Rademann verstorben - Gute Reise, Wolfgang!

München - Viele Deutsche sind mit den Serien aus der Feder von Wolfgang Rademann aufgewachsen. Jetzt ist der TV-Visionär verstorben. Ein Nachruf von Astrid Kistner.
Wolfgang Rademann ist tot. In den letzten Monaten habe ich mich vor dem Moment gefürchtet, in dem dieser Satz Wirklichkeit wird. "Ja, Mädchen. So isset. Irgendwann sterben wir alle. Aus, Ende, Feierabend!", hatte er bei unserem letzten Treffen im Bayerischen Hof gesagt. Ein Satz, den er ohne einen Anflug von Sentimentalität aus der Hüfte feuerte. Das war zu seinem 80. Geburtstag, und Rademann saß wie immer quietschvergnügt auf der Empore des Luxushotels, das ihm in München zweite Heimat war. Hier hielt er Hof, empfing Schauspieler, Drehbuchautoren, Regisseure und Journalisten, denen er sich besonders verbunden fühlte.
Schließlich arbeitete er selbst lange Jahre als Reporter bei B.Z.

und Stern, bevor er die Ärmel hochkrempelte und als Regisseur und Produzent die Fernsehbranche auf Vordermann brachte. Rademann war ein Macher, einer, der in Geschichten dachte, täglich Berge von Zeitungen durchforstete und jede noch so kleine Meldung sorgfältig archivierte, wenn er hinter ihr eine spannende Idee für ein neues Fernsehprojekt vermutete.
Wolfgang Rademann zu treffen, war wie Kindergeburtstag: ohne Spiele, aber dafür mit Kaffee, Keksen und lustigen Geschichten. Der Erfinder von Schwarzwaldklinik und Traumschiff schöpfte aus einem riesigen Fundus an Begegnungen und Erlebnissen. Anekdoten würzte er mit seiner Berliner Schnauze, mit der selbst Tragisches komisch klang. Meine Lieblingsgeschichte ist bis heute die, als Rademann seinen ehemaligen Traumschiff-Kapitän Heinz Weiss nach einer Notoperation im Krankenhaus besuchte: "Ick habe ihn damals mit den Worten aufgemuntert: Heinz ick habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die jute: du lebst, die schlechte: dit Bein is ab!"
Rademann: Nur einmal betrunken
Es war immer die gute Nachricht, die Wolfgang Rademann durchs Leben getragen hat. Als Kriegs- und Nachkriegskind unterstützte er die Mutter so gut es ging. Er packte an, hielt den Laden am Laufen, riss Witze und war zuverlässig. "Nur einmal war ick besoffen. Das war mit 16. In der Silvesternacht hab ich ordentlich Bier mit Cognac gemixt. Als meine Mutter mich am nächsten morgen in der Badewanne geweckt hat, hab ich mich so geschämt, dass ich mich nie mehr betrunken habe", erinnerte sich Rademann zum 80. Geburtstag.
Den feierte er mit einem rauschenden Fest in Berlin. "Eine tolle Party", schwärmte er später am Telefon. Schauspieler wie Günther Maria Halmer, Siegfried Rauch und Alexander Held waren in die Bundeshauptstadt gereist, um den Erfolgsproduzenten hochleben zu lassen. "Das war mein letztes großes Fest", entschied Wolfgang Rademann. "Allein 2014 war ich auf fünf Beerdigungen. Ick hab mir schon überlegt, mir ein Zelt für den Friedhof zu kofen und auf die nächste zu warten."
Ein Fernsehproduzent mit Leib und Seele
Mit "90 alleene dazusitzen" dazu hatte das TV-Urgestein keine Lust. Stattdessen stürzte er sich so lange es ging in die Arbeit, suchte neue Drehorte fürs Traumschiff, das er als "olle Frostbeule" erfunden hatte, um "sich keinen Wintermantel kaufen zu müssen", wie er gern schmunzelnd behauptete. Er war der letzte seiner Art. Fernsehproduzent mit Leib und Seele. Als er im Herbst letzten Jahres stürzte, kam er in eine Berliner Klinik, seine langjährige Lebensgefährtin Ruth Maria Kubitschek (84), mit der er die Liebe, aber nie eine Wohnung teilte, stand ihm zur Seite. Sie war es auch, die im November 2015 stellvertretend den Ehrenbambi für sein Lebenswerk entgegennahm. Rademann verfolgte im Fernsehen vom Krankenbett aus, wie sich die Kollegen vor ihm verneigten. Ein bewegender Moment, der ahnen ließ, dass es ihm schlechter ging, als er stets beteuerte.
Nichts langweilte ihn mehr als Krankheitsgeschichten. "Jammern bringt nix. Hinterherweinen hat keinen Sinn und vorausplanen auch nicht – weil es kommt ja doch anders, als man denkt. Du bist einfach von deinem Schicksal abhängig", pflegte er zu sagen.
Wolfgang Rademann hatte Recht. Es kam alles ganz anders. Ein geplantes Treffen zum Filmfest 2015 gab es nicht mehr. Sein Wunsch, noch einmal aufs Traumschiff zu gehen, wurde ihm nicht erfüllt. Und trotzdem glaube ich, dass der Mann, der mich mit knapp 44 noch immer Mädchen nannte, die letzte Reise friedlich angetreten hat. "Weißte Mädchen, ick hatte schon unglaublich viel Schwein im Leben", sagte er zuletzt. "Und dafür bin ich dankbar."
Ein Nachruf von Astrid Kistner
Er brachte die heile Welt ins Wohnzimmer
Millionen Zuschauer wären um schöne Fernsehmomente ärmer,

wenn es nicht Wolfgang Rademann gegeben hätte: Er brachte die heile Welt in deutsche Wohnzimmer, erzählte Geschichten aus fernen Ländern und sorgte dafür, dass sich die Menschen Ärzte wünschen, die so sind wie Professor Brinkmann. Das Traumschiff und Die Schwarzwaldklinik sind sicherlich die größten Erfolge von Wolfgang Rademann. Dabei war er noch viel mehr.
Er produzierte in den 60er-Jahren die Peter Alexander Show im ZDF. Es folgten Sendungen wie Anneliese Rothenberger gibt sich die Ehre oder So schön wie heut. Unvergessen sind auch Lach mal wieder mit Günther Pfitzmann oder Ein verrücktes Paar mit Harald Juhnke und Grit Boettcher. Später schrieb Rademann dann Serien wie Hotel Paradies, Die Geliebte und eben Die Schwarzwaldklinik. Selbstironie bewies der leidenschaftliche Fernsehmacher, als er, der einst so viele Halbgötter in Weiß geschaffen hatte, im ZDF eine Reihe zum Thema Ärztepfusch (Engel der Gerechtigkeit) etablierte. Zu Ehren von Wolfgang Rademann zeigt das ZDF am Dienstag (20.15 Uhr) eine alte Folge vom Traumschiff.