"Bayern ist meine Heimat geworden"

München - Die tz traf Musikproduzent Leslie Mandoki zum Gespräch. Im Interview gibt er Auskünft über seine Landtagskandidatur für die CSU, seine Liebe zu Bayern und die letzten Worte seines Vaters.
Herr Mandoki, als Anfang der Woche Ihre Landtagskandidatur für die CSU bekannt wurde, sagten Sie, Sie würden aus reinem Patriotismus antreten. Ist Bayern für Sie mehr Heimat als Ihr Geburtsland Ungarn?
Mandoki: Ich war 22 Jahre, als ich hierher kam. Ein illegaler Einwanderer, ein Flüchtling der durch den Karawankentunnel von Jugoslawien nach Österreich abgehauen ist. Ein Asylbewerber, der eigentlich nach Amerika wollte, kein Wort Deutsch sprach und zufällig im Auffanglager Zirndorf landete. Ein langhaariger Musiker voller Träume , der durch die Menschen in Bayern so viel Toleranz, Respekt und Herzlichkeit erfuhr, dass er hier blieb. Ich habe mich verliebt in die bayerische Lebensart und Mentalität. Bayern ist meine Heimat geworden, deswegen möchte ich jetzt einiges zurückgeben.
Politisch engagiert waren Sie schon in Ihrer Jugend in Budapest, damals gegen das System.
Mandoki: Ich war Anhänger der studentischen Opposition und mit meiner Musik Sprachrohr der antikommunistischen Intellektuellen. Einschneidend war das Erlebnis am Sterbebett meines Vaters. Ich war 16, als er seinen verzweifelten Kampf gegen den Krebs verlor. Am Ende sagte er zu mir: „Das Schlimmste ist, dass ich meine Enkel nie sehen werde. Versprich mir eines: Dass sie nie eine zensierte Zeitung lesen müssen und in Freiheit aufwachsen dürfen. Geh und lebe Deine Träume.“
Und diese Träume konnten Sie dann auch verwirklichen?
Mandoki: Ich lebe meine Träume immer noch. Als mich in Zirndorf ein Beamter fragte, was ich hier als Musiker will, meinte ich, eines Tages mit so großartigen Musikern wie Al Di Meola, Ian Anderson und Jack Bruce zusammen spielen zu dürfen. Dieses ehrenvolle Privileg wird mir seit 20 Jahren zuteil, was wir bei meinem Jubiläumskonzert nächste Woche in Budapest feiern werden.
Bekannt wurden Sie damals aber erst einmal durch Dschingis Khan und Texten wie: „He Reiter ho Reiter, immer weiter“. Diesen Stempel bekamen Sie lange nicht los.
Mandoki: Das war Teil meiner Biographie. Genau wie die Arbeit mit Lionel Richie, Chaka Khan, Phil Collins, Jennifer Rush und mit großen amerikanischen Jazzmusikern, wie die Komposition von Soundtracks, Fernsehmelodien oder die umfangreiche musikalische Zusammenarbeit mit dem Volkswagen Konzern, die Sinfonie für Audi oder die musikalische Kooperation mit dem FC Bayern. Dschingis Khan war aber wichtig, so konnte mich Monti Lüftner entdecken, und so konnte ich mich frei entfalten.
Aber wenn Sie sich frei entfalten wollen, warum gehen Sie dann als Künstler in die Politik? Als einer, der einmal gesagt hat, Kunst sei die Sehnsucht nach Freiheit, meinen Sie nicht, Politik wird Sie fürchterlich einengen?
Mandoki: Wenn das so wird, dann war es ein kurzer Ausflug in die Politik. Ich sehe es genau anders: Es ist doch gerade ein Künstler, der als Quereinsteiger mit seiner Freischnäuzigkeit eine fehlende Farbe einbringen kann. Ich stehe zur CSU, aber mir geht es nicht um das Parteibuch. Es geht mir um Antworten. Ich war schon immer unbequem, und das will ich auch weiter sein. Als Vollblutmusiker bin ich im Studio und auf der Bühne zuhause. Das wird auch weiterhin so sein.
Was ist Ihr politisches Konzept, was wollen Sie erreichen?
Mandoki: Zwei Punkte sind mir wichtig: Erstens, alle Parteien muss es per Gesetz strikt untersagt werden, Wahlprogramme aufzustellen, die darauf aus sind, mehr Geld auszugeben als einzunehmen. Zweitens: Ein Verbot von Wetten und Spekulationen auf sinkende Kurse, egal ob das von Siemens ist, von Griechenland, von Ihnen, von mir. Es ist unchristlich und unsozial, auf den Untergang anderer zu wetten.
Das klingt nach schönen Idealen, aber glauben Sie auch, dass Sie das in der Politik auch durchsetzen können?
Mandoki: Ich will daran glauben. Dass alle in diesem Land Chancengleichheit haben. Gebt jedem die Möglichkeit, sein Leben zu gestalten. Das ist aber nicht damit getan, dass wir jedes Jahr 3,8 Milliarden Euro nach Berlin überweisen, damit der Student dort umsonst Bus fahren kann. „Arm, aber sexy“ und „Party für alle“, diese Sprüche aus Berlin, das hat ja schon kabarettistische Züge. Es geht um Chancengleichheit unabhängig von der soziokulturellen Herkunft.
Und wie halten Sie es als ehemaliger Flüchtling in Sachen Integrationspolitik?
Mandoki: Voraussetzung ist, dass alle Deutsch lernen, um in diese wundervolle Kultur eintauchen zu können. Wenn die Migrantenkinder die Landessprache nicht beherrschen, wie sollen sie dann hier Aufstiegschancen haben. Die Leute müssen bereit sein, sich zu integrieren. Deutschland ist ein so wunderbares Land. Denken Sie an die Fünfziger Jahre, als Homosexualität verboten war. Ist es nicht schön, wie wandlungsfähig dieses Land ist, wie man es schaffte, eine Toleranz für unterschiedliche Lebensformen zu entwickeln.
In Ungarn dagegen ist es von Regierungsseite mit Toleranz nicht mehr weit her. Unterdrückung der Meinungsfreiheit, Zensur der Presse, ein Rückfall in alte totalitäre Zeiten. Warum spielen Sie Ihr Jubiläumskonzert ausgerechnet in Budapest?
Mandoki: Genau deswegen. Ich möchte den Finger in die Wunde legen, dort Stellung beziehen gegen meine politischen Feinde, die Rechtsradikalen und die Wende-Kommunisten. Es kann nicht sein, dass im Parlament einer von der rechten Opposition aufsteht und fragt, wie viele Juden Abgeordnete sind. Wir müssen alle unsere Stimme erheben gegen Antisemitismus und Rassismus - wehret den Anfängen! Wenn ich an meinen Vater auf dem Sterbebett denke, an meine Flucht und daran, dass ich jetzt mit diesen fantastischen Musikern in Budapest auf der Bühne stehen darf, dann ist es so, als ob sich ein Kreis schließen würde.
Den Gedanken, ganz nach Ungarn zurückzuziehen, haben Sie nicht?
Mandoki: Nein. Nächsten Samstag ist in Budapest mein Konzert, Sonntagabend bin ich wieder hier. Hier ist mein Zuhause.
Und noch einmal wegziehen, ganz woanders hin?
Mandoki: Ich habe noch einen Koffer in Los Angeles, aber der Koffer wird immer kleiner. Nein, mein Zuhause ist hier. Ich bin so viel unterwegs, 120 Tage im Jahr, zwischen Schanghai und Sao Paulo, da bin ich froh, wieder am Starnberger See zu sein. Ich bin Münchner. Ganz am Anfang hatte ich eine kleine Bude in Schwabing, man könnte sagen, ich bin ein Schwabinger mit Haus am See. Weg bekommt man mich hier nicht mehr. Es ist das Paradies hier.
Interview: Florian Kinast