Kommentar: Türkgücü München muss erstmal seine Hausaufgaben machen

Eigenes Stadion, neues Kulturzentrum - Türkgücü München hat viele Träume, aber nicht ansatzweise einen Plan, wie alles umgesetzt werden soll. Ein Kommentar.
Einstellung des Spielbetriebs, Chaos und Insolvenz: Türkgücü München wollte im Sommer ein neues Kapitel aufschlagen. Weg vom Größenwahn vergangener Tage, stattdessen mehr sportliche Schlagzeilen. Doch die Probleme abseits des Platzes sind gleich geblieben, weil der Klub aus der Vergangenheit nicht gelernt hat.
Vor der Saison hatten die Verantwortlichen alle Hände voll zu tun, eine passende Spielstätte zu finden. Auf den letzten Drücker präsentierte der Verein das Grünwalder Stadion und das Olympiastadion. Um sich dann im Herbst doch wieder auf der Anlage des SV Heimstetten einzumieten. Im Olympiastadion wurde bisher gar nicht gespielt.
Türkgücü München nimmt Stadt München bei Stadionfrage in die Pflicht
Die Suche nach einer dauerhaften Spielstätte nervt offensichtlich. „Wir können uns das definitiv nicht mehr bieten lassen“, findet Präsident Taskin Akkay und nimmt – wie schon sein Vorgänger – mal wieder die Stadt in die Pflicht. Der Klub träumt vom Dante- oder Grünwalder Stadion – der FC Bayern II könnten ja mit den Frauen tauschen, die weniger Spiele haben, und an den Campus wechseln. Dumm nur, dass die Stadt das durch Leichtathletik und American Football ausgelastete Dantestadion seit Jahren kategorisch für den Fußball ausschließt und die NLZ-Spielstätte nicht Regionalliga-tauglich ist.
An der Säbener Straße wird man sich über den Vorstoß wundern. Durch den Auszug der Frauen-Mannschaft im Corona-Jahr 2020 hat der Branchenprimus überhaupt erst Platz für Türkgücü in Giesing geschaffen. Und warum muss eigentlich die Stadt für die nötigen Bedingungen sorgen? Der SV Pullach war ab 2015 bis 2018 dreimal Zweiter und einmal Meister der Bayernliga Süd. Obwohl der Klub aus dem Landkreis München damals alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, konnte kein Stadion gefunden werden und der Regionalliga-Traum platzte.
Kulturzentrum in Riem: Stadt München erfährt von Türkgücüs Plänen aus der Presse
Auch bei den Plänen zum Bau eines Kulturzentrums bleiben Fragezeichen. Anfang Dezember – in einer extra angesetzten Pressekonferenz – hieß es, die Gespräche würden laufen. Nur weiß bei der Stadt München niemand davon. Im Gegenteil, denn die Politik wurde vom Vorstoß überrascht und vernahm die ambitionierten Ziele aus der Presse. Türkgücü bezog sich auf den Dialog zwischen Stadt und Ex-Geschäftsführer Max Kothny – vom Januar 2021. Die neuen Ideen sind nach Einschätzung der Stadt „aufgrund der sportlichen und finanziellen Entwicklung von Türkgücü München auf absehbare Zeit nicht realistisch“,
Obwohl nach dem Chaos im Frühjahr alles anders sein soll, erinnert doch wieder vieles an die Visionen und Illusionen unter Hasan Kivran. Sportlich läuft es, Türkgücü überwintert sogar vor der 2. Mannschaft des FC Bayern. Um aber wirklich von einer Zukunft mit eigener Heimat träumen zu können, müssen Akkay und Co. kleinere Brötchen backen und erstmal ihre Hausaufgaben erledigen. (jb)