Frank Elstner: "Meinen Abschiedinszeniert Gott"

München - Frank Elstner, der Erfinder von "Wetten, dass..?", spricht im Frühstücksinterview mit der tz über seine Liebe zum Fernsehen. Und über Stefan Raab und Kreativität in den Medien.
Die Nacht war kurz für Frank Elstner: Erst die Aufzeichnung der großen „Show der Naturwunder“, dann der Boxkampf mit Klitschko – vor dem Fernseher versteht sich. Beim Frühstücksinterview mit der tz wirkt der 73-jährige Moderator, der täglich joggen geht, dennoch höchst ausgeschlafen. Man spürt sofort, wie sehr das Fernsehen dem „Wetten, dass..?“-Erfinder am Herzen liegt.
Herr Elstner, sind Sie ein Naturmensch?
Frank Elstner: Ich bin sowohl Natur- als auch Stadtmensch. Für mich ist entscheidend, in welcher Begleitung ich wo bin. Mit der Familie bin ich lieber auf dem Land, weil man sich da besser aufeinander konzentrieren kann. Wenn ich allein bin, ziehe ich die Großstadt vor, schon wegen des kulturellen Angebots. Ich gehe furchtbar gern ins Theater.
Seit 2006 moderieren Sie „Die große Show der Naturwunder“. Hat sich Ihre Sicht auf die Umwelt verändert?
Elstner: Natürlich, ich gehe viel bewusster durchs Leben, weil ich an jeder Ecke an die Themen erinnert werde, die wir schon behandelt haben. Die Show sprüht vor Inhalten, aus denen Fortschritt und oft Unglaubliches entstehen. Und ich bin selbst sehr neugierig. Wenn ich etwas nicht kapiere, dann frage ich meinen Kollegen Ranga Yogeshwar, der alles erklären kann. Bei diesem Format fühle ich mich, als würde ich selbst noch zur Schule gehen.
Frank Elstner: "Eine Kochshow - 100 Kochshows"
Sie sind mit der „Show der Naturwunder“ in die Bavaria Filmstudios eingezogen. Sind Sie froh, mit München einen festen Standort gefunden zu haben?
Elstner: Wir haben hier auf jeden Fall einen Platz gefunden, an dem geballte Kompetenz vorhanden ist. Und ich wünsche der Bavaria viele Erfolge. Dennoch finde ich es auch schön, wenn man mit einer Show zu den Menschen geht und ähnlich wie es Verstehen Sie Spaß? und Wetten, dass..? gemacht haben, durch verschiedene Städte zieht. Die Nähe zum Zuschauer tut Fernsehformaten gut.
Zuletzt haben Sie in einem Interview kritisiert, dass im Fernsehen zu oft „aufs falsche Pferd“ gesetzt würde. Was meinten Sie damit?
Elstner: Es ist bedauerlich, dass sich die Verantwortlichen zu sehr am Erfolg der anderen orientieren. Dadurch gerät man in einen Nachahmungsprozess. Eine Kochshow – 100 Kochshows, ein Quiz – 100 Quizshows. Ich fände es schön, wenn es mehr freies Spielgeld gäbe, um zu experimentieren. Damit man nicht immer darauf angewiesen ist, dass alles gleich auf Anhieb klappt. Manchmal zündet eine Idee erst mit Verzögerung. Unter normalen Umständen könnte ich Wetten, dass ..? heute nicht mehr erfinden. Die Sendung würde nach dem ersten Mal höchstwahrscheinlich abgesetzt werden.
Ist es wirklich eine Frage des fehlenden Spielgeldes oder eine Frage des fehlenden Mutes?
Elstner: Die Verantwortlichen in den Sendeanstalten werden sagen, es ist das fehlende Geld. Ich sage Ihnen: es ist das fehlende Geld und der fehlende Mut.
Sie haben Ihre eigene Masterclass, in der Sie sich um den Moderatorennachwuchs kümmern. Was geben Sie Ihren Zöglingen mit auf den Weg?
Elstner: Ich sehe sofort, ob einer von einem Trainer gecoacht wurde, der gleichmacht. Die Art wie man die Karten hält, lächelt, den Kopf schief legt. Das will ich nicht. Ich suche Moderatoren, die durch ihre Persönlichkeit überzeugen. Wenn einer eine Warze auf der Nase hat, aber authentisch und spannend wirkt, ist mir das lieber als die perfekte Fassade.
Frank Elstner: "Fernsehangebot ist sehr viel größer geworden"
Lernen Sie auch umgekehrt vom Nachwuchs?
Elstner: Aber natürlich. In der Beziehung bin ich egoistisch. Mit 73 gehöre ich nun wahrlich nicht mehr zum Kreativpotenzial der Rundfunk- und Fernsehanstalten, aber durch die fast tägliche Arbeit mit jungen Leuten habe ich gelernt, was sich in der Entwicklung mit neuen Medien wirklich tut. Das ist für mich Weiterbildung und eine gute Gelegenheit, noch ein bisschen mitzuspielen.
Glauben Sie, dass man mit zunehmendem Alter und der Erfahrung, die man gewinnt, ein besserer Moderator wird?
Elstner: Also ich mache das Ganze nicht, damit ich jetzt noch ein besserer Moderator werde, sondern um ein klügerer Mensch zu werden. Das ist ein ganz großer Unterschied.
Sie sagen, dass es genügend junge Talente im Fernsehen gibt. Warum hat man dann trotzdem das Gefühl, von Kerner bis Pflaume immer die gleichen Gesichter zu sehen?
Elstner: Das stimmt so nicht. Das Fernsehangebot ist schon sehr viel größer geworden. Und ich kann Ihnen eine Liste zusammenstellen mit den Namen von 100 Moderatoren, die alle was drauf haben.
Zweifellos. Die Frage ist doch nur, warum das ZDF, das derzeit neue Showformate am Samstagabend ausprobiert, nicht bei der Gelegenheit auch ein paar neue Gesichter testet.
Elstner: Da kann ich Sie nur herzlich bitten, möglichst schnell mit einem Verantwortlichen des ZDF ein Gespräch zu führen. Weil diese Antwort würde mich auch brennend interessieren.
Frank Elstner: "Keiner hat so viel Kreativität ins Fernsehen gebracht wie Stefan Raab"
Ist Stefan Raab am Ende der Einzige im Fernsehen, der sich austoben darf?
Elstner: Stefan ist ein fantastisches Beispiel. Ich kenne keinen, der in den letzten Jahren so viel Kreativität ins Fernsehen gebracht hat, wie Stefan Raab. Was er getan hat, hat der ganzen Mannschaft, die sich mit Bewegtbild beschäftigt, einen Aufschwung gegeben. Aber Stefan Raab ist auch nicht von heute auf morgen auf der Bildfläche erschienen. Er ist über all die Jahre gewachsen. Das gleiche gilt für diejenigen, die jetzt in den Startlöchern stehen. Das Talent reift in der Stille. Und irgendwann macht es Peng.
Denken Sie manchmal über Ihren eigenen Abschied aus dem Fernsehen nach?
Elstner: Öfters, aber ich möchte überhaupt keinen Abschied. Ich will auch keinen Schlussstrich unter etwas ziehen. Ich werde im Oktober mit meiner SWR-Talkshow Menschen der Woche aufhören, weil ich seit 15 Jahren kein freies Wochenende mehr hatte. Aber wer weiß schon, wie der Neuanfang aussieht? Vielleicht gibt’s ja mal eine Sendung, in der ein 90-Jähriger unbedingt notwendig ist, um eine Rakete zu zünden. Dann werde ich mich nicht scheuen, diese Aufgabe zu übernehmen, sollte ich noch vorhanden sein. Oder um es anders zu sagen: Meinen Abschied inszeniere nicht ich, sondern der liebe Gott.
Astrid Kistner