Mit seinem waren Videos von rund 50 andere Schauspieler:innen veröffentlicht worden. Mehrere distanzierten sich mittlerweile von ihren Beiträgen - unter anderem Ulrike Folkerts. Sie bezeichnete ihre Teilnahme an der Aktion als Fehler. „Die Videos, die entstanden sind, wurden falsch verstanden, sind vielleicht falsch zu verstehen“, wie die „Tatort“- Kommissarin am Freitagabend auf Instagram schrieb. „Ich habe einen Fehler gemacht, ich war naiv genug zu glauben, mit meinen Kollegen*innen ein gewinnbringendes Gespräch in Gang zu bringen. Das Gegenteil ist passiert.“ Es tue ihr leid, „Menschen verletzt und vor den Kopf gestoßen zu haben“.
Die Corona-Maßnahmen bezeichnete Folkerts als „absolut richtig“. Sie sei weit davon entfernt, „Querdenkern und Rechten Argumente in die Hände zu spielen“, betonte sie. „Es ist furchtbar, dass man mir das unterstellt.“ Die Aktion sei „schief gegangen und unverzeihlich“.
Auch Schauspieler Richy Müller distanzierte sich inzwischen von der Aktion. „Ich musste feststellen, dass mein Video vielen Menschen wehgetan hat, die ich niemals kränken oder veralbern wollte“, sagte der 65-Jährige dem Nachrichtensender ntv. Er sei blauäugig gewesen. Dabei sei er indirekt sogar selbst betroffen: „Die Tochter meiner Frau ist mit Anfang 20 zu Beginn der Pandemie an Corona erkrankt. Und sie hatte ein halbes Jahr lang Probleme mit der Atmung.“
Update vom 23. April, 15.12 Uhr: Die deutsche Schauspiel-Welt wirkt nach der #allesdichtmachen-Aktion gespalten. Nachdem Top-Schauspieler:innen die Corona-Politik der Bundesregierung kritisiert haben, erhielten sie auch von vielen Kolleg:innen ihrer Zunft deutliche Kritik für ihre Stellungnahme. Es werden nun sogar ernstere Konsequenzen gefordert.
Wie die Bild berichtet, fordert der SPD-Politiker und WDR-Rundfunkrat Garrelt Duin harte Konsequenzen für beteiligte Schauspieler. So sollen etwa die Hauptdarsteller aus der Krimi-Reihe „Tatort“, Jan Josef Liefers (Tatort Münster) und Ulrich Tukur (Tatort Hessen), seiner Meinung nach nicht mehr für ihre Rollen engagiert werden.
„Liefers und Tukur verdienen sehr viel Geld bei der ARD, sind deren Aushängeschilder. Auch in der Pandemie durften sie ihrer Arbeit zum Beispiel für den Tatort unter bestem Schutz nachgehen. Durch ihre undifferenzierte Kritik an ‚den Medien‘ und demokratisch legitimierten Entscheidungen von Parlament und Regierung, leisten sie denen Vorschub, die gerade auch den öffentlich-rechtlichen Sendern gerne den Garaus machen wollen“, wird Duin von der Bild zitiert.
Beide hätten sich daher als „deren Repräsentanten“ unmöglich gemacht „Die zuständigen Gremien müssen die Zusammenarbeit - auch aus Solidarität mit denen, die wirklich unter Corona und den Folgen leiden - schnellstens beenden“, erklärt Duin demnach. Diese Meinung soll der Politiker übrigens auf Twitter kundgetan haben. Seine Tweets habe er aber nach einem massiven Shitstorm wieder gelöscht.
Update vom 23. April, 13.14 Uhr: Seit der Veröffentlichung der Künstler-Kampagne unter dem Hashtag „allesdichtmachen“ gegen das Corona-Management der Bundesregierung melden sich immer mehr Schauspiel-Kolleg:innen zu Wort. Viele von ihnen schämen sich wegen der Videos, in denen über 50 deutsche Schauspieler:innen mit Zynismus und Sarkasmus die Corona-Maßnahmen kritisieren wollten. Wayne Carpendale‘s Antwort auf die Protest-Aktion bringt er beispielsweise mit dem Hashtag „ichversinkimboden“ zum Ausdruck. Auf Instagram veröffentlichte er ein Statement.
„Wer sich für meinen Account interessiert, weiß, wie sehr ich Ironie mag und wie oft ich in den letzten Monaten hier viele Lockdown-Maßnahmen und die dafür verantwortlichen Politiker und Medienmacher (auch ironisch) kritisiert habe. Kritik und Meinung müssen wir aushalten!!! Da gibt es für mich keine Gegenmeinung!“. Doch für ihn hat die Kampagne seiner Kolleg:innen offenbar nichts mehr mit konstruktiver Kritik zu tun.
„Die geschätzten Kollegen, die sich zu dieser Aktion haben hinreißen lassen, in die Querdenker- oder gar rechte Ecke zu stellen, nur weil sie Applaus auch von den Falschen kriegen, finde ich Quatsch. Und der Aufruhr zeigt ja auch, dass man mit der Aktion ins Wespennest gestochen hat - für manch Künstler eine Berufsdefinition.“ Die Beiträge wirken auf ihn „beklemmend“ und die damit ausgestrahlte „Überheblichkeit“ unangebracht.
Erstmeldung vom 23. April 2021: Berlin - Das Ende der Corona-Krise steht bislang noch in den Sternen. Seit über einem Jahr ist das Leben vieler Menschen auf der ganzen Welt geprägt durch Maßnahmen und Beschränkungen, um das Virus einzudämmen. Auch in Deutschland wird weiterhin gegen die Ausbreitung gekämpft. Nach einem „hartem Lockdown“, dem „Lockdown Light“ wird jetzt schließlich in der anhaltenden Pandemie die „Corona-Notbremse“ gezogen. Dabei gibt es Branchen und Bereiche, die besonders hart von den von der Bundesregierung oder Ländern beschlossenen Maßnahmen betroffen sind.
Eine davon ist die Kulturbranche: Schauspieler:innen, Sänger:innen und andere Kulturschaffende sehen sich teilweise in eine Existenz-Krise hineinschlittern - oder sind längst mittendrin. Ob sich deshalb über 50 deutsche Schauspieler:innen nun zusammengetan haben, um öffentlich und mit Zynismus als Waffe Kritik an dem Krisen-Management der Politik zu üben? Dieser Schuss ging jedenfalls teilweise nach hinten los.
Unter dem Hashtag „#allesdichtmachen“ verbreiteten sich am späten Donnerstagabend (23. April 2021) sowohl auf einer eigens dafür eingerichteten Webseite als auch in den sozialen Medien die Videos der 53 Schauspieler:innen: Darunter mehrere „Tatort“-Darsteller:innen wie Jan-Josef Liefers, Ulrich Tukur, Ulrike Folkerts und Cem-Ali Gültekin. Aber auch Heike Makatsch und „Babylon Berlin“-Star Volker Bruch. Die Webseite brach sogar wegen zu hoher Besucherzahlen kurzzeitig zusammen.
In den inszenierten Clips arbeiteten die Promis vor allem mit dem Stilmittel der Übertreibung. Während Heike Makatsch beispielsweise in einer Wohnung sitzt und es immer wieder an der Tür klingelt, bleibt sie weiter sitzen und macht nicht auf. Es könnte Lieferando oder ein DHL-Bote sein, aber „ich mache nicht auf, es ist wichtig, dass wir alle nicht aufmachen.“ Die Reaktionen auf dieses Projekt reichen inzwischen von Zuspruch bis Unverständnis.
In den sozialen Netzwerken werden die beteiligten Schauspieler:innen einerseits für ihren Mut gefeiert. Andererseits hagelt es jedoch auch viele kritische Stimmen. Mit ihrer Inszenierung sollen sie nämlich auch Corona-Leugnern, Anhängern der „Querdenken-711“-Bewegung oder auch Verschwörungserzählern in die Karten gespielt haben. Zudem wächst das Unverständnis dafür, dass sich privilegierte Stars ohne finanzielle Nöte derart präsentieren. Schauspiel-Kollege Elyas M‘Barek äußerte sich auf Instagram zu der Kampagne: „Come on, das ist doch Blödsinn“ und weiter: „Jeder will wieder zur Normalität zurückkehren, und das wird auch passieren.“ Mit Zynismus sei doch keinem geholfen.
Inzwischen haben sich jedoch auch bereits beteiligte Schauspieler:innen zu den Reaktionen geäußert. Heike Makatsch teilte beispielsweise ein Statement auf Instagram, in dem sie klarstellt, dass sie die Gefahr, die von der Corona-Pandemie ausgehe, erkenne und das Leid von Opfern und Angehörigen nicht schmälern wollte.
So meldete sich auch Jan-Josef Liefers zu Wort und teilte ein Statement: „Ich setze mich kritisch mit den Entscheidungen meiner Regierung zu SarsCoV2 und Covid 19 auseinander. Besonders wegen der in Kauf genommenen Verluste in Kultur und Kunst und der Veranstaltungsbranche. Auch im jüngsten Video, das ein ironischer Kommentar über Prioritäten von Medien war. Eine da hinein orakelte, aufkeimende Nähe zu Querdenkern u.ä. weise ich glasklar zurück“. Ihm gehe es vor allem um die, die unter der Krise leiden würden: „Den Verängstigten, den Verunsicherten, den Verstörten und Eingeschüchterten, den Verstummten, den Sensiblen, den Hin- und Hergerissenen. Denen, die während der ständig erneuerten ineffektiven Lockdowns häusliche Gewalt erleiden müssen und bei den unverzeihlichsten aller Kollateralschäden, den Kindern.“ Am Schluss zollt er schließlich Medizinern und Pflegekräften seinen Respekt. (jbr)