Kitzbühel-König Cuche über seine Streif-Abfahrten: „Wie soll ich das überleben?“

Am Freitag steht die Streif in Kitzbühel an. Rekordsieger Didier Cuche spricht im tz-Interview über die Piste, Partys und seine Favoriten.
München/Kitzbühel - Am Dienstag fand auf der legendären Streif in Kitzbühel das erste Training statt. Am Freitag steigt die erste von in diesem Jahr zwei Abfahrten. Der König von Kitz ist ohne Frage Didier Cuche (48). Der Schweizer ist mit fünf Erfolgen im Ski-Mekka der Rekordsieger. Wir haben mit ihm über seine Erfahrungen und Ängste auf der Höllenstrecke gesprochen.
Herr Cuche, was fällt Ihnen als erstes ein zu Kitzbühel?
Cuche: Das Wort, das mir einfällt, ist: Wahnsinn. Wahnsinn in allen Bereichen. Nicht nur die Strecke, sondern auch das Ambiente mit so vielen Zuschauern. Und natürlich ein Wahnsinn auch für mich persönlich mit den Siegen, ohne einmal gestürzt zu sein.
Können Sie sich noch an Ihre erste Fahrt erinnern?
Cuche: Also beim ersten Mal, das erste Training 1996, das war kein Vergnügen. Ich war extrem angespannt und es kommen auch spezielle Sprüche von Kameraden wie zum Beispiel: „Hoffentlich hast du nicht zu viel ausgepackt, wir wollen nicht für dich wieder einpacken, wenn du nicht heil runterkommst.“

Und wie lief es dann?
Cuche: Vor meinem Start war dreimal der Hubschrauber unterwegs und ist Richtung Krankenhaus geflogen. Ich dachte mir: Wie soll ich das überleben, wenn die Besten der Welt stürzen? Aber ich wollte dann nicht, dass mein Name zu denen gehört, die nicht ankommen. Ich habe es überlebt, aber es war kein Vergnügen. Zwischenzeitlich war ich fast wie Bode Miller damals mit dem Ski auf dem Fangnetz und danach hatte ich überhaupt kein Tempo mehr. Unten hatte ich dann acht Sekunden Rückstand, habe aber direkt nach der Ziellinie die Arme hochgerissen und gejubelt, als ob ich gewonnen hätte. Die Athleten im Ziel haben da natürlich alle gelacht. Zwei Jahre später habe ich dann aber gewonnen.
Warum hat es für Sie auf dieser gefürchteten Strecke so gut funktioniert?
Cuche: Ich glaube, dass mir 1998 mein erster Weltcupsieg dort gelungen ist, war sicher ein wichtiger Grundstein.
Streif: Was die Piste in Kitzbühel am Ende so speziell macht
Keine Weltcup-Abfahrt ist leicht - aber was macht Kitzbühel so speziell?
Cuche: Nirgendwo sonst ist der Grat zwischen es richtig zu machen oder im Netz zu landen so schmal. Und zwar nicht nur an einigen Stellen, sondern von oben bis unten. Zum Beispiel die Ausfahrt Steilhang. Wenn du da nicht exakt rauskommst, hast du keine Chance mehr, danach richtig reinzukommen und Tempo zu machen. Und danach geht es Schlag auf Schlag weiter, dass man die Linie so genau treffen muss. Wenn einem das bis runter gelingt, dann macht die Zieltraverse richtig Spaß.

Spaß auf der Streif?
Cuche: Wenn das nicht klappt, ist es die Hölle. Aber wenn man bemerkt, dass man alles richtig gemacht hat und es dann im Ziel grün aufleuchtet, das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Mit den Jahren und der Erfahrung war es bei mir immer mehr Vorfreude. Klar hat es Athleten immer auch erwischt dort und das reist mit. Aber wenn man dann gesund wieder heimreisen kann, ist es umso schöner. Vor allem mit so einem Gamsbock im Kofferraum.
Danach wurde immer ordentlich gefeiert, oder?
Cuche: Ja, aber da war Kitzbühel die Ausnahme vom Winter. Von Kitzbühel heil abreisen und sich als Sieger feiern lassen im Londoner, das ist speziell. Ich betone aber: Ausnahme. Jedes Wochenende Party machen so wie Bode Miller habe ich mich nie getraut. Aber auch Bode hat irgendwann bemerkt, dass man besser ist mit mehr Seriosität.
Kitzbühel: Favorit Kriechmayer wird Streif gewinnen - nur eine Frage der Zeit
Zu den Abfahrtsstars von heute: Waren Sie etwas traurig, als Beat Feuz sein Karriereende bekannt gegeben hat?
Cuche: Ein bisschen traurig schon. Er ist eine Persönlichkeit, die gutgetan hat. Überrascht, dass das so spontan kam, war ich auch kurz, aber bei mir war das ähnlich. Seine Erklärung, dass es bei der WM nicht um Beat, sondern die WM gehen soll, fand ich sehr cool. Er hat alles gewonnen, was man als Abfahrer gewinnen kann. Daher kann ich das gut verstehen. Auch wegen seiner Knie-Geschichte. Außerdem ist er ja 36 und Familienvater. Er hat alles richtig gemacht, das ist bestimmt kein falscher Zeitpunkt.
Die besten Abfahrer aktuell sind Aleksander Aamondt Kilde, Marco Odermatt und Vincent Kriechmayer…
Cuche: …und alle drei sind unterschiedlich, vom Skifahrerischen und vom Charakter her. Ich bin überzeugt, dass Kriechmayer die Abfahrtwertung einmal gewinnen wird in seiner Karriere. Er fährt technisch so cool, ist so konstant und stabil. Kilde dagegen geht immer extrem ans Limit. Ich wünsche ihm, dass er gesund bleibt. Aber das ist eben sein Fahrstil - falls er mal rausnehmen würde, wäre er gleich nicht mehr so schnell. Und ein richtig cooler Hund ist er auch.
Und Odermatt?
Cuche: Zu ihm gibt keine Worte mehr. Er gehört zu den Namen, die in 50 Jahren noch präsent sein werden. So wie Svindal, Kjus, Maier oder Hirscher.
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