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Volleyballerin Kimberly Drewniok (25) über Rücktritt aus der Nationalmannschaft: „Die Stimme des Herzens war lauter“

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Von: Nico-Marius Schmitz

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Kimberly Drewniok
Volleyball bleibt die Passion Nummer eins beim Kimberly Drewniok. © Foto: Conny Kuhrt

Kimberly Drewniok ist mit 25 Jahren aus der Volleyball-Nationalmannschaft zurückgetreten. Im Interview spricht Drewniok über den Wert des Sports, ihre afrikanische Wurzeln und Inspiration für den Nachwuchs.

Kimberly Drewniok sitzt grinsend auf einem Balkon in Istanbul und zeigt via Zoom-Call die Aussicht aufs Meer. „Hier kann man sich doch nur wohlfühlen.“ Am vergangenen Sonntag hatte die Volleyballerin, die letztes Jahr in die Türkei wechselte, bekannt gegeben, dass sie ihre Karriere in der deutschen Nationalmannschaft beendet. Mit gerade einmal 25 Jahren. Mit unserer Zeitung spricht sie über die Gründe für ihre Entscheidung, ihre afrikanischen Wurzeln und Pläne für die Zukunft.

Kimberly Drewniok, am Sonntag haben Sie verkündet, dass Sie aus der Nationalmannschaft zurücktreten. Haben Sie seitdem sehr ruhig oder sehr unruhig geschlafen?

Gemischt. Es war eine sehr emotionale Entscheidung. Ich habe mir viel Zeit genommen, um mich für diesen Weg zu entscheiden, das war nicht leicht. Mit der Entscheidung bin ich absolut im Reinen. Die Nationalmannschaft hat mich sieben Jahre lang begleitet, es war eine sehr prägende Zeit. Als es bekannt wurde, habe ich eine Erleichterung gespürt, weil es endlich offiziell war. Es steckt ja auch viel mehr dahinter als einfach nur, dass ich nicht mehr für die Nationalmannschaft spiele. Es fühlt sich auch mit etwas Abstand immer noch richtig an. Ich habe keine Panik bekommen (lacht).

Sie haben gesagt, dass hinter der Entscheidung ein Prozess steht. Können Sie uns den Prozess näherbringen?

Vor ungefähr drei Jahren hat das angefangen. Ich saß damals in China am Flughafen und habe auf Instagram eine Nachricht von meiner Cousine bekommen: ‘Ich habe von dem schweren Reitunfall deiner Mutter gehört. Geht es ihr gut?’ Ich wusste überhaupt nicht, wovon sie spricht. Ich war am anderen Ende der Welt und habe Panik bekommen. Meine Mutter musste ins Krankenhaus und wurde operiert, es ist alles gut ausgegangen. Aber ich habe einfach diese Angst gespürt, weil ich so fern war. In dem Jahr hat uns unser Sportpsychologe gefragt, was unser warum ist. Warum bin ich hier? Ja, warum bin ich denn eigentlich hier? Ich habe mich in den letzten Jahren viel mit mir, mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt. Ich habe mein Leben aus anderen Perspektiven betrachtet. Lebe ich im Einklang mit meinen Werten, was sind meine Werte überhaupt? Volleyball gibt mir so unglaublich viel. Mir ist aber auch bewusst geworden, dass ich viel mehr bin als nur diese Athletin. Ich bin eine Tochter, Schwester, Enkelin, Patentante, Freundin … Jede Rolle hat mich auf verschiedenen Abschnitten in meinem Leben geprägt.

Ihre Familie hat bei der Entscheidung natürlich auch eine wichtige Rolle gespielt.

Ich komme aus einer Kindheit, die geprägt war von Natur und Tieren. Meine Mutter hat mich alleine aufgezogen, sie hat mich trotz der Herausforderungen zu jedem Training gebracht, war bei jedem Spiel. Meine Mama war und ist mein größter Supporter. Wenn ich nicht in der Halle trainiert habe, war ich den ganzen Tag draußen – mit Pferden, Hunden und Katzen, ein bisschen Pippi-Langstrumpf-Style. Das hat mir immer unglaublich viel Energie gegeben. Wenn du von der Nationalmannschaft aber sofort wieder zum Club fährst und andersrum, fehlt die Balance, du hast wenig Zeit für die Familie. Ich möchte die Verbindung zur Familie und Natur wieder stärken. Rational betrachtet, hätte ich meine Karriere auch nach Olympia in Paris 2024 beenden können. Aber die Stimme des Herzens war lauter.

Gab es auch negative Stimmen nach der Entscheidung?

Ich habe unglaublich viel Liebe und Zuspruch gespürt. Leute, die mich jahrelang als Volleyballspielerin unterstützt haben, unterstützen mich jetzt als Mensch. Das war eine schöne Erkenntnis. Für die Nationalmannschaft zu spielen, ist eine absolute Ehre. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Erfahrungen sammeln durfte. Ich bin stolz auf meinen Weg, angefangen bei meinem Heimatverein RC Sorpesee, über das Sportinternat in Berlin, Spitzenvereine in Deutschland und nun eine internationale Karriere. Dabei ist es jedoch immer wichtig, sich selbst treu zu bleiben und auf seine innere Stimme zu hören. Sonst würde ich weder mir selbst noch meiner Familie oder Mitspielern gegenüber, fair bleiben.

Es ist Ihnen aber auch wichtig, zu betonen, dass Sie dem Volleyball treu bleiben.

Volleyball ist weiter meine Passion Nummer eins. Ich werde den Sommer auch nutzen, um mich weiter als Athletin zu optimieren. Ich werde auf Vereinsebene stärker zurückkommen und will irgendwann auch noch mal in Deutschland spielen. Ich will der Volleyball-Welt was zurückgeben und werde diesen Sommer viele Projekte angehen, die darauf angelegt sind, die jüngere Generation zu inspirieren und unterstützen.

Sie sind Ihrem Heimatverein RC Sorpesee weiter sehr verbunden. Wie wichtig war Volleyball und der Vereinssport für Sie in der Kindheit?

Volleyball hat für mich schon immer eine prägende Rolle gespielt. Ich bin einem kleinen Dorf aufgewachsen und früh aufgefallen, bedingt durch meine Größe, meine Hautfarbe, meine Haare, meine Sommersprossen. Als Kind war es schwierig für mich, damit umzugehen. Ich habe versucht, mit meiner Persönlichkeit entgegenzusteuern und war eher ruhig und schüchtern. Beim RC Sorpesee habe ich mich dann erstmals richtig zugehörig gefühlt. Es war wie ein Familienzuwachs. Wenn ich nur ein Kind aus meinem Heimatverein mit meinem Weg inspirieren kann, ist das schon Gold wert. Diese Vorbildfunktion war mir schon immer wichtig. Ich habe in meiner Wohnung nur wenige Medaillen hängen. Hier hängen Briefe und Bilder von Kindern, die ich nach Spielen bekommen habe. Meine Botschaft an die jüngere Generation ist, dass sie niemals das Vertrauen an sich selbst verlieren, dass sie den Mut haben, für ihre Träume loszuziehen.

Sie wollen sich nun auch weiter verstärkt sozial engagieren. Unter anderem bei der Hilfsorganisation „Let´s Keep The Ball Flying“.

Wir sind als Sportler sehr privilegiert, in Deutschland besonders. Das habe ich auch auf den Reisen mit der Nationalmannschaft gemerkt. Ich möchte, dass Kinder auf der ganzen Welt dieses Gefühl von Zugehörigkeit spüren können. Dass ihnen eine Perspektive geboten wird. „Let´s keep the ball flying“ hat genau diese Mission. Ich freue mich, Teil dieser Mission zu sein und Kindern weltweit einen Zugang zur Gesellschaft zu geben. Wir besuchen diesen Sommer auf Bali ein Volleyballcamp, es geht auch noch in andere Länder. Mein Vater kommt aus Togo, meine afrikanischen Wurzeln sind mir sehr wichtig. Bisher habe ich es noch nicht geschafft, nach Afrika zu reisen. Ich hatte immer schon das Bedürfnis, etwas zurückzugeben. Ich habe die letzten Jahre meine Trikots immer versteigert und dann an Hilfsorganisationen in Afrika gespendet. Mein großer Wunsch ist es, dorthin zu reisen, um meine Wurzeln zu erkunden. Ich will dort mit den Kindern Volleyball spielen und ein Lächeln auf ihren Gesichtern sehen. Das ist mein Traum.

Interview: Nico-Marius Schmitz

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