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Empörung über „365 Days“ - Jetzt spricht Netflix

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Der Film „365 Days“ auf Netflix schwebt zwischen einem riesen Erfolg und heftiger Kritik. Was macht den Skandal-Film so erfolgreich?
Der Film „365 Days“ auf Netflix schwebt zwischen einem riesen Erfolg und heftiger Kritik. Was macht den Skandal-Film so erfolgreich? © Netflix

Der Skandal-Film „365 Days“ bei Netflix hat für Empörung gesorgt. Jetzt hat sich der Streamindienst zu dem Thema klar positioniert.

Update vom Mittwoch, 08.07.2020, 13.01 Uhr: Nach der Kritik am Film „365 Days“ hat Netflix reagiert. Allerdings soll es wohl keine Triggerwarnung vor dem Film geben. Auch ist nicht geplant, „365 Days“ aus der Videothek von Netflix zu löschen. Vielmehr verwies ein Sprecher des Konzerns darauf, dass Kunden selbst einstellen können, welche Art von Filmen sie sehen wollen. Entsprechende Filter könnten im Profil gesetzt werden, sodass Nutzer keine Inhalte angezeigt bekommen, die sie als anstößig empfinden.

Gleichzeitig wies Netflix die Verantwortung für den Inhalt von „365 Days" von sich. Der Film sei eine polnische Produktion und in mehreren Ländern im Kino erschienen. Netflix habe lediglich die Lizenz für den Film erworben.

Netflix: 365 Days steht hart in der Kritik: „Erotisierung von Kidnapping“

Der „365 Days“ hatte nach seinem Erscheinen bei dem Streamingdienst harsche Kritik auf sich gezogen. Die Sängerin Duffy hatte die Handlung des Films als „Erotisierung von Kidnapping“ bezeichnet und kritisiert, dass das Leiden der Opfer von Entführung und Vergewaltigung von Netflix zu einem „erotischen Drama“ verarbeitet wurde.

Die Organisation „Pro Empower“ hatte einen Petition gegen „365 Days" auf Netflix gestartet. Ziel der Petition ist es, eine Triggerwarnung am Anfang des Films zu zeigen, die deutlich macht, dass explizite Gewalt- und Sex-Szenen gezeigt werden.

„365 Days“ auf Netflix sorgt für Empörung

Erstmeldung vom Freitag, 26.06.2020: Offenbach – Der Erfolg des Netflix-Films „365 Days“ scheint kein Ende zu nehmen. Seit mehreren Wochen befindet sich der Skandal-Film unter den am häufigsten gestreamten Filmen auf Netflix in Deutschland. Auch weltweit feiert der Film große Erfolge. 

Man könnte sagen „365 Days“ (Originaltitel: „365 Dni“) ist die polnische Antwort auf „50 Shades of Grey“ – nur noch einen Hauch extremer. Die skandalträchtige Handlung des Filmes hat im Netz ebenso für einen Hype wie für einen Shitstorm gesorgt. Die Story ist aber sicherlich einer der Erfolgsfaktoren von „365 Days“. 

Doch worum geht es im Netflix-Skandal-Hit „365 Days“ überhaupt?

Der junge Mafia-Boss Massimo Torricelli (Michele Morrone) wird angeschossen und sieht während einer Nahtoderfahrung das Gesicht von Laura Biel (Anna-Maria Sieklucka), die er zuvor durch ein Fernrohr beobachtet hat. Einige Jahre später trifft er die junge Frau wieder, kidnappt sie und sperrt sie in seiner Villa ein. „365 Days“ –  365 Tage hat sie Zeit, um sich in ihn zu verlieben. 

Schnell schlägt die Stimmung um, der Mafia-Boss wird übergriffig, packt die junge Frau an, würgt sie und kettet sie ans Bett. Das Skandalöse: Die eigentlich emanzipierte junge Geschäftsfrau findet ziemlich schnell Gefallen an ihrem Entführer und verliebt sich in ihn. 

Was macht den Film „365 Days“ auf Netflix weltweit so erfolgreich?

Warum auch nicht? Mit ihrem bisherigen Freund lief es ohnehin nicht mehr gut. Es spricht also nichts dagegen, den attraktiven Mafia-Boss, der sie mit auf seine Yacht nimmt und sie reich beschenkt, zu lieben, oder? Damit beginnt das Erfolgsrezept bei Netflix – und ebenso der Aufreger. 

Im Netz kursieren Bedenken, der Film sende die Botschaft, dass ein Mann sich mit Gewalt alles nehmen kann, was er will. Gewalt und sexuelle Übergriffe würden zwischen Champagner, luxuriösen Partys und Designerläden als harmlose Normalität dargestellt.

„365 Days“ auf Netflix: Verharmlosen Attraktivität und Leichtigkeit den grausamen Hintergrund des Films?

Es erstaunt vor diesem Hintergrund umso mehr, dass sich in den sozialen Medien viele junge Frauen in die Richtung äußern, dass sie nichts dagegen hätten, sich in eine solche Welt von einem solchen Kerl entführen zu lassen. Die Attraktivität der beiden Hauptdarsteller Michele Morrone und Anna-Maria Sieklucka in dem Netflix-Film „365 Days“ spielt dabei sicherlich eine Rolle. 

Der Hype um die Hauptdarsteller: Der Soundtrack zu „365 Days“ stammt von einem Darsteller

Und nicht nur, dass die Hauptdarsteller im Netflix-Skandal-Hit „365 Days“ scheinbar verboten attraktiv sind. Die Filmmusik stammt auch noch von einem der Darsteller. 

Der Song „Feel it“, der auch in „365 Days“ zu hören ist und von Hauptdarsteller Michele Morrone gesungen wird, wurde auf Youtube mittlerweile fast 20 Millionen mal geklickt. Und immer wieder finden sich unter dem Video Kommentare wie: „Er kann singen. Er ist dominant. Er ist ein gefährlicher Mann. Er ist reich. Er ist heiß. Er hat eine wahnsinnig attraktive Stimme. Er ist alles, was man will.“

Britische Organisation fordern Netflix auf eine Warnung einzublenden: Was macht „365 Days“ so gefährlich?

Doch genau das, was „365 Days“ scheinbar so erfolgreich macht, stößt bei anderen auf heftige Kritik. Der Film verharmlost sexuelle Gewalt und normalisiert Vergewaltigung und toxische Männlichkeit – das ist der Vorwurf der britischen Organisation „Pro Empower“. Die Organisation setzt sich gegen sexuellen Missbrauch ein und hat sich in einem offenen Brief an Netflix gewandt.

Die Organisation fordert den Streaming-Dienst dazu auf, zu Beginn des Films eine Warnung vor expliziten Gewaltdarstellungen einzublenden. Netflix Deutschland hat das bisher noch nicht umgesetzt. 

Scharfe Kritik an Netflix-Hit „365 Days“: Gewaltdarstellungen, Heroisierung und Beschönigung

Und nicht nur die Gewaltdarstellungen an sich werden heftig kritisiert. Auch, dass die Hintergründe verschleiert oder beschönigt werden, sorgt für Gegenwind, der auf den Netflix-Skandal-Film trifft. So sei bei der Hauptfigur von einem klaren psychologischen Problem wie dem des Stockholm-Syndroms auszugehen, welches durch die Liebesgeschichte nur verherrlicht würde. Beim Stockholm-Syndrom empfinden beispielsweise Opfer einer Geiselnahme Sympathien bis hin zu Liebe für ihre Entführer und beschönigen dabei gegebenenfalls sogar die ihnen angetane Gewalt.

Allein die Tatsache, dass der Film auf Netflix nur den Genres „Romantischer Film“ und „Drama“ zugeordnet wird, sorgt für Aufregung. „Pro Empower“ fordert, den Film zumindest in die Kategorie „Horror“ oder „Thriller“ zu verlegen.

„365 Days“ – und noch mehr: Es sind zwei Fortsetzungen des Skandal-Films bei Netflix zu erwarten

Trotz allem hat der Film „365 Days“ auf Netflix auch viele Liebhaber für sich gewonnen. Und nachdem der erste Teil mit einem riesigen Cliffhanger endet, ist wohl irgendwann mit zwei Fortsetzungen zu rechnen. So wie „50 Shades of Grey“ beruht auch die polnische Adaption auf einer dreiteiligen Buchreihe. 

Der erste Film hat sich sehr stark an der Buchvorlage von Blanka Lipińska orientiert. Daher kann man erwarten, dass Netflix sich auch noch die anderen beiden Bücher der Reihe schnappt - und auch daraus Erfolgs- und/oder Skandal-Filme zaubert. Nach „365 Days“ können sich Fans also bestimmt irgendwann über „This Day“ und „Another 365 Days“ freuen. Aber bis es so weit ist, hat Netflix noch einige andere Film-Highlights* im Angebot. Aber nicht alles, was Netflix anfasst, wird zu Gold. Diese Filme und Serien von Netflix waren riesige Flops. Dem Erfolg von Netflix tun sie aber keinen Abbruch: Der Streaming-Dienstleister leistet sich sogar eine Preissenkung bei den Abos bis Ende des Jahres. Der Grund ist simpel.

Durch eine  Netflix-Serie „Tiger King“ wird Joe Exotic weltweite berühmt - derzeit sitzt er im Gefängnis seine Strafe ab.* (iwe) 

Ein realer Hintergrund macht Serien oft erst richtig spannend. Wir haben die besten Netflix-Serien nach wahren Begebenheiten zusammengestellt.

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