Wegen „Babylon Berlin“ entfielen am Sonntag sogar „Tatort“ und „Anne Will“

„Babylon Berlin“ ist ein Serien-Hit. Endlich werden die Folgen auch im Free-TV zu sehen sein. Dafür muss sogar der Tatort weichen.
„Babylon Berlin“ kommt ins Free-TV! Am Sonntagabend um 20.15 Uhr läuft die erste Folge der preisgekrönten Erfolgsserie, die auf Sky im Oktober 2017 zuerst ausgestrahlt wurde. Die Serie gewann gleich in mehreren Kategorien den Deutschen Fernsehpreis 2018 (u.a. „Beste Drama-Serie“ und „Beste Kamera“) sowie die Goldene Kamera, den Grimme-Preis und weitere internationale Auszeichnungen.
Kein Tatort, keine Anne Will - stattdessen „Babylon Berlin“
Nun wird die erste und zweite Staffel der Krimiserie, die in der Weimarer Republik spielt, auch im Free-TV übertragen. Die ARD bietet ihr dafür zum Auftakt sogar den „heiligen“ Sendeplatz am Sonntagabend um 20.15 Uhr, an dem normalerweise nur Tatort oder Polizeiruf 110 laufen. Bisher unterbrachen lediglich Liveübertragungen von Fußball-Spielen, etwa bei einer Weltmeisterschaft, diese Tradition.
Da heute zwei Folgen gezeigt werden und im Anschluss die Dokumentation „1929 - Das Jahr Babylon“ (22.30 Uhr, ARD) läuft, wurde auch die Talkshow „Anne Will“ für den Sonntagabend gestrichen.
Die weiteren „Babylon Berlin“-Folgen laufen an Donnerstagabenden
Die weiteren jeweils 45-minütigen Episoden werden ebenfalls in Doppelfolgen ausgestrahlt, jedoch - mit Rücksicht auf die Tatort-Fans - an Donnerstagen. Das Finale läuft am 8. November in der ARD. Wer dann auf den Geschmack gekommen ist, darf sich auf eine dritte Staffel freuen, die ab dem Herbst 2018 gedreht werden soll.

Worum geht’s in „Babylon Berlin“?
Berlin in den Goldenen Zwanzigern – und wir als Zuschauer mittendrin in einer der schon damals aufregendsten Städte der Welt. Es ist das Frühjahr 1929: Gereon Rath, Kommissar aus Köln, wird in die Hauptstadt versetzt, um den Kriminalfall eines von der Berliner Mafia geführten Pornorings zu lösen. Was auf den ersten Blick eine simple Erpressung zu sein scheint, entpuppt sich bald als Skandal, der Gereons Leben und das seiner engsten Vertrauten verändern wird.
„Babylon Berlin“ ist eine Romanverfilmung
„Babylon Berlin“ ist die Verfilmung der international erfolgreichen Bestseller-Reihe von Volker Kutscher – die das ganze Panoptikum dieser außergewöhnlichen Zeit am Anfang des 20. Jahrhunderts zwischen Drogen und Politik, Mord und Kunst, Emanzipation und Extremismus bietet. Als Autoren und Regisseure zeichnen Tom Tykwer („Lola rennt“, „Das Parfum“), Hendrik Handloegten („Liegen lernen“) und Achim von Borries („Was nützt die Liebe in Gedanken“) verantwortlich. Sie haben fast drei Jahre am Drehbuch gearbeitet. Tykwer: „Wir haben die komplette Serie zusammen geschrieben und inszeniert. Es gibt nicht eine Episode, an der wir nicht alle drei beteiligt waren.“
„Babylon Berlin“: Der Trailer zur Serie
Wer spielt in „Babylon Berlin“ mit?
Die Hauptrolle des Gereon Rath übernimmt der Münchner Schauspieler Volker Bruch („Der Vorleser“, „Der Baader Meinhof Komplex“, „Unsere Mütter, unsere Väter“). Schon bald bekommt der junge Kölner Kommissar eine Assistentin an seine Seite: Die Berlinerin Liv Lisa Fries (Goldene Kamera für ihre Rolle im ARD-Film „Sie hat es verdient“) spielt Charlotte Ritter, die einzige Frau zwischen all den staubigen Beamten in „Babylon Berlin“. Zum Ermittlerteam gehört außerdem Bruno Wolter, gespielt von Peter Kurth („Good Bye Lenin!“, „Herbert“). In weiteren Rollen mit dabei ist die Crème de la Crème der deutschen Filmlandschaft: Von Matthias Brandt, Leonie Benesch, Lars Eidinger über Fritzi Haberlandt und Karl Markovics bis Christian Friedel, Thomas Thieme, Hannah Herzsprung, Benno Fürmann und viele mehr. Insgesamt umfasst die Serie rund 300 Sprechrollen.
Wer zieht in der Produktion die Fäden?
So eine Kombination gab’s zuvor noch nie: Erstmals haben die öffentlich-rechtliche ARD Degeto und der Bezahlsender Sky die Kräfte gebündelt, um gemeinsam mit Produktion und koproduzierendem Weltvertrieb dieses außergewöhnliche Projekt zu realisieren. „Wer aus Deutschland heraus Serien auf international höchstem Niveau produzieren möchte, muss auch im Bereich der Finanzierung neue innovative Wege gehen“, erklärt Elke Walthelm, Programmchefin bei Sky Deutschland, gegenüber unserer Zeitung. „Das haben wir gemeinsam mit den Partnern X Filme, ARD Degeto, das Erste und Beta Film getan. Wir freuen uns auf den Start von ,Babylon Berlin‘ heute bei Sky.“
Wo und wie lange wurde „Babylon Berlin“ gedreht?
Mit mehr als 180 Drehtagen ist „Babylon Berlin“, auch, was den Aufwand angeht, ein beispielloses Unternehmen. „Teilweise haben wir zwei oder sogar drei Einheiten parallel gedreht. Im Nachhinein ist kaum vorstellbar, wie wir das alle zusammen geschafft haben“, erzählt Tom Tykwer. Gedreht wurde in den Studios Babelsberg, in denen ganze Straßenzüge verschiedener Stadtteile Berlins von einst durch Szenenbildner Uli Hanisch wieder zum Leben erweckt wurden.
„Babylon Berlin“ – das sagt unsere Kritikerin zur neuen Serie
Berlin 1929: Die Schockwellen des New Yorker Börsencrashs sind auch in Berlin zu spüren. Alfred Döblin veröffentlicht seinen Roman „Berlin Alexanderplatz“, im Mittelpunkt steht neben dem Ex-Knasti Franz Biberkopf die Hauptstadt des Reiches, „die große Hure Babylon“. Die porträtierte auch der Autor Volker Kutscher in seinen Krimis rund um den Berliner Kommissar Gereon Rath. Für Fans der Bücher muss man allerdings anmerken: Mit dem Original-Kutscher hat „Babylon Berlin“ nur noch in Spurenelementen zu tun.
Die Grundstruktur und die Figurenkonstellationen sind großenteils identisch. Doch es gibt jede Menge zusätzliche Handlungsstränge, Nebenschauplätze und sanfte Verschiebungen. Die Fernsehserie ist ein ambitioniertes Großprojekt geworden. Und nicht nur die gigantischen Kosten erklären auch die riesige Werbetrommel, die nun ganz kräftig geschlagen wird. Das Geld sieht man in jeder Einstellung: Erlesen sind die Innenräume, mal provozierend schlicht im Bauhaus-Stil gehalten, mal üppig und detailverliebt. Kostüme und Musik sind sorgfältig ausgewählt und gestaltet. Zudem versammeln die Filmemacher Tom Tykwer, Hendrik Handloegten und Achim von Borries eine illustre Schar an hochkarätigen Schauspielern um sich. In der ersten Reihe Volker Bruch als Ermittler und kriegstraumatisierter Morphinist Gereon Rath und die formidable Liv Lisa Fries als Charlotte Ritter. Dank der ebenfalls exzellenten Arbeit der Maskenbildner erkennt man einige der weiteren Darsteller anfangs zuerst einmal an der Stimme.

„Babylon Berlin“ ist ein furioser Ritt durch die Goldenen Zwanziger und ein atemloser Geschichtsunterricht für alle, die sich für Politik und Historie nie sonderlich interessiert haben. Wer mag, kann sogar Bezüge zur Gegenwart herstellen. Angst vor Veränderungen in Umbruchphasen und ein unheilvolles Festhalten am Altbekannten scheinen heute wieder ganz vertraut.
Die Stärke der Inszenierung liegt zum einen in dem spürbaren Versuch, endlich einmal etwas zu wagen im deutschen Fernsehen, auch optisch. Zum anderen, und das ist es, weshalb „Babylon Berlin“ in einigen Jahren noch sehenswert bleiben wird, in der Genauigkeit im Kleinen, in der raffinierten Andeutung und Anspielung, in dem, was die Figuren zwischen den Zeilen gesagt haben. Daraus entsteht ein aufregendes Spannungsverhältnis, das den Zuschauer auch in manch redundanter Szene noch bei der Stange hält: hier die ekstatische Party, der sinnenfrohe Rausch, die opernhafte Orgie – dort der Kater am Morgen danach, das Warten auf Arbeit, das graue Elend auf der Straße mit all den Invaliden und das Billigessen bei Aschinger, bei dem auch die Damen vor lauter Hunger den Teller blitzblank putzen.
Ulrike Frick