so ein Fass auf wie die Medien. Der Hype ist groß, dabei sind es nur vier Springen, die schnell aufeinanderfolgen. Außerdem weiß ich: Wenn ich mir Druck mache, geht es in die Hose.
DSV-Adler Eisenbichler: Wir müssen uns innerhalb von 0,2 Sekunden entscheiden
Wie gefestigt ist Ihr System?
Eisenbichler: Gefestigt. Klar, ab und an rutscht mir einer aus, aber da bin ich entspannt, ich kann das schnell reflektieren. Skispringen ist ein sehr komplizierter Vorgang, wir müssen uns innerhalb von 0,2 Sekunden entscheiden, ob wir unsere Komfortposition im Anlauf verlassen oder sitzenbleiben.
Haben Sie in Ihrer Jugend gerne die Tournee geschaut?
Eisenbichler: Ich habe sie im TV gesehen, aber viel faszinierender fand ich das Skifliegen, das ist für mich die Königsdisziplin, man muss die Ski beherrschen und so weit fliegen, wie möglich. Das ist der Grund, warum ich Skispringer geworden bin, den deutschen Rekord (245 Meter, Anm. d. Red.) würde ich gerne knacken, aber mit meiner bisherigen Bestleistung von 225,5 Meter habe ich noch etwas Luft.
Eisenbichler: Mir ist es lieber, wenn ein Deutscher vor mir steht
Den Rekord hält Severin Freund, was ist es für ein Gefühl mit ihm auf einem Niveau zu springen?
Eisenbichler: Ich springe nicht gegen Severin, sondern für mich, und mir ist es lieber, wenn ein Deutscher vor mir steht als ein Springer aus einer anderen Nation. Nach meinem Podestplatz in Lillehammer war Severin der Erste, der mir geholfen hat, der mir die Ski zusammen gebunden und Fotos gemacht hat, so wie wir es immer für ihn getan haben. Er verkriecht sich nicht, sondern gönnt jedem aus dem Team den Erfolg. Severin hat es in den vergangenen Jahren als einer der wenigen geschafft, sein System so stabil zu halten, dass er immer vorne mitspringen kann, da konnte ich mir etwas abschauen.
Die vier Schanzen, die kurzen Pausen, liegt Ihnen das?
Eisenbichler: Ich liebe das, längere Sprungpausen mag ich ohnehin nicht. Im Sommer beim Continental-Cup sind wir jedes Wochenende gesprungen, das hat bekanntlich gut geklappt. Und wenn man gut springt, will man so schnell wie möglich wieder auf die Schanze.
Sie haben die Möglichkeit, endlich eine neue Tourneegeschichte für sich zu schreiben. Bisher tauchen Sie in der Historie nur auf, weil Sie 2011 Martin Schmitt im K.-o.-Duell besiegt haben.
Eisenbichler: Und ich konnte mich nicht einmal richtig darüber freuen. Am Ende bin ich nur 30. geworden. Mal sehen, er wird ja als TV-Experte vor Ort sein. Wenn ich gut springe, treffen wir uns vielleicht vor der Kamera, das wäre ein schöne Sache, denn Martin ist ein ganz großes Idol unserer Sportart.
Wenn Sie es sich aussuchen dürften: Lieber ein Weltcupsieg oder ein Triumph bei einem Skiflugweltcup?
Eisenbichler: Dann lieber im Skifliegen, am besten in Planica. Für einen Sieg fehlen mir noch ein paar Prozent, aber ich habe gemerkt, dass man die nicht erzwingen kann, man muss einfach sein Zeug machen.
Interview: Mathias Müller