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Vom Tafelkind zur Politikerin

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Von: Dorit Caspary

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Kandidierte für den  Bundestag und sitzt im Bezirksausschuss: „Ohne die Münchner Tafel wäre ich da heute nicht.“ Jetzt besuchte sie die Ausgabestelle Berg am Laim
Kandidierte für den Bundestag und sitzt im Bezirksausschuss: „Ohne die Münchner Tafel wäre ich da heute nicht.“ Jetzt besuchte sie die Ausgabestelle Berg am Laim. © Klaus Haag

Vaniessa Rashid (30) macht keinen Hehl daraus, dass sie Jahre lang Gast der Münchner Tafel war. Vor 15 Jahren, als sie jeden Freitag in der Schlange in Berg am Laim stand, war das anders. Da schämte sie sich vor ihren Mitschülern, dass ihre Familie auf Unterstützung angewiesen war. Die Grünen-Politikerin ist dankbar für die Hilfe: „Ohne die Tafel hätte ich vieles nicht erreicht.“

Die Geschichte einer außergewöhnlichen Frau und ihrer Beziehung zur Münchner Tafel und warum Nema, ebenfalls ein starke junge Frau, in Malawi ohne Unicef keine Chance hätte.

Vaniessa Rashid war fast ein Jahrzehnt Gast bei der Münchner Tafel

Es ist ein warmes, wohliges Gefühl, dass sich bei Vaniessa Rashid trotz des eisigenWinds einstellt. Die 30-Jährige steht im Hof des Koptenkircherls (auch bekannt als Loretokirche) in Berg am Laim. Dort gibt die Münchner Tafel gemeinsam mit der Tafel des Stadtteils jeden Freitag Lebensmittel an Bedürftige aus. Vaniessa Rashid war fast ein Jahrzehnt Gast bei der Münchner Tafel. „Dafür bin ich heute dankbarer denn je“, so die Grünen-Politikerin, die im September für den Bundestag kandidiert hatte. Gereicht hat es nicht, aber „in vier Jahren bestimmt“, sagt die gebürtige Kurdin überzeugt.

In Berg am Laim traf Rashid ihre Tafel-Helden Dr. Gerhard Hofmeister (l.) und Georg Jurenic.
In Berg am Laim traf Rashid ihre Tafel-Helden Dr. Gerhard Hofmeister (l.) und Georg Jurenic. © Klaus Haag

Als sie drei Jahre alt war, hat sich die Familie aufgemacht und 1994 die Heimat verlassen. Im Irak tobte der Krieg. Drei Jahre waren Vaniessa, ihre jüngere Schwester und die Eltern zu Fuß unterwegs. Auf der Suche nach einer sicheren Heimat. Die fand die Familie in München. Als der Vater gewalttätig unddieMutter krank wurde, erstattete Vaniessa mit 13 Jahren Anzeige. Geld war bei der alleinerziehenden Mutter und ihren beiden Töchtern nun noch knapper. „Ich weiß gar nicht, was wir ohne die Tafel gemacht hätten“, erzählt sie. Jeden Freitag ging es zur Ausgabestelle der St. Michaelskirche in Berg am Laim. Dass sie ihre Mitschüler aus der Ludwig-Thoma-Realschule, die nur ein paar hundert Meter entfernt ist, in der Warteschlange sehen könnten, war ihr peinlich. Daher versuchte sie sich so unsichtbar wie möglich zu machen. Einmal auf dem Gelände angekommen, freute sie sich jede Woche über die herzlichen Begegnungen mit den Helfern. Einer aus dieser Zeit ist Dr. Gerhard Hofmeister. „Meine Frau hat immer wieder Kinder zum Basteln nach Hause mitgebracht.“ Vaniessa sagt: „Die Tafel war für uns immer so viel mehr als nur Lebensmittelausgabe.“ 

Kinder- und Frauenrechte liegen ihr besonders am Herzen

Seit 20 Jahren gibt es die Berg am Laimer Tafel und die Münchner Tafel rund um St. Michael, seit 19 Jahren ist Hofmeister dabei. „Es freut einen bei jedem einzelnen Kind, zu sehen, dass es seinen Weg geht und als Erwachsener so im Leben steht“, sagt der Helfer. Vaniessa Rashid kann sich noch gut daran erinnern, als ihr Georg Jurenic (71), der für die Möbel der Berg am Laimer Tafel verantwortlich ist, ein Bett besorgt hat. „Das war ein so schönes Gefühl. Das kann ich jetzt noch spüren“, erinnert sich die Politikerin, die sich seit Jahren im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach engagiert. Kinder- und Frauenrechte liegen ihr besonders am Herzen. „Für Kinder setzt sich die Politik viel zu wenig ein, schließlich können sie nicht wählen und sind daher keine Zielgruppe.“ Die 30-Jährige hat viele Ziele. Nicht umsonst hat sie sich „Nichts tun ist keine Option“ aufs rechte Handgelenk tätowieren lassen. Die Einstellung zeigt sie auch beim Besuch bei der Tafel in Berg am Laim. Sie versucht, mit den Menschenins Gespräch zu kommen – ohne Wahlkampf. Sie freut sich von

Brotbacken auf der Flucht: Vaniessa 1996 mit ihrer kleinen Schwester.
Brotbacken auf der Flucht: Vaniessa 1996 mit ihrer kleinen Schwester. © privat

Herzen, alte Bekannte zu treffen. Und diese, die selbstbewusste junge Frau wiederzusehen. Georg Jurenic: „Wahnsinn, was dieses Mädel geschafft hat.“ Die Politikerin lächelt gerührt: „Kinder in meiner damaligen Situation haben keine Tanten und Onkel, die mit ihnen was Schönes unternehmen, Großeltern, die mal ein kleines Geschenk haben und einem Aufmerksamkeit schenken. Das alles haben meiner Schwester und mir die Menschen hier gegeben. Das hat mich oft durch schwierige Zeiten getragen.“ Und geprägt. Zehn Jahre lang hat Vaniessa Rashid die Freiwilligen Messe mitorganisiert. „Ich wollte immer etwas zurückgeben und selbst helfen. Deshalb bin ich in der Politik gelandet, damit ich Dinge verändern kann.“ Die Themen Kinderarmut und Kinderrechte stehen ziemlich weit oben auf ihrer Liste. Nebenbei absolviert sie noch ihrStudium an der LMU–Politikwissenschaften und Jura. „Wenn Vaniessa weiter so zielstrebig ist,sehen wirsie irgendwann als Bundeskanzlerin“, sagt ein Tafelgast. 

Tafel Berg am Laim: Hier gibt es auch Möbel

Auf dem Kirchhof an der Josephsburgstraße sind die Münchner Tafel als auch die Berg am Laimer Tafel gemeinsam am Start. 55 Helfer versorgen jede Woche rund 780 Gäste, darunter 250 Kinder und Jugendliche. Leiter Fritz Schöfenius (69): „Bei uns gibt es durch die Kooperation einige Besonderheiten.“ Während sich die Münchner Tafel auf ihr Kerngeschäft, Lebensmittel zu verteilen, konzentriert, haben die Berg am Laimer über viele Jahre noch ein anderes System in Zusammenarbeit mit der Gemeinde St. Michael und der Caritas aufgebaut. So gibt es beispielsweise einen Lieferdienst für bettlägrige Bedürftige und Kranke; die Helfer organisieren auch Möbel, Haushaltswaren und Kleider, die die Bezieher bei der Lebensmittelverteilung ebenfalls bekommen können.

Gemeinsam gegen Armut: So können Sie spenden

Mit Ihrer Spende – und sei sie auch noch so klein – unterstützen Sie die tz-Hilfsaktion Gemeinsam gegen Armut für die Münchner Tafel und Unicef. Konkret geht der Erlös an Familien, die in München trotz aller eigenen Anstrengungen auf Hilfe angewiesen sind–und an Kinder in Malawi, die nach Flut- und Dürrekatastrophen weder genug zu essen haben noch in die Schule gehen können. Gemeinsam mit unseren Partnern und Ihnen, liebe Leser, möchten wir direkt vor unserer Haustür helfen. Und wir wollen Menschen in Malawi unterstützen, einem der ärmsten Länder der Welt. Denn Armut kann jeden treffen. Egal wo.

Spende per Online-Überweisung: Bitte wählen Sie zunächst die Organisation aus, für die Sie spenden möchten. Geben Sie bei der Überweisung auf das jeweilige Konto unbedingt als Stichwort Armut an. Bei Spenden bis 100 Euro gilt der Einzahlungsbeleg als Quittung fürs Finanzamt. Bei größeren Beträgen bekommen Sie von der jeweiligen Organisation automatisch eine Spendenquittung zugesandt. Bitte geben Sie im Feld Verwendungszweck unbedingt Ihren Namen und die Adresse an, sonst können wir Ihnen keine Spendenbescheinigung zuschicken. Empfänger: entweder Münchner Tafel oder Unicef.

Ein wichtiges Versprechen, das die tz seit über 30 Jahren hält: Jeder Cent, den Sie spenden, kommt zu 100 Prozent bei den Kindern und Familien an. Alle Verwaltungskosten werden aus anderen Töpfen und von Sponsoren übernommen.

Die Spendenkonten

Für Unicef:
Commerzbank
IBAN: DE78 7008 0000 0326 9000 00
BIC: DRESDEFF700

Für die Münchner Tafel e. V.
HypoVereinsbank
IBAN: DE37 7002 0270 6850 1933 10
BIC: HYVEDEMMXXX 

Ihre Ansprechpartnerin

Haben Sie noch Fragen oder möchten selbst aktiv werden, beispielsweise eine eigene Spendensammlung oder Versteigerung organisieren? Dann rufen Sie an oder schreiben eine E-Mail. tz-Redakteurin Dorit Caspary hat sich sowohl bei den Projekten der Münchner Tafel als auch bei Unicef ein Bild gemacht. Sie können sich sicher sein: Jeder Spenden-Euro wird dringend gebraucht und sinnvoll verwendet. Unsere Reporterin erreichen Sie unter Tel. 089/5306-512 oder per E-Mail unter dorit.caspary@merkurtz.de.

Spendenbeispiele

Nur 78 Euro reichen, um einen Tafelgast ein ganzes Jahr lang mit Lebensmitteln zu unterstützen. Wie Sie ganz einfach Gastgeber für Münchner in Not werden: www.muenchner-tafel.de

Mit 30 Euro kann Unicef einen Monat lang ein akut mangelernährtes Kind mit lebensrettender Erdnusspaste versorgen.

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