Moderatorin Dunja Hayali im Interview über Hass-Mails und Hetze: „Das sind einfach Idioten“

Die Moderatorin und Journalistin spricht im Interview über Heimat, Hass-Mails und Hetze. Die 44-Jährige ist dabei schonungslos ehrlich.
München - Sie ist eine klasse Journalistin, eine preisgekrönte Moderatorin, eines der Aushängeschilder des ZDF - und doch wird Dunja Hayali so heftig angefeindet wie wohl keine zweite Frau im deutschen Fernsehen. Vor allem von rechts.
Nun hat Dunja Hayali, die sich kürzlich so zeigte, wie man sie nur selten sieht, ein Buch geschrieben mit dem schönen Titel Haymatland. „Ich will aufrütteln und Mut machen“, sagt die 44-Jährige, die eindringlich von ihren Eltern erzählt, die aus Mossul im Irak stammen und in den 50er-Jahren -zunächst nach Wien - kamen, von ihrer Kindheit im „Pott“, als für die kleine Dunja noch alles in Ordnung war. Und dann fragt sie eben, wie es hier, in Deutschland, ihrer Heimat, so weit kommen konnte, dass Menschen wie sie - jedenfalls von manchen - nicht mehr erwünscht sind.
Frau Hayali, warum kommt dieses Buch gerade jetzt?
Dunja Hayali: Ich durfte im vergangenen Jahr eine Rede zum Thema Heimat halten. In Vorbereitung darauf habe ich mich intensiv mit mir, meinem Leben und dem, was in diesem Land gerade geschieht, auseinandergesetzt. Und da ist mir aufgefallen, was mit mir passiert ist - und vor allem, was es mit einem macht, wenn einem auf einmal fremdbestimmt die Heimat abgesprochen wird.
Sie haben nie daran gezweifelt, dass Deutschland Ihre Heimat ist.
Hayali: Warum auch?
Eben. Sie sind hier geboren, aufgewachsen, sozialisiert. Als Sie aber 2007 angefangen haben, im ZDF das „heute journal“ zu moderieren, wollte man Ihnen genau das absprechen.
Hayali: Ja, das war ein Schockmoment für mich. Claus Kleber hatte mich darauf vorbereitet, dass es Reaktionen von Zuschauern geben könnte, die sich zum Beispiel über meinen Namen wundern. Schon damals habe ich ihn mit großen Augen angeschaut. Denn mir war bis zu dem Zeitpunkt nie auf negative Art bewusst gewesen, dass ich irgendwie anders sein könnte als alle anderen. Aber - Claus hatte Recht.
Es kamen Zuschriften.
Hayali: Ja, es kamen positive, aber eben auch solche, die Spuren hinterlassen. In denen Zuschauer fragten, wie es sein könne, dass eine Ausländerin ihnen nun die deutschen Nachrichten präsentiert. Das ist im Laufe der Zeit weniger geworden - bis zum Jahr 2015.
Dunja Hayali: „Das sind einfach Idioten“
Im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise bekamen Sie wieder Hassmails, werden seitdem als „Vollhure“, „Systemnutte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ oder „Stück Scheiße“ beschimpft, man wünscht Ihnen stellenweise den Tod. Was macht das mit einem?
Hayali: Am Anfang habe ich mir gedacht: Das sind einfach Idioten, die haben drei Minuten Spaß am Rechner, sollen sie doch. Aber - es macht natürlich doch was mit einem. Es hinterlässt Wunden. Wunden hinterlassen Narben. Und das hat Konsequenzen.
Welche?
Hayali: Mein Fell ist noch dicker geworden, als es eh schon ist. Das fällt mir auf, wenn ich Freunden von diesen Hass-Nachrichten erzähle. Während die das alles nicht fassen können und empört sind, zucke ich nur noch mit den Schultern und verweise darauf, dass es vielen Menschen so ergeht. Als würde es das besser machen.
Beantworten Sie nach wie vor jede Nachricht?
Hayali: Ich schaffe es nicht mehr, alles zu beantworten. Hinzu kommt, dass ich im vergangenen Jahr sechs Monate lang Emma, meinen Hund, beim Sterben begleitet habe. Da habe ich gemerkt, dass die Prioritäten woanders liegen als bei Twitter. Und seitdem türmen sich die Zuschriften unterm Schreibtisch.
Dunja Hayali: Es sind nicht nur die Dummen, die schreiben
Können Sie ausmachen, was diese Hater für Menschen sind?
Hayali: Es sind jedenfalls nicht nur die Dummen und die Dämlichen, die schreiben. Das geht querbeet durch die Gesellschaft. Was aber auffällt: Erstens, bei vielen geht es um Wertschätzung und Anerkennung. Das merke ich dann, wenn ich sie anrufe. Die meisten kommen dann schnell runter von der Palme und sind einigermaßen beeindruckt, dass ich mich überhaupt melde. Zweitens: Nicht wenige haben Probleme damit, zu differenzieren oder einen rationalen Diskurs zu führen. Zudem hängen einige immer noch im Jahr 2015 fest. Drittens: Der Veränderungsprozess unserer Welt - Stichwort Digitalisierung, Globalisierung, Künstliche Intelligenz - macht vielen Angst. Viele Menschen wissen nicht mehr, an was sie sich festhalten sollen. All das ist aber natürlich kein Grund, Menschen derart zu beschimpfen, wie es mir und vielen anderen tagtäglich widerfährt. Und viertens: Manche, das muss man auch klar sagen, sind schlicht xenophob.
Ihre Mutter ist vor zwei Jahren gestorben, Ihr Vater dement. Beide bekommen den Hass nicht mehr mit, den ihre Tochter erfährt. Sind Sie darüber manchmal froh?
Hayali: Meine Eltern sind ein wunderbares Beispiel dafür, wie Integration gelingen kann. Sie haben schnell die Sprache gelernt, sind auf die Menschen zugegangen und haben wunderbare Jahre in einer „Dorf“-Gemeinschaft im Pott erlebt. Wenn ich heute durch Datteln laufe, meine Heimat, dann treffe ich immer wieder Menschen, die mir nette Sachen über meine Eltern erzählen oder mir zurufen: „Sie gehören dazu! Lassen Sie sich nichts anderes einreden!“ Das sind berührende Begegnungen. Aber, um Ihre Frage zu beantworten: Ja, ich bin froh, dass meine Eltern das, was im Moment in diesem Land und ja, auch mit ihrer Tochter, passiert, nicht mehr mitbekommen. Das haben sie einfach nicht verdient.
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Interview: St. Thyssen